Ein Wirtschaftsplanspiel für die 7. Klasse
Ein Beitrag von Emma-Allison Fink (Freie Waldorfschule Marburg)
Vom Traum zur Transaktion – Ein Planspiel über Zahlen und Zusammenhalt
Im Rahmen der Mathematikepoche haben Schüler*innen der 7. Klasse über mehrere Wochen ein selbst entwickeltes Wirtschaftsplanspiel durchgeführt. Ziel des Projekts war es, ökonomische Zusammenhänge durch die Gründung und Führung eines eigenen Unternehmens erfahrbar zu machen – verbunden mit den Anforderungen an kaufmännisches Rechnen, Planung, Dokumentation und Präsentation.
Spielstruktur und Ablauf
Zu Beginn gründen die Schüler*innen ein Unternehmen – allein oder in frei gewählten Gruppen. Sie entwickeln ein Produkt, einen Namen, ein Logo, einen Werbeslogan und kalkulieren auf Basis eines Kostenkatalogs ihre ersten Einnahmen und Ausgaben. Nach einer Kreditverhandlung mit der Spielleitung (in der Rolle der Bank) beginnt das eigentliche Spielgeschehen.
Jeder Spieltag steht für einen Monat im Geschäftsjahr. Zu Beginn ziehen die Gruppen vier Karten aus unterschiedlichen Kategorien, von denen sie zwei auswählen – ergänzt durch eine verpflichtende Gewinnkarte. Auf Grundlage der Karten bearbeiten sie Aufgaben, treffen Entscheidungen und dokumentieren Einnahmen und Ausgaben im Kassenbuch. Quartalsweise erfolgt eine schriftliche Auswertung, zum Abschluss eine Unternehmenspräsentation vor der Klasse, bei der Mitschüler*innen als Investoren agieren.
Die Spielkarten im Überblick
Das Herzstück des Spiels sind die vier Kartentypen, die unterschiedliche Handlungsebenen ansprechen und so eine differenzierte Auseinandersetzung ermöglichen:
- Gewinnkarten bringen zusätzliche Einnahmen ins Spiel. Ihre Beträge schwanken bewusst stark – manchmal sind es 500 Euro, manchmal 15.000. Das spiegelt die Unvorhersehbarkeit wirtschaftlichen Erfolgs und vermittelt, wie man mit Enttäuschung und Glück, mit kleinen Fortschritten oder großen Gewinnen umgeht – ganz wie im Leben.
- Geschäftskarten enthalten wirtschaftliche Optionen wie neue Verträge, Investitionen oder Entwicklungskosten. Hier müssen die Kinder aktiv Entscheidungen als Geschäftsführer treffen. Sie fördern ökonomisches Denken und das Abwägen von Risiken und Chancen.
- Ereigniskarten stellen äußere Faktoren dar, auf die keine Einflussnahme möglich ist – etwa Infrastrukturänderungen, Umweltbedingungen oder Lieferengpässe. Sie laden ein, flexibel zu reagieren und Strategien anzupassen.
- Verwaltungskarten beziehen sich auf innerbetriebliche Themen wie Personalführung, Kundenzufriedenheit oder Konflikte. Sie thematisieren soziale Verantwortung und ermöglichen die Auseinandersetzung mit moralischen Fragestellungen im Unternehmenskontext.
Die Kombination dieser Karten sorgt für eine dynamische Spielführung, bei der sowohl mathematische Fähigkeiten als auch soziale, strategische und organisatorische Kompetenzen gefragt sind.
Didaktischer Mehrwert und Lehrplananbindung
Das Spiel deckt zentrale Inhalte der 7. Klasse im Fach Mathematik ab. Dazu gehören:
- sichere Anwendung der schriftlichen Rechenverfahren
- praktische Übungen zur Prozent- und Bruchrechnung
- Einführung der negativen Zahlen im Kontext von Verlusten und Schulden
- Erstellen und Interpretieren von Tabellen und Diagrammen
- strukturierte Buchführung und Dokumentation
Darüber hinaus fördert das Spiel eigenverantwortliches Arbeiten, kooperatives Handeln und die Fähigkeit, Entscheidungen transparent zu begründen.
Praxis und Klassenerfahrung
Die Umsetzung im Klassenraum zeigte eine hohe Eigenmotivation der Schüler*innen. Sie gestalteten ihre Arbeitsplätze individuell, bildeten Bürogemeinschaften und übernahmen ihre Rollen als Unternehmer*innen mit großer Ernsthaftigkeit. Die Arbeitsformen waren flexibel: Einzel- und Gruppenfirmen entstanden ebenso wie Kooperationen zwischen den Unternehmen.
Während manche Gruppen ihre Firma in zwei Tagen gründeten, brauchten andere deutlich länger – ein Unterschied, der bewusst zugelassen wurde, um unterschiedlichen Arbeitsrhythmen Raum zu geben.
Die Spielleitung übernahm dabei nicht nur die Rolle der Bank, sondern auch die Funktion einer beratenden Instanz – etwa bei der Reflexion über wirtschaftliche Entscheidungen oder der Klärung organisatorischer Fragen. Die regelmäßige Kontrolle von Kassenbuch, Belegen und Berichten ermöglichte dabei eine kontinuierliche Rückmeldung.
Authentische Einblicke aus dem Klassenzimmer
Die Schülerinnen konnten frei wählen, ob sie als Einzelunternehmerinnen oder in Gruppen arbeiten wollten. Besonders eindrücklich war, wie liebevoll sie sich ihre Arbeitsumgebung selbst gestalteten: Einige Firmen saßen gemeinsam in einem „Großraumbüro“, andere richteten sich eigene Büroräume ein – inklusive Pflanzen und Plakaten.
Die Bandbreite der Geschäftsideen war enorm: Vom Foodtruck über ein gehobenes Restaurant bis hin zu einem Zaubermantelladen mit Währungsumrechnung in Galleonen. Während einige Gruppen ihre Firma in wenigen Tagen gründeten, ließen sich andere mehr Zeit – ganz im Sinne individueller Entwicklung. Die Bank diente dabei nicht nur als Kreditgeberin, sondern auch als Ort der Rückmeldung und Beratung.
Die Frage „Wann dürfen wir weiterspielen?“ war am Anfang jeder Stunde ein deutlicher Hinweis darauf, wie sehr die Schüler*innen sich mit ihren Firmen identifizierten. Sie waren mit echtem Interesse und hoher Eigenmotivation bei der Sache – und die Ergebnisse konnten sich sehen lassen: Von Produktportfolios über gestaltete Plakate bis hin zu ausgereiften Pitches.
Anwendungsmöglichkeiten und fachübergreifende Anbindung
Das Wirtschaftsplanspiel lässt sich sowohl als vollständige Epoche als auch projektweise über mehrere Wochen hinweg integrieren. Es eignet sich für die 7. Klasse im Zusammenhang mit dem Thema negative Zahlen, ist aber mit reduziertem Anspruchsniveau auch bereits ab der 6. Klasse einsetzbar.
Durch die variabel gestaltbaren Karten lassen sich Schwierigkeitsgrad, Inhaltsschwerpunkte und sprachliche Komplexität gezielt an die jeweilige Lerngruppe anpassen. Eine stärkere Gewichtung etwa auf Geschäftsentscheidungen oder ethische Fragestellungen ist ebenso möglich wie eine Konzentration auf die Buchführung oder das Rechnen mit Brüchen und Prozenten.
Auch epochen- und fächerübergreifend ist das Spiel vielseitig einsetzbar:
Im Deutschunterricht können Präsentationen, Werbetexte oder Geschäftsbriefe entstehen. Im Fachunterricht – etwa Handarbeit oder Werken – lassen sich Logos, Verpackungen, Ladenschilder oder Produktmodelle kreativ umsetzen. In den Geschichts- und Erdkundeepochen bieten sich vielfältige Anknüpfungspunkte: etwa zur wirtschaftlichen Motivation der Entdeckungsreisen, zur Entwicklung von Handelswegen oder zum Verständnis von Märkten. Auch das Lesen und Erstellen von Diagrammen – etwa im Zusammenhang mit Klimadaten – kann sinnvoll angebunden werden. Auf diese Weise entsteht ein interdisziplinärer Lernzusammenhang, der fachliche Inhalte mit konkretem Handeln und sinnstiftendem Lernen verbindet.
Fazit
Das Wirtschaftsplanspiel ermöglicht einen ganzheitlichen Zugang zu wirtschaftlichen, mathematischen und sozialen Lerninhalten. Es verknüpft Rechnen mit Verantwortung, Struktur mit Kreativität, und fordert die Schüler*innen auf, unternehmerisch zu denken, moralisch zu handeln und ihre Entscheidungen zu reflektieren.
Die spielerische Form schafft Motivation, die Nähe zur Lebenswirklichkeit sorgt für Relevanz – und das gemeinsame Handeln im Klassenverband stärkt die soziale Dynamik. Damit ist das Spiel nicht nur ein Beitrag zur mathematischen Bildung, sondern ein Impuls für selbsttätiges, verantwortungsvolles Lernen in der Mittelstufe.
Ich hoffe, Sie haben ebenso viel Freude an der Umsetzung wie meine Klasse – und vielleicht sogar ein bisschen weniger Vorbereitungsarbeit.
Herzliche Grüße
Emma-Allison Fink
Hier können Sie sich die Begleitmaterialien anschauen und herunterladen:
- Spielanleitung Wirtschaftsplanspiel (pdf)
- Firmenprofil-Gründungsphase (pdf)
- Hilfestellung zur Ideenfindung in der Gründungsphase (pdf)
- Ausgabe Beleg (pdf)
- Einnahme Beleg (pdf)
- Kassenbuch (pdf)
- Kosten- und Einnahmeberechnung (pdf)
- Kostenkatalog (pdf)
- Quartalsbericht (pdf)
- Ereigniskarten (docx) (pdf)
- Geschäftskarten (docx) (pdf)
- Gewinnkarten (docx) (pdf)
- Verwaltungskarten (docx) (pdf)