Wie die Grundherrschaft entstand

Ein Beitrag von Silke Keller

Zu Beginn des Mittelalters gab es noch viele freie Bauern. Der Bauernstand war das Rückgrat der mittelalterlichen Gesellschaft. Etwa 95 % der Bevölkerung arbeiteten in der Landwirtschaft. Freie Bauern besaßen ein Stück eigenes Land und bewirtschafteten es. Auch hatten sie das Recht, eine Waffe zu tragen, aber auch die Pflicht bei kriegerischen Auseinandersetzungen in den Krieg zu ziehen. Kriege wurden insbesondere im Frühjahr und im Sommer geführt. Dies waren allerdings die Zeiten, in denen der Bauer normalerweise seine Saat ausbrachte und später dann die Ernte einfuhr. Die Bauern konnten nicht gleichzeitig kämpfen und ihre Felder bestellen. Entsprechend blieben die Felder unbestellt und / oder die Ernte konnte nicht eingefahren werden. Die Folge waren Hunger und Not.

Nun bestand allerdings die Möglichkeit, dass sich der freie Bauer vom Kriegsdienst freikaufen konnte, in dem er seine Felder und seinen Hof einem Grundherrn überschrieb. Er lebte weiterhin auf dem Hof und bewirtschaftete die Felder, aber beides gehörte von nun an nicht mehr ihm, sondern dem Grundherrn. Er war jetzt kein freier Bauer mehr, sondern ein sogenannter Höriger. Er musste auf den Grundherrn hören und war ihm für die Nutzung von Hof und Feldern zu Abgaben in Form von Naturalien verpflichtet. Ebenso musste er dem Grundherrn Frondiensten leisten. Zu diesen zählten Handdienste und Spanndienste. Die Handdienste wurden mit der Hand erledigt. Dazu zählten zum Beispiel Unkraut jäten oder Steine vom Acker des Herrn auflesen. Aber auch Bauarbeiten gehörten dazu. Bei den Spanndiensten musste der hörige Bauer mit eigenem Ochsen und Pflug die Äcker des Grundherrn pflügen, die dieser selbst bewirtschaften ließ. Zeitraum und die Anzahl der Tage im Jahr waren festgelegt. Seine eigenen (gepachteten) Äcker konnte er während dieser Zeit nicht bearbeiten. Des Weiteren gehörte zu den Spanndiensten das Fahren von Heu, Holz und Dung für den Grundherrn.

Die Erwirtschaftung der Abgaben für den Grundherrn war hart, aber zumindest musste der Bauer nun keinen Kriegsdienst mehr leisten. Er konnte sich ganz der Landwirtschaft widmen. Der Grundherr übernahm im Gegenzuge vom Bauern die Pflicht in den Krieg zu ziehen und auch die Bauern zu beschützen. Das hatte für beide Vorteile. Der Bauer war nun zwar hörig, musste aber nicht mehr in den Krieg ziehen, der Grundherr wurde Großgrundbesitzer und konnte sich mit seinen Pachteinnahmen viel besser für kriegerische Auseinandersetzungen rüsten.

Zwar lag der Nutzen dieser Aufgabenteilung auf beiden Seiten, doch war der Vorteil des Grundherrn weitaus größer. Die Macht eines großen Grundbesitzes ließ der Grundherr seine Hörigen durchaus spüren. Sie waren gänzlich von ihm abhängig. So war der Grundherr zum Beispiel auch für die Gerichtsbarkeit zuständig. Zu den Gerichtstagen schickte er den Vogt, seinen Vertreter ins Dorf. Bei Zwistigkeiten unter Bauern oder Beschwerden gegenüber Oberen entschied letztendlich der Grundherr, was Recht war. Eine höhere Instanz gab es für die Bauern nicht und der Grundherr entschied in der Regel nicht gegen seine Interessen.

Im Laufe der Zeit wurden im Mittelalter immer mehr freie Bauern zu Hörigen und die Macht der Grundherrn nahm stark zu.