Rambo Redlich

Eine Buchstabengeschichte von Christoph Bai (Freien Waldorfschule Schwerin)

Die Zirkuswagen waren restauriert und bezahlt. Der Reiseproviant war eingekauft. Die Reise konnte beginnen. Der Zirkusdirektor wollte Richtung Norden fahren, zum Meer. Nicht weit davon wohnte ein Mann, der konnte gute Netze knüpfen und ein gutes Netz brauchte der Zirkus SIMBALLODIMBA, für Zirkuskünstler, die oben in schwindelnder Höhe ihre Kunststücke zeigten. Da Gustaf Gieselherz und Dennis Demut die Zirkustruppe begleiten würden, waren sie zum Glück soviele Leute, dass alle fünf Zugmaschinen besetzt werden konnten. Minna Moretti klemmte sich mit Vergnügen in eines der Fahrerhäuschen, und auch Susi Süßlich musste einen der großen schweren Wagen fahren. An jede Zugmaschine wurden zwei Zirkuswagen gehängt. So konnten sie nur recht langsam fahren. Sie bildeten eine lange Schlange, vorne weg fuhr der Zirkusdirektor und zum Schluss Boris Borlof mit seinem Käfigwagen für die Bärin Brimbola. Anna und Zefi durften sich aussuchen, bei wem sie mitfahren wollten. Anna entschied sich für den Wagen von Gustaf Gieselherz, da durfte sie neben der Kiste mit der Gans Grisella sitzen. Zefi wollte natürlich bei Susi Süßlich mitfahren, er hoffte, von ihr während der Fahrt ganz viele Summelichen und saure Drops zu bekommen.

Das war eine lustige Reise, die Kinder wählten sich jeden Tag einen anderen Wagen zum Mitfahren aus und die Zirkusleute fuhren mit den Wagen auf den staubigen Landstraßen, solange, wie es ihnen gefiel, dann machten sie eine Pause und schlugen auf einem Feld oder einem Dorfplatz ihr Lager auf. Am Abend sangen sie lustige Lieder und kochten über einem Feuer eine warme Suppe. Nach ein paar Tagen überquerten sie die Landesgrenze und kamen in ein Land, das Tschechei genannt wurde. Die ganze Zeit über hatte die Sonne herrlich geschienen. Doch nun schien es mit dem schönen Wetter vorbei zu sein. Der Regen fiel in Strömen vom grauen Himmel. Die Straßen wurden schlammig, schmaler und steiler. Das Wasser spritzte und die Scheibenwischer flitzten den ganzen Tag über das Glas. Sie näherten sich einem Gebirge. Die Räder rollten mühsam die Straßen hinauf. Dunkle Tannen standen rechts und links an den Berghängen. "Die Menschen" erzählte Gustaf Gieselherz dem Zefi, der gerade bei ihm im Wagen saß, „nennen diese Berge das Riesengebirge. Vor langer Zeit hat hier einmal der Bergriese Rübezahl gelebt." „Wirklich, ein echter Riese?" fragte Zefi ungläubig. „Den hätte ich gerne einmal gesehen." Ein Blitz zuckte am Himmel und in der Ferne rumpelte der Donner. "Pass gut auf, was du sagst", sprach Gustaf Gieselherz weiter. Der Riese Rübezahl war ein Waldgeist, zwar freundlich zu guten Menschen, doch war er immer zu einem Riesenspaß bereit und wer ihn neckte und ärgerte, bekam seine große Kraft und seinen Zorn zu spüren. Rübezahl konnte dem Regen, dem Donner und dem Blitz befehlen und so manch ein Reisender musste seine vorlauten Worte teuer bezahlen." Draußen wurde das Wetter noch garstiger und der Regen zu einem regelrechten stürmischen Unwetter. Es rumpelte in der Ferne. Als es dunkel wurde, fanden sie einen schmalen Streifen zwischen der Straße und den ruppigen Bergwänden, wo sie rasten konnten. Doch wollte niemand so recht den Wagen verlassen, alle kauerten sich in die Schlafkojen und lauschten dem Rauschen des Sturmes, der kräftig an den Fenstern rüttelte. Der Regen trommelte auf die Wagendächer, die Blitze zuckten, der Donner rollte und grollte. Ab und zu krachte es gewaltig und immer wieder rumpelte es den Berg hinunter. Es hörte sich an, als ob große Felsbrocken die Bergwand herunter purzelten. Das war ein Krachen, Rollen, Rauschen und Rumpeln und einmal gab es einen großen lauten Rumps, der die Fenster erzittern ließ, so dass Zefi glaubte, ein Baum wäre umgestürzt. Am nächsten Morgen schien die Sonne wieder ruhig und freundlich, doch als die Kinder aus den Türen schauten, sahen, sie dass der Sturm fürchterlich gewütet hatte. Überall lagen große Felsbrocken herum, die von herabstürzenden Bäumen mitgerissen worden waren. Wie durch ein Wunder waren die Wagen unversehrt geblieben. Boris Borlof brummte verdrießlich und zeigte mit der Hand auf einen großen Felsbrocken, der direkt vor seinem Wagen lag. Der Wagen war eingeklemmt zwischen der Felswand und dem Felsbrocken. Der Stein war so groß und so schwer, dass keiner ihn von der Stelle bewegen konnte. Boris Borlof packte ihn zwar und versuchte ihn fort zu stemmen, doch vergebens. Auch als der Zirkusdirektor ihm zu Hilfe kam, Denis Demut gegen den Stein drückte und Minna Moretti mit anpackte, bewegte sich der Brocken keinen einzigen Zentimeter. Die Zirkusleute keuchten und schwitzten. Boris Borlof kratzte sich am Kinn. Er überlegte gerade, ob er die Bärin Brimbola aus dem Käfig holen und sie mit einer Kette vor den Steinbrocken spannen sollte, da rief Zefi: "Seid mal alle still, da kommt jemand." Tatsächlich hörten sie eine Stimme, die von unten den Berg herauf kam und ein lustiges Liedchen sang.

 

Rumpel rappel Krach Radau
Runter rollen Brockenbau
Rauschend großer Rummelspaß
Riesenfreude macht mir das.
Rennend rufend freu ich mich,
Rambo Redlich der bin ich.

 

Die Stimme wurde immer lauter und schließlich sahen die Zirkusleute den Sänger. Der Kerl, der dieses Liedchen sang, war riesengroß. Mindestens noch zwei Köpfe größer als Boris Borlof und der war ja schon gewaltig groß. Es war wahrhaftig ein Riese, der da mit Riesenschritten den Berg herauf kam. Als der Mann bei den Zirkuswagen angekommen war, schaute er erst auf den Felsbrocken, dann auf die schwitzenden Zirkusleute. Dann lachte er so gewaltig, dass die Bergwände ringsum in sein Gebrüll mit einfielen. Der Riese schob Boris Borlof bedächtig beiseite, krempelte sich die Ärmel seines Hemdes hoch, packte mit seinen riesigen Pranken den Felsbrocken und hob ihn hoch, als ob es ein Kieselstein wäre. Dann warf er ihn mit gewaltigem Schwung hoch über die Köpfe der Kinder hinweg, über die Straße, den Berg hinunter. Der Felsbrocken rollte über die Bergkante und rumpelte ins Tal hinab. Den Kindern, die zuerst vor Schreck schreien wollten, blieb staunend der Mund offen stehen. Schließlich sagte Zefi einfach nur: "Riesig".

Der Zirkusdirektor bedankte sich und der riesige Kerl sprach: "Gern geschehen, Rambo Redlich macht das Spaß." Daraufhin bot der Zirkusdirektor ihm an, ihn ein Stück Weges mitzunehmen. Da freute sich Rambo Redlich: "Ri ra rutsch, wir fahren mit der Kutsch" sang er und sprang gleich in den Wagen des Zikusdirektors hinein, wobei er allerdings den Kopf einziehen musste.

Die Zirkuswagen fuhren los und immer wenn die Straße von einem Baumstamm versperrt war, stieg Rambo Redlich aus, hob den Stamm hoch und warf ihn auf die Straßenseite. So konnte die Fahrt ohne allzu große Unterbrechung weitergehen. Als sie Mittags anhielten, um eine kleine Rast zu machen, stieg ein breit grinsender Rambo Redlich aus dem Wagen und auch dem Zirkusdirektor schien die Sonne aus dem Gesicht zu strahlen. Denn er zeigte auf den Riesen und sprach: "Darf ich vorstellen, der Zirkus SIMBALLODIMBA hat einen neuen Ringer und Kraftprotz: Rambo Redlich." Da freuten sich alle, einen so starken Zirkuskünstler gewonnen zu haben und Rambo Redlich begleitete von nun an die Zirkustruppe.