Jojo der Jongleur

Es war Juli, die schönste Jahreszeit, fand Anna, denn sie hatte von jeher die Sonne gemocht und die Sonne schien den ganzen Tag. "Es ist aber auch ein Jahrhundertsommer", meinte Gustaf Gieselherz, "so warm war es bestimmt seit Jahrzehnten nicht mehr." Die Wagen fuhren auf kleinen staubigen Landstraßen, durch kleine Dörfer, denn so fuhr der Zirkusdirektor am Liebsten. Er mochte die großen Autostraßen nicht, lieber wollte er Land und Leute kennen lernen. Eines Tages kamen sie zur Mittagszeit in einen Ort. Hier wollten sie eine Pause machen und fuhren mit ihren Wagen auf den Marktplatz. Es war Markttag, überall waren Stände aufgebaut und die Händler boten Obst, Gemüse, Backwaren, Käse, Joghurt und Fleisch an. Man konnte sogar Kleider kaufen und Herbert und Hermann, die nicht so viel Reisegepäck dabei hatten, liefen Hand in Hand los und kauften sich Hosen, Hemden und Jacken. Überall waren Menschen, preisten ihre Ware an, handelten, kauften, schrien und lachten. Die Jungen und Mädchen des Ortes liefen aber zum Rande des Marktplatzes, sammelten sich dort, jauchzten und lachten und brachen immer wieder in lauten Jubel aus. "Das ist ja wie auf einem Jahrmarkt", dachte Zefi, "jemand muss dort einen großen Jux machen." Und er zog mit Fredo dem Feurspucker los. Auf einer Holzkiste stand ein junger Mann und jonglierte. Jedenfalls sah er noch sehr jung aus, eigentlich ein Jüngling, vielleicht 18 Jahre alt. Doch trotz seiner Jugend hatte Zefi noch nie jemanden gesehen, der so gut jonglieren konnte. Er hatte ein fremdländisches Aussehen, dunkle Haut und langes, wunderschönes schwarzes Haar. Der junge Mann warf Bälle, Flaschen und Stöcke, einfach alles, was die Kinder ihm zuwarfen. Er warf sie hoch in die Luft und fing sie mit sicherer Hand wieder auf. Seine Hände jagten den Dingen hinterher. Das ging so schnell, das Zefi gar nicht zählen konnte, wiviele Dinge es waren. Mindestens fünf! Oder waren es sogar sechs? Dazu begann der Jongleur auch noch zu singen:

 

Joli Jola, Jojo ist da.
Joli, jolo, werf Bälle so,
So hoch hinauf, Joli, jolauf.
Joli jolum, dreh mich herum.
Schaut nicht so stumm.
Jolo, Jola, jolu, joli,
Jojo ist da, Juchu, juchi.

 

Der Gesang hatte auch Anna und Pippa, auf deren Schultern der Papagei saß, herbei gelockt. Alle jubelten und jauchzten und sangen mit. Es war herrlich. Doch mitten im schönsten Jubel wurde es plötzlich hässlich und laut. Einige Männer kamen johlend herbei. Die Kinder verstummten. Die Männer brüllten, hoben den jungen Mann hoch und warfen die Kiste um. Anna schrie auf und Perle schlug mit den Flügeln. Dann flog sie mit lautem Gekrächze hoch in die Luft. "Piraten, Potzblitz und Donnerkeil, Piraten!", krächzte der Papagei. Der junge Mann wehrte sich mit Händen und Füßen, doch die Männer trugen ihn einfach fort zu einem Haus am Rande des Platzes. Pippa rief laut um Hilfe, doch niemand wollte etwas tun. Die Männer johlten immer noch, sie trugen den Jungen zu einer Grube. Es war eine Jauchegrube und sie stank fürchterlich! Sie wollten den Jungen gerade hinein werfen, da stellte Fredo sich ihnen in den Weg. "Lasst den Jungen in Frieden", sagte er mit ruhiger Stimme. Doch die Männer hörten nicht auf mit ihrem Gejohle. Jemand riss den jungen Mann am Fuss, ein anderer zog ihn am Haar. Der junge Jongleur jaulte vor Schmerz laut auf. "Lasst den Jungen in Frieden" sagte Fredo noch einmal mit ruhiger Stimme. "Sonst was ... du willst uns wohl drohen, willst wohl auch in die Jauche fliegen?", schrie einer der Männer. "Er soll hier verschwinden. Jawohl verschwinden soll er. Er hat hier nichts verloren. Soll er dahin gehen wo er herkommt. Er wird uns unser Geld nicht stehlen", schrien die Männer und ihre Gesichter schwollen vor Jähzorn rot an. "Ich bin kein Dieb, ich jongliere.", rief der junge Mann. Aber die Männer hörten nicht auf ihn, zerrten an seiner Jacke und drückten ihn hinunter in die Jauchegrube. "Hier gehört er hin, der Fremde. Ausländer, in die Jauche mit ihm. Soll er stinken wie ein Schwein." Da wurde es Fredo zu viel. Er nahm einen der Männer und zog ihn fort von dem Jungen. Doch es waren zuviele. Die Männer ergriffen auch Fredo und schlugen ihm ins Gesicht. Zefi wurde heiß vor Zorn, es juckte ihn in den Fäusten. Just in diesem Moment kamen Boris Borlof und Rambo Redlich. Pippa Plappermaul hatte sie herbei gerufen. Mit ihren starken Armen zerteilten sie die gaffende Menge. Rambo Redlich riss die Männer von dem Jungen weg und Boris befreite Fredo. Sie teilten noch ein paar derbe Hiebe aus, dann nahm Fredo Zefi an der Hand und sie liefen so schnell sie konnten zu den Zirkuswagen. Die Motoren liefen schon und sie fuhren mit quietschenden Reifen vom Platz. "Danke", sagte der junge Mann, "danke, dass ihr mir geholfen habt. Ich bin Jusuf, der Jongleur, aber ihr könnt mich auch Jojo nennen." "Das war knapp", brummte Boris Borlof. "Wo kommst du her Junge?" "Ja, ich bin mal hier und mal dort. Ich fahr von Jahrmarkt zu Jahrmarkt und verdiene mein Geld auf der Straße. Eigentlich komme ich aus Jordanien." Zefi guckte Jojo mit großen Augen an. "Das ist ein Land weit im Süden, dort ist es immer heiß, so wie hier im Juli." Fredo hatte eine Flasche Wasser geöffnet und hielt sie dem Jongleur hin. "Hier, trink erst einmal. Jetzt bist du in Sicherheit, Junge. Du kannst bei uns bleiben. Jongleure wie dich kann der Zirkusdirektor auf jeden Fall gebrauchen. Hast du Lust?" "Ob ich Lust habe?" fragte Jojo "Ja, Ja, natürlich habe ich Lust." jubelte er. Und Zefi jauchzte:

"Jolo, Jola, jolu, joli, Jojo ist da, Juchu, juchi."