Hermann und Herbert

Eines Tages erinnerten Anna und Zefi sich daran, dass sie der Großmutter versprochen hatten ihr unterwegs von der Reise zu berichten. Also nahmen sie sich weißes Papier und malten das, was sie auf ihrer Reise erlebt hatten. Sie malten ein Bild von der schönen weiten See, vor der sie staunend und froh gestanden hatten und daneben schrieben sie das A. Ah, das Meer, wie herrlich schön es am Abend geleuchtet hatte. Das E schrieben sie unter ein Bild mit den Dieben. E was wollt ihr, geht weg, sollte es bedeuten. Und das O malten sie neben ein Bild, auf dem zu sehen war, wie sehr sie Walli Wehmut umsorgten. "Oh ich sorge für dich", flüsterte Anna. Zefi malte ein U und dazu ein Bild von der Schlucht im Riesengebirge, als die Felsbrocken herunterfielen. Uh, da hatten sie Furcht empfunden. Anna malte schließlich noch ein I auf ihr Bild auf dem sie selber zu sehen war, wie sie lernte, auf dem Seil von Lilo Lieblich zu laufen. So leuchtend wie eine stille Kerzenflamme will ich sein, dachte Anna. Ja, viele Dinge hatten sie bisher auf ihrer Reise erlebt. Zum Schluss wollten die Kinder der Großmutter aber auch noch jeden ihrer neuen Freunde vorstellen. Und sie gingen zu den Zirkuskünstlern hin, malten sie alle auf ein Papier und die netten fröhlichen Leute zeigten ihnen, wie die Anfangsbuchstaben ihrer Namen begannen. Die malten sie dann auch noch darauf. Und es waren eine Menge Buchstaben, denn sie waren ja auch schon eine Menge Reisende. Wer war denn alles dazu gekommen? Minna Moretti, der Mezzosopran aus Mailand, ihr Name begann mit einem M. Boris Borlof, der Bärenbändiger mit seiner Bärin Brimbola aus Budapest. Dann kamen Susi Süßlich mit ihren süßen Summelinchen und den sauren Drops. Gustaf Gieselherz, der gütige Geldgeber aus Genf mit seiner goldenen Gans Grisella und Rambo Redlich aus dem Riesengebirge. In Dresden hatte der Diener Dennis Demut sie vor den Dieben bewahrt, dann lief Lilo Lieblich, die Seiltänzerin, über die Elbe zu ihnen herüber und die Nordsee brachte ihnen Nonni mit dem neuen Netz und das Meerweib Walli Wehmut, das von nun an in einer Badewanne mit ihnen fuhr. In einem alten Hafen hatten sie schließlich noch Tore Toreson, den Trapezkünstler, angeheuert. Mit dem Zirkusdirektor, den Kindern und den Tieren waren sie also schon 15 Leute auf den Zirkuswagen. Und alle waren lustig und froher Dinge. Die Blätter mit den Bildern und Buchstaben packten die Kinder in ein großes Postpacket. Walli Wehmut wurde in diesen Tagen ein bisschen traurig, denn der Zirkusdirektor ließ die Wagen nun von der Küste weg ins Landesinnere fahren. Das Meerweib vermisste bald ihre wilde See und die Kinder und Nonni saßen oft bei ihr an der Wanne und munterten sie auf mit den vielen lustigen Sprüchen und Liedern, die sie von den Zirkusleuten gelernt hatten.

Sie fuhren nun durch flache, grüne Landschaften und die Menschen, die das Land hier ihre Heimat nannten, sprachen eine seltsam klingende Sprache, von der Anna nur einige Worte verstand. Zum Glück konnte Tore Toreson diese lustige Sprache und er erzählte den Kindern auch, wie das Land hieß: "Es wird Holland genannt", meinte Tore. In Holland fanden sie zwei weitere Gesellen. Sie fuhren gerade über eine holperige Landstraße. Alle Wagen fuhren hinter einander her, wie eine lange Schlange schaute es aus. Da sahen sie am Straßenrand vor sich zwei Gestalten laufen. Es sah aber sehr seltsam aus, wie die beiden Gestalten da liefen, irgendetwas stimmte mit ihnen nicht. Anna fragte Tore Toreson, mit dem sie gerade im Wagen saß, denn er hatte die besten Augen und konnte sehr weit sehen. Eine Weile schaute Tore hinaus und brach dann in lautes Gelächter aus. Und da sah es auch Anna und musste sogleich mit lachen. Die beiden Gestalten waren hoch gewachsen und dünn und liefen hinter einander her. Sie liefen aber nicht, wie jeder normale Mensch auf ihren Füßen, sondern auf ihren Händen. Das aber konnten sie wirklich gut. Ihr Haupt, mit dem hellen Haar zeigte hinunter zur Erde und ihre Füße streckten sich gen Himmel. Langsam fuhren die Wagen an den beiden vorbei. "Hallo", rief Anna ihnen aus dem herunter gelassenen Fenster zu, "Hallo ihr Herren, das sieht ja herrlich aus, ihr geht ja lustig auf euren Händen." "Halli", rief der erste ihr zu und der Zweite sagte "Hallo". "Das ist noch gar nichts", sprach der erste weiter und überließ dem Zweiten wieder das Wort. "Wir können auch hüpfen und holen, helfen und hegen, humpeln und hauen und hupen und halten und hechten und hunzen und... " Das ging so hin und her und wäre wohl noch weiter her und hin gegangen, hätte Anna nicht laut "Halt, halt." gerufen. "So geht das nicht, ich hole mir sonst noch eine Hummel ins Ohr, wer seid ihr denn überhaupt?" Das ließen sich die beiden nicht zweimal sagen und begannen auf ihren Händen einen lustigen Hüpftanz. Mal standen sie auf den Händen, dann wieder auf ihren Füßen, schlugen Salto und Flick Flack, hüpften hoch und kamen herunter. Doch nicht genug, dabei stellten sie sich auch noch ganz artig vor:

 

Halli Hallo,
Wir sind so froh,
Wir gehen auf Händen,
Auf Wegen und Wänden,
wir hüpfen im Lauf,
Zum Himmel hinauf
Und fliegen hinunter
Und landen ganz munter.
Ich heiße Herbert, nein Hermann heiß ich.
Ich grüße Hermann, ja Herbert grüßt mich.

 

Bei den letzten Worten sprangen sie beide gleichzeitig hoch in die Luft, machten einen doppelten Salto, kamen beide einander gegenüber wieder auf der Erde an und hielten sich gegenseitig mit beiden Händen. Nicht nur Anna war begeistert. Der ganze Zirkuszug war stehen geblieben und hielt an, um das Kunststück dieser beiden Handläufer zu bestaunen. Der Zirkusdirektor meinte lachend. "Hallo, ihr beiden, wenn ihr eure Künste mit dem Zirkus SIMBALLODIMBA zeigen wollt, seid ihr herzlich eingeladen. Wir haben bestimmt auf einem unserer Wagen noch ein bisschen Platz für euch zwei Herren und ein Sprungtuch werden wir auch zu beschaffen wissen."

So kam es, dass Herbert und Hermann von nun an zur Zirkustruppe gehörten.