Rechte und Pflichten

Der Wald

Die Nutzung des Waldes war genau fest­gelegt. Der größte Teil gehört direkt dem Herrn. Hier haben die Bauern nur geringe Rechte. Es ist ihnen lediglich erlaubt, Reisig für den Eigenbedarf zu sammeln. Wald gehört aber auch zur dörfli­chen Allmende. Um Missbräuche zu verhindern, ist hier eine genaue Regelung nötig, wie viel Bäume gefällt werden können, wann das Vieh hineingetrieben werden soll und wer Beeren und Kräuter sam­meln darf. Auch muss Sorge getragen werden, dass das Jagdrecht nicht verletzt wird. Kein Bauer darf jagen, dies war ein Privileg des Adels. Genauso wenig ist es erlaubt, beliebig zu fischen. Eine festge­setzte Fangquote muss am Hof abgegeben werden, nur der Fischer im Dorf darf auf Fischfang gehen. Weiter gibt es Bestimmungen, wie viel Land für den Ackerbau genutzt wird, wie viel als Weideland und wel­che Fläche dem Weinbau vorbehalten bleibt. Die Mühlen werden vom Adel kontrolliert. Mehl ist nur begrenzt haltbar, und nur gutes Mehl, das durch häufiges Sieben von der Kleie getrennt wird, garantiert ein schmackhaftes Brot. Brot ist Herren­speise. Der Bauer hat sich meist mit Getreidebrei zu begnügen.

 

Ministeriale

Um von diesen vielfältigen Aufgaben entlastet zu werden, setzt der Adel Ministeriale ein, die für die Verwaltung einzelner Bereiche zuständig sind. Weiter entfernt liegende Hufen verpachtet er an Bauernfamilien. Diese können ihre Erträge auf dem Markt verkaufen und zahlen nicht mehr in Naturalien, sondern mit Geld. Den Zins setzt man alle sieben Jahre neu fest. Die Tage, an denen dieser Zehnte gezahlt werden muss, sind genau festgelegt: am Urbanstag sind die Obst- und Weinzinsen fällig, am Margarethentag müssen die Kornzehnten gezahlt werden, Naturalabgaben werden am Bartholomäustag entgegengenommen. Immer mehr wird der Adel zum «Großunternehmer». Für jeden Verwalter lässt man ein Steinhaus in dessen Bezirk bauen, das sich deutlich von den niedrigen Katen der Bauern abhebt. Sie wen­den sich nicht mehr direkt an ihren Herrn, sondern an den Verwalter, der wiederum dem Herrn Rechenschaft schuldig ist. Leichter wird es damit nicht für die Bauern, denn auch der dienestman verlangt nun seine Abgaben, und bei Missständen ist es schwer, direkt beim Herrn auf der Burg Gehör zu finden.

 

Gerichtsbarkeit

Ein Recht hat der Herr noch in seiner Hand behalten und nicht einem Vogt übertragen: die Gerichtsbarkeit. Als Dank für die tatkräf­tige Hilfe wird häufig nicht nur das Niedergericht, sondern auch die Blutge­richtsbarkeit verliehen. An festgesetzten Tagen reitet der Herr in seine Dör­fer und hält in den Häusern der Verwalter, in den Fron- oder Salhöfen, Gericht. Hierher können die Bauern kommen, wenn sie Klagen vorzubringen haben. Und diese Klagen sind vielfältig. Da gibt es den Bauern, der die Grenzsteine ins Gebiet des Nachbarn versetzt oder sein Vieh auf dem Land eines anderen weiden lässt. Ein anderer hat seiner Frau die Morgengabe verweigert. In diesen Fällen ist der Scha­den zu vergüten. Erbstreitigkeiten sind bei Todesfällen fast unver­meidlich. Manchmal ist es sehr schwierig, hier richtig zu entscheiden, denn jeder der Beteiligten führt Gründe an, warum er der rechtmäßige Erbe ist.

 

Das Gottesurteil

Ein Bauer bezichtigt seinen Schwager, ihm nachts Heu entwen­det zu haben. Schon einmal war er des Diebstahls überführt worden, jetzt bestreitet er energisch die Tat. In einem derartigen Fall kann man das Gottesurteil anwenden: Der Angeklagte muss ein glühendes Stück Eisen in die Hand nehmen oder diese in kochendes Wasser tauchen. Sofort wird die Wunde verbunden und erst nach einigen Tagen wieder geöffnet. Haben sich Brandblasen gebildet, so gilt der Betreffende der Tat überführt. Hinter diesem für unsere heutigen Begriffe völlig absur­den Verfahren steht die Überzeugung, dass Gott unmittelbar auf den Menschen Einfluss nimmt und daher den, der die Wahrheit gesagt hat, deutlich bezeichnet. Vor allem die Kirche hat sich sehr kritisch gegen das Gottesurteil geäußert, 1234 wurde es auf einem Konzil gar verboten, und auch Kaiser Friedrich lehnt es in seinem Gesetzwerk, dem «Liber Augustalis», als Beweismittel ab. Dennoch ist es in der Rechtsprechung weiterhin angewendet wor­den; weltliche Kritiker zweifeln nicht am unmittelbaren Einwirken Gottes, sondern sind der Meinung, dass der Ausgang des Urteils mani­puliert werden kann, sei es durch spezielle Salben, durch Pflanzen-und Steinamulette oder durch doppelsinnige Eide, mit denen sogar Gott überlistet werden kann.

Von schwerwiegenden Vergehen hat der Verwalter zu berichten: einen Fahrenden habe er beim Korndiebstahl auf frischer Tat ertappt, eine Bauersfrau sei mit einem Karren voll Holz im Wald angetroffen worden. In diesen Fällen will der Herr genau wissen, ob sich der Diebstahl nachts oder am Tag ereignet hat und ob der Land­streicher das Korn weggetragen oder am Ort gegessen hat. Ein Dieb­stahl in der Nacht bedeutet unweigerlich die Todesstrafe; ist das Delikt am Tag geschehen, droht die Prügelstrafe, dem Dieb kann aber auch eine Hand abgehackt werden. Wenn der Herr milde gestimmt ist, begnügt er sich damit, dem Übeltäter die Haare scheren zu lassen und ihn aus seinem Gebiet zu jagen. Hat er nur seinen Hunger auf dem Feld gestillt, so muss er lediglich den Schaden vergelten. Ähnlich wird der Holzdiebstahl gesühnt.

 

Zollstationen

Jeder Reisende mit Ausnahme von Pilgern und Geistlichen hat an bestimmten Wegstücken und an Brücken Gebühren zu ent­richten. Schließlich müssen Straßen und Flussübergänge instand gehalten werden. Die Händler sind verpflichtet, ihre Ware zu dekla­rieren und nach ihrem Wert zu verzollen, an Markttagen dürfen sogar Sondergebühren erhoben werden. Für einen Kaufmann stellt dies eine große Belastung dar, und oft versucht er deshalb, die großen Kosten zu umgehen durch Bestechung, falsche Angaben oder indem er, statt eine Brücke zu benutzen, an einer flachen Stelle den Fluss durchquert.

Die Zollstationen sind genauso wie die Salhöfe von Angehörigen der familia besetzt. Anders als heute gehören alle Leute dazu, die sich in der Umgebung des Burgherrn aufhalten und sich unmittelbar in seinem Dienst befinden. Sie sind verpflichtet, Waffen- und Wachtdienste zu leisten und können zu jeder Art von Handarbeit herange­zogen werden.

 

Schutz und Schirm

Der Adel hat jedoch nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten. Das Verhältnis zu seinen Untertanen, den Hintersassen oder Grundhol­den, sollte auf gegenseitiger Treue beruhen. Der Herr erhält Abgaben und Dienstleistungen, dafür bietet er Schutz und Schirm. In Kriegs­zeiten haben die Bauern das Recht, sich in die Burg zu flüchten. Der Herr ist verpflichtet, sie vor feindlichen Angriffen zu schützen, not­falls sie gegen Eindringlinge zu verteidigen. Oft sieht die Realität aber ganz anders aus. Die Bauern haben zu wenig Macht, um ihre Rechte durchsetzen zu kön­nen, sie sind, wie wir gehört haben, die Leidtragenden, wenn er mit benachbarten Herren in Fehde liegt und diese die Felder verwüsten und das Vieh wegtreiben. Entschädigungen erhalten sie dafür nicht. Allerdings kann es ihm nicht gleichgültig sein, wenn sein Besitz wirt­schaftlich und personell so geschädigt wird, dass seine eigene Versor­gung in Gefahr gerät. Eine unabhängige gerichtliche Instanz, die sich der Belange der Bauern gegen den eigenen Herrn annehmen würde, gibt es nicht. Der Adel ist ja selbst Richter, und er wird sein Urteil sicher nicht zu seinen Ungunsten fällen. Das Verhältnis zwischen dem Herrn und den Bauern ist daher oft von Willkür seitens des Herrn geprägt.