Aus dem Gesetzbuch des Hammurabi

Das Gesetzeswerk Hammurabis, 1902 auf einer Dioritstele in den Ruinen des persischen Susa entdeckt, verschaffte seinem Urheber den Ruhm eines ersten Gesetzgebers der Geschichte. Sein Codex mit etwa 300 Paragraphen war der umfangreichste. Mögen manche seiner Anweisungen auch nicht überall durchgedrungen sein, so spiegelt er doch in getreuer Weise das Leben im Zweistromlande um 1700 v. Chr. wider.

 

"Hammurabi, der Hirte, bin ich, der starke König, der großmachte den Namen Baby­lons, der erfreute das Herz Marduks, seines Herrn. ... Als Marduk, um die Leute zu lenken, dem Lande Heil zu erwirken, mich entbot, habe ich Recht und Gesetze in der Landessprache geschaffen, den Leuten Wohlbehagen geschaffen.

Gesetzt, ein Mann hat geraubt und ist dabei gefasst worden, so wird selbiger Mann getötet.

Gesetzt, der Räuber ist nicht gefasst worden, so wird der beraubte Mann sein verloren gegangenes Gut vor dem Gotte genau angeben, und die Stadt und der Rabiänu, in deren Land und Gebiet der Raub geschehen ist, werden ihm all sein verlorenes Gut ersetzen.

Gesetzt, auf einem Manne lastet eine Zinsverpflichtung und der Wettergott hat sein Feld überschwemmt oder eine Flut hat es weggerissen, oder infolge Wassermangels ist kein Getreide auf dem Felde erzeugt worden, so wird er in diesem Jahre seinem Gläubiger kein Getreide abliefern; er darf seine Tafel feucht machen und wird für dieses Jahr keine Zinsen geben.

Gesetzt, ein Mann hat es vernachlässigt, den Deich seines Feldes zu befestigen, und hat seinen Deich nicht befestigt, und an seinem Deich ist eine Öffnung entstanden, und er hat verursacht, dass das Wasser die Flur wegriss, so wird der Mann, an dessen Deich eine Öffnung entstanden ist, das Getreide, das er vernichtet hat, ersetzen.

Gesetzt, ein Mann hat seinen Graben zur Bewässerung geöffnet, hat aber seine Hände in den Schoß gelegt und so verursacht, dass das Feld seines Nachbarn vom Wasser fortgerissen wurde, so wird er Getreide gemäß seinem Nachbarn zumessen.

Gesetzt, ein Mann hat ein Feld, um einen Baumgarten (darauf) anzupflanzen, einem Gärtner übergeben, der Gärtner hat auch den Baumgarten angepflanzt und vier Jahre den Baumgarten großgezogen, so werden im fünften Jahre der Eigentümer des Baum­gartens und der Gärtner zu gleichen Teilen teilen; der Eigentümer des Baumgartens darf seinen Anteil auswählen und (vorweg)nehmen.

Gesetzt, der Gärtner hat das Feld nicht fertig angepflanzt und hat ein Stück unkul­tiviert gelassen, so wird man das unkultivierte Stück auf seinen Anteil setzen.

Gesetzt, ein Mann hat von einem anderen Getreide oder Geld zu bekommen und hat eine Person von ihm in Schuldhaft fortgeführt, und die gepfändete Person ist im Hause ihres Schuldherrn eines natürlichen Todes gestorben, so entstehen aus dieser Rechtssache keine Ansprüche.

Gesetzt, die gepfändete Person ist im Hause ihres Schuldherrn infolge von Schlägen oder infolge von schlechter Behandlung gestorben, so wird der Eigentümer der ge­pfändeten Person seinen Kaufherrn überführen; gesetzt, es war das Kind des Mannes, so wird man ein Kind von ihm töten; gesetzt, es war der Sklave des Mannes, so wird er ein Drittel Mine Silber zahlen, und alles seines Gutes, soviel er gegeben hat, wird er verlustig gehen.

Gesetzt, ein Mann ist gefangen fortgeführt worden, und in seinem Hause ist (etwas) zu essen, so wird seine Gattin... ihren Besitz hüten, in ein anderes Haus wird sie nicht eintreten.

Gesetzt, selbige Frau hat ihren Besitz nicht gehütet und ist in ein anderes Haus ein­getreten, so wird man selbige Frau überführen und ins Wasser werfen.

Gesetzt, ein Mann, der in das Haus seines Schwiegervaters Geschenke geschickt hat (und) einen Mahlschatz gegeben hat, hat auf eine andere Frau sein Auge geworfen, zu seinem Schwiegervater gesagt: „Deine Tochter werde ich nicht nehmen", so wird der Vater des Mädchens alles, was ihm gebracht worden ist, nehmen.

Gesetzt, ein Mann hat in das Haus des Schwiegervaters Geschenke geschickt, einen Mahlschatz gegeben, der Vater des Mädchens (aber) hat gesagt: „Meine Tochter werde ich dir nicht geben", so wird er alles, was ihm gebracht worden ist, doppelt zurückgeben.

Gesetzt, ein Kind hat seinen Vater geschlagen, so wird man ihm die Hände abschnei­den.

Gesetzt, ein Mann hat das Auge eines Freigeborenen zerstört, so wird man sein Auge zerstören.

Gesetzt, er hat einem anderen einen Knochen zerbrochen, so wird man seinen Kno­chen zerbrechen.

Gesetzt, er hat das Auge des Sklaven eines anderen zerstört oder den Knochen des Sklaven eines anderen zerbrochen, so wird er die Hälfte seines Kaufwertes zahlen.

Gesetzt, ein Mann hat einem anderen ihm gleichstehenden Manne einen Zahn aus­geschlagen, so wird man ihm einen Zahn ausschlagen,

Gesetzt, ein Baumeister hat für einen Mann ein Haus gebaut und hat es fertig her­gestellt, so wird er für je ein Sar des Hauses zwei Schekel Silber als Geschenk für ihn geben.

Gesetzt, ein Baumeister hat für einen Mann ein Haus gebaut, sein Werk (aber) nicht fest gemacht, und das Haus, das er gemacht hat, ist eingefallen und hat den Eigen­tümer des Hauses getötet, so wird selbiger Baumeister getötet.

Gesetzt, es hat ein Kind des Eigentümers des Hauses getötet, so wird man ein Kind jenes Baumeisters töten.

Gesetzt, ein stromaufwärts fahrendes Schiff hat ein stromabwärts fahrendes Schiff beschädigt und versenkt, so wird der Schiffsherr, dessen Schiff untergegangen ist, alles, was in seinem Schiff verloren gegangen ist, vor einem Gotte genau angeben; der (Kapitän) des stromaufwärts fahrenden Schiffes, der das stromabwärts fahrende Schiff versenkt hat, wird ihm sein Schiff und alles verloren gegangene ersetzen.

Gesetzt, ein Hirte, dem Rinder oder Kleinvieh zum Hüten gegeben worden sind, ist treulos geworden, hat die (Vieh-)marke verändert und hat (sie) für Geld verkauft, so wird man ihn überführen, und zehnfach wird er, was er gestohlen hat, an Rindern und Kleinvieh ihren Eigentümern ersetzen.

Gesetzt, in einer Viehhürde ist ein Schlag eines Gottes vorgefallen, oder ein Löwe hat getötet, so wird der Hirte vor einem Gotte seinen Reinigungseid leisten, und das ge­fallene (Vieh) der Hürde wird der Eigentümer der Hürde von ihm in Empfang nehmen.

Hammurabi, der vollkommene König, bin ich. Für die Schwarzköpfigen, die mir Enlil geschenkt hat, deren Hütung Marduk mir verliehen hat, war ich nicht müde und legte meine Hände nicht in den Schoß... Mit Hilfe meiner Schutzgötter... habe ich sie in Frieden geleitet, in meiner Weisheit habe ich sie geborgen, damit der Starke nicht den Schwachen bedränge, Waise und Witwe ihr Recht bekämen, habe ich in Babylon,... um das Recht des Landes zu richten, die Entscheidungen des Landes zu fällen, dem Bedrückten Recht zu verschaffen, meine kostbaren Worte auf meine Tafel geschrieben und vor meinem Bilde, dem gesetzgebenden Könige, aufgestellt... Der Bedrückte, der eine Rechtssache bekommt, möge vor mein Bild, den gesetz­gebenden König, kommen und die beschriebene Tafel lesen und meine kostbaren Worte hören, und meine Tafel soll ihm die Sachlage weisen, sein Urteil soll er finden, sein Herz soll aufatmen."