Schule auf Rädern

Bernd Langrock fuhr mit den 15 Jugendlichen seiner 10. Klasse der Rudolf-Steiner-Schule Schloss Hamborn mit dem Fahrrad in 9 Wochen (60 Tagen) über 2275 km von Hamborn bis an die französische Mittelmeerküste. Die 7 Mädchen und 8 Jungen der Klassen sind Schüler der in Schloss Hamborn angegliederten Schule für Erziehungshilfe.

 

Leitgedanken in Stichworten

lebendige Schule - Lebensschule - Lernen durch Lebenswirklichkeit - motiviertes Lernen, weil die jugendlichen am Lernstoff ein Eigeninteresse verspüren - mitbestimmen und verantwortlich sein für das eigene Lernen - Selbständigkeit entwickeln - eigene Grenzen wahrnehmen, ebenso wie die der anderen - Begegnung mit der französischen Kultur. Insgesamt also eine überzeugende Vorbereitung auf die Zukunft von Jugendlichen mit spezieller Biographie.

Die Fahrt

Die Erlebnisse einer 60-tägigen Tour mit all´ ihren Höhen und Tiefen, all´ ihrem Schönen aber oftmals auch Schweren lassen sich nicht in einem Artikel dieser Länge zusammenfassen. Aus diesem Grund möchte ich von dem reichhaltig Erlebten nur Exemplarisches hervorheben, um damit die Möglichkeit zu geben, diese Fahrt ansatzweise verfolgen zu können.

Am 10. Mai 2002 sind wir unter dem Beifall der gesamten Schulgemeinschaft, der Familien und Freunde, begleitet von Zeitung und Fernsehen direkt vom Schulhof abgefahren. Als 17-köpfige Gruppe sind wir ins Ungewisse aufgebrochen. Einige hatten seit Tagen bzw. Nächten nicht mehr richtig schlafen können, anderen wurde es immer flauer in der Magengegend bei dem Gedanken, ihren „Liebsten“ oder seine „Liebste“ so lange nicht mehr sehen zu können und mir wurde besonders die Schwere meiner Verantwortung bewusst. Die „gut gemeinten“ Worte unserer Skeptiker hallten in meinen Ohren: „Die adipöse O. kommt doch nicht einmal über den nächsten Hügel“ oder „in 2-3 Wochen sehen wir uns doch sowieso schon wieder.“ Sollte der erste Patzer, 100 Meter nach dem Start, bei dem eine Schülerin mit samt ihrem voll beladenen Rad der Länge nach hinfiel, diesen kritischen Stimmen recht geben?

Bild: Löcher in den Reifen, fast jeden Tag!

Nein! Wir waren tatsächlich 60 Tage unterwegs bevor wir endlich die französische Mittelmeerküste erreichten. Zurück kamen wir mit dem Bus, allerdings bewusst nicht ganz bis zur Schule. Wir entschieden uns, einen letzten gemeinsamen Abend bei einem Kollegen im Garten zu verbringen, bevor wir unsere letzten 20 Fahrradkilometer am 8. Juli 2002 zurücklegten. Unter großem Jubel aller MitschülerInnen, KollegenInnen, Freunde, Eltern und Ehepartner fuhren wir wieder auf den Schulhof ein. Ein berauschendes und leider viel zu kurzes Erlebnis.

Alle Beteiligten legten diese Strecke mit dem Fahrrad zurück. Ganz bewusst hatten wir uns gegen ein Begleitfahrzeug entschieden. Auf wie viele schöne und schmerzliche Erfahrungen hätten wir verzichten müssen, wenn wir unser Gepäck nicht selbst transportiert hätten, oder bei Regen chauffiert worden wären. Den Jugendlichen und mir fällt selbst im Nachhinein nicht ein Grund ein, der dies gerechtfertigt hätte.

Bild: Wir sahen die "Deutschlandtour" der Radprofis!

Zelt und Kocher ermöglichten einen Routenverlauf mit großen Variationsmöglichkeiten. Die Versorgung erfolgte in Kochgruppen, ebenso gab es Zeltgemeinschaften, sofern nicht unter freiem Himmel geschlafen wurde.

LehrerInnen, Eltern, ErzieherInnen und MitarbeiterInnen der Berufsförderung stellten ein wechselndes Team von vier BetreuerInnen zusammen, wobei ich die gesamte Fahrt begleitete, um die für dieses Projekt überaus wichtige Kontinuität zu gewährleisten. Anders hätten einige Jugendliche nicht das notwendige Durchhaltevermögen bewiesen. Glücklicherweise konnte auch mein Heimkollege R. Horn die Fahrt an immerhin 50 Tagen begleiten.

Bild: Arbeiten auf dem Demeterhof

Im Verlauf der Strecke gab es längere Aufenthalte: So fand z.B. ein mehrtägiges Projekt auf einem Demeterhof in Uffenheim statt, wo wir gegen Kost und Logis verschiedene Arbeiten verrichteten. Die unmittelbare Notwendigkeit des Geldeinsparens durch die verrichtete Arbeit wurde den SchülerInnen deutlich. Weitere Erfahrungen konnten wir als Gäste in einer befreundeten Jugendhilfeeinrichtung in der schwäbischen Alb sammeln. Hier standen neben dem Entkernen einer Scheune das Bauen von Bumerangs und Klettern auf dem Programm.

 

Bild: Lieblingpausen

Aufenthalte von 1-2 Tagen gab es in ausgewählten Städten. Geschichte, Kunstgeschichte und Stadtgeographie waren immer wieder Gegenstand einer etwas anderen Art der schulischen Auseinandersetzung.

Auf französischer Seite soll exemplarisch ein Tag besonderer Würze erwähnt werden, an dem die Mädchen und Jungen in getrennten Gruppen fuhren. Von St. Fortuna nach Balazuc führte der Weg weiter in das Zentralmassiv. Unglaubliche Hitze und bis dahin ungeahnte Steigungen verlangten uns das „Letzte“ ab. Die Jungen entschieden sich für eine kürzere und steilere Strecke. Nachdem ich die Mädchengruppe über Handy überzeugen konnte uns auf keinen Fall zu folgen, wählten sie eine längere und nicht so schroffe Route. Wir quälten uns auf einer Strecke von 8 km bei einer Steigung von 15-19 % den Berg hoch. Es war so heiß, dass der Teer unter unseren Reifen knirschte, der Fahrradständer versank bereits nach wenigen Sekunden im Teer. 300 Meter im kleinsten Gang fahren oder schieben - eine Pause von 10 Minuten - immer von Kurve zu Kurve hangelnd, kein Wasser mehr in den Flaschen, schleppten wir uns voran. Ein Schüler verlor die Nerven und warf sein Fahrrad in den Graben - Ruhe bewahren und gutes Zureden waren hier meine Aufgaben. An diesem Tag haben wir uns und unsere Räder ca. 70 km vorwärts bewegt. Ausnahmsweise gab es zwar keine Pannen, dafür waren jedoch ausgedehnte Pausen nötig. Schöne Abfahrten und wunderbare Fernsichten waren uns bei aller Anstrengung als Erholung vergönnt. Am Ende dieser Kräfte zehrenden Tour war der Sonnenuntergang über dem tiefen Tal der Ardêche eine besondere Belohnung, bei dem nicht nur mir die Tränen in den Augen standen.

Nachdem wir bereits unser Quartier in Balazuc bezogen und ein Bad in der Ardêche genommen hatten, anschließend noch ein schmackhaftes Abendbrot herrichteten, kam die Gruppe der Mädchen noch lange nicht. In einem letzten Telefonat gegen 22.00 Uhr hörte ich von dem Kollegen, dass sie daran dachten, auf einer Wiese zu campieren. Ich machte mir unglaublich Sorgen über die „Moral“ dieser Gruppe. Bis zur Totalverweigerung einzelner frustrierter Schülerinnen war alles denkbar. Gegen 0.30 Uhr ein Anruf: „Wir sind in der Nähe, könnt ihr uns abholen?“ Selbst die Jungen, die bereits im Bett lagen standen wieder auf, einige nahmen ihre Räder und Taschenlampen und fuhren den Mädchen entgegen, andere bereiteten Essen vor. So etwas hatte ich bis dahin noch nicht erlebt!

Bild: Der Blick für das Schöne.

Kein überhebliches Wort von den Jungen über die späte Ankunft und eine absolut gut gelaunte, geradezu ausgelassene Stimmung, bei den Mädchen. Sie schwärmten vom Vollmond, ihrem improvisierten Abendbrot auf nächtlicher Straße und den nun nicht mehr ganz so vollen Kirschbäumen unterwegs. Ein Kollege erzählte von seinem ganz persönlichen „Nadelöhr“ an diesem Tag: eine Schülerin hatte sich „entschieden“, 30 Kilometer mit z.T. nur leichtem Anstieg nicht zu fahren, sondern ausschließlich zu schieben. Für ihn eine nervenaufreibende Herausforderung sich darum zu bemühen, dass auch sie heute noch irgendwo ankommen würde.

Bild: Saint Marie de la Mer

Nach einer zweitägigen Kanufahrt auf der Ardêche unter der absolut überzeugenden Anleitung eines französischen Kanuwanderführers, näherten wir uns anschließend über Orange, Avignon und der Pont du Gard dem Ende unserer Fahrt.

 

Motivation für die Initiierung des Projektes

14 SchülerInnen dieser Kleinklasse leben im hiesigen Landschulheim auf dem Gelände Schloss Hamborns, einer staatlich anerkannten Jugendhilfeeinrichtung mit familiär geführten Wohngruppen und eigenen therapeutischen Angeboten. Häufig sind uns die SchülerInnen von ihren Eltern und/oder den Heimatjugendämter anvertraut worden, weil sie im Laufe ihrer jungen Biografie gravierende Lernschwächen und/oder Verhaltensauffälligkeiten zeigten, die im häuslichen und schulischen Umfeld für alle Beteiligten zu großen Problemen und Spannungen verschiedener Arten führten.

Eine herkömmliche Lernsituation im Klassenraum ist für diese Schüler nur unter erschwerten Bedingungen möglich ist. Oftmals bringen die Jugendlichen nicht die Möglichkeiten mit, sich abstrakten Lerninhalten zu nähern oder über mehrere Stunden am Morgen diszipliniert zu sitzen, bzw. die Nähe der anderen MitschülerInnen auszuhalten.

 

 

DIE VIER PHASEN DES PROJEKTS

 

Phase 1: Vorplanung

Vorgespräche mit den beteiligten Einrichtungen innerhalb Schloss Hamborns waren nötig, um sicher zu stellen, dass keine Interessenkollisionen auftauchen. Das Landschulheim muss die Jugendlichen für den Zeitraum von 9 Wochen freistellen und mit Schule und Berufsförderung die zuständigen Jugendämter und Eltern informieren und das nötige Einverständnis einholen. Es wurde eine Konzeption der Fahrt erarbeitet, Flyer zu Werbe- und Informationszwecken in Deutsch und Französisch erstellt, nötige Anschreiben formuliert und Kontakte zu öffentlichen Medien hergestellt.

Bereits während der Planung kristallisierte sich der Wunsch heraus, eine eigene Internetseite einrichten zu wollen. Auf diesem Wege konnten wir unsere Idee einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen. Im Verlauf der Fahrt wurde die Internetseite besonders wertvoll, da wir wöchentlich aktuelle Berichte, Fotos, Zeitungsartikel und einem abspielbaren Text hineinstellen und Freunde und Eltern über einen speziell eingerichteten Briefkasten mit uns in Verbindung treten konnten.

 

Phase 2: Unterrichtliche Vorbereitung und Planungsbeteiligung der SchülerInnen

Die SchülerInnen hatten die letztendliche Entscheidung zu treffen, das hieß in diesem Fall: bei nur einer Gegenstimme sollte das Projekt nicht stattfinden. Bis Ende November 01 haben wir in vielen Unterrichtsgesprächen Vor- und Nachteile abgewogen, Sorgen und Ängste besprochen, offene Fragen gesammelt, über die Tagesgestalt oder die Mitnahme von Gegenständen diskutiert, über die Aufgaben des Einzelnen und seine Verantwortung gegenüber der Gruppe gesprochen. Es wurde an Wandzeitungen gesammelt und abgestrichen, Fragen ergänzt und immer wieder hitzig diskutiert. Fünf Monate vor der Fahrt entschied sich die Klasse trotz noch bestehender Ängste und Vorbehalte einstimmig für das Projekt „Schule auf Rädern“.
Materialbeschaffung, Sponsorensuche, detaillierte Routenplanung, das Erlernen fahrradspezi¬fischer Reparaturarbeiten und allmorgendliche kurze oder längere Radtouren standen von nun an neben dem Fachunterricht auf dem Stundenplan. Darüber hinaus nahmen alle Beteiligten kurz vor Beginn der Fahrt an einem Erste-Hilfe-Kurs teil.

 

Phase 3: die neunwöchige Fahrt (siehe oben)

Phase 4: Abschließende Präsentation des Projektes in der Schulöffentlichkeit

Gegen Ende der Fahrt wurde in der täglich stattfindenden „Runde“ diskutiert, was und wie der Schulgemeinschaft präsentiert werden soll.

Nach der Rückkehr hatte die Gruppe nur noch 5 Schultage bis zu den Sommerferien, um sich auf die geplante Präsentation vorzubereiten. Wir entschieden uns, besondere Szenen der Fahrt darzustellen und mit Hilfe von „Marktstände“ unterschiedliche Themenschwerpunkte wie z.B. Routenplanung und –verlauf, Camping, Fahrrad, Essen und Trinken und Öffentlichkeitsarbeit zu dokumentieren.
Es hat sich gezeigt, dass zu einem Projekt eine abschließende Präsentation unbedingt dazu gehört. Die Leistung wurde gewürdigt, das Bild abgerundet, die Fahrt konnte aus- und nachklingen und damit einen Übergang schaffen zum „normalen“ Leben und nicht zuletzt alle Beteiligten mit einem guten Gefühl in die Ferien entlassen. Die Schulgemeinschaft konnte rückblickend noch einmal Anteil nehmen und ihre Meinung äußern.

 

OFFENE FRAGEN ODER RESUMEE

Wäre weniger nicht mehr?

Als wir in Saint Marie de la Mer, dem Zielort unserer Route, ankamen, sprach ein Kollege aus, was alle anderen dachten: schön, bald wieder zu Hause zu sein, aber jetzt ernten wir doch erst den Lohn unserer Arbeit. Wir vier Begleiter hatten am Ende das Gefühl, dass das Projekt im Verlaufe der Fahrt immer besser und fruchtbarer wurde.

Bereits nach einer Woche konnten wir in unserer allabendlichen gemeinsamen Runde das Thema der persönlichen Grenzerfahrung am Beispiel eines Anstiegs gut thematisieren. Deutlich wurde, dass die Konstitution jedes Einzelnen ausschlaggebend ist für das Erklimmen der Höhen und dass hierbei das Prinzip Training sich im Laufe der Zeit auf alle positiv auswirken würde. Ebenso erkannten alle, dass nicht nur die Muskelkraft entscheidend ist, sondern dass darüber hinaus der Wille ungeahnte Kräfte freisetzt. Schon in den folgenden Tagen gelang es vielen besser, den topographischen Widrigkeiten zu trotzen.

Besonders interessant wurde es, als wir auf die Übertragbarkeit des Berges auf unser Alltagsleben zu sprechen kamen. Im Angesicht eines bevorstehenden Berges, ob real vorhanden oder im übertragenen Sinn, ist die mentale Stärke für die Bewältigung des „Berges“ von ausschlaggebender Bedeutung. Fast alle Jugendlichen konnten diese Transferleistung erbringen und in den nachfolgenden Tagen sowohl den realen Berg als auch den Berg der Alltagsprobleme als Herausforderung annehmen.

Nach zwei Wochen war das erste tiefe Tal von Krisen durchschritten (Drogenentzugserscheinungen oder eine andere Schülerin musste für eine Zeit anderswo untergebracht werden usw.), die Jugendlichen hatten sich bis dahin mit der neuen und oftmals schwierigen Situation arrangiert. Bis zum Bergfest in Muhlhouse hatten alle genügend Motivation, danach kam der große Einbruch - fremdes Land, schlechte Verständigung, oft wussten wir nicht, wo wir am nächsten Tag ankommen würden. Mit Beginn der fünften Woche setzten sich neue Energien frei. Das ganze Projekt wurde mehr zu einem gemeinsamen Vorhaben. Mehr Toleranz und Freundlichkeit, ein umgänglicherer Ton – selbst in Krisenzeiten - setzte sich durch. Bei allen wuchs im Laufe der Zeit ein Verantwortungs¬bewusstsein sich selbst, dem anderen, der Gruppe und nicht zuletzt der Umwelt gegenüber. Nicht, dass wir am Ende dieser Fahrt keine Aufgaben mehr zu bewältigen gehabt hätten, aber die Fähigkeit, mit alltäglichen Problemen und Anforderungen umgehen zu können, entwickelte sich auf bemerkenswerte Weise. Nicht denkbar ist die Vorstellung, dass wir auf alle Ereignisse und Entwicklungsprozesse hätten verzichten müssen, die sich erst nach den sonst üblichen 2 Wochen Klassenfahrt zeigten.

 

So mancher Kollege fragte mich, ob ich so eine „Klassenfahrt“ noch einmal machen würde?

Meine Antwort: Ja! Nicht alles genauso, aber die Grundidee „Schule auf Rädern“ durchzuführen würde mich wieder beflügeln. Gerne würde ich meine Familie mehr mit einbeziehen. Die Zumutung für meine Kinder und meine Frau war beträchtlich. Bei einer Wiederholung würde ich darüber nachdenken, vielleicht mehr an einzelnen ausgewählten karitativen Hilfsprojekten zu arbeiten, wo die Ergebnisse der geleisteten Arbeit für alle sichtbarer wären. Auch klassenübergreifende Gruppen von 6-8 Jugendlichen als pädagogische Sondermaßnahme wären vorstellbar. Ein solches Unterfangen müsste aus meiner Sicht jedoch nicht auf SchülerInnen einer Heilpädagogischen Schule begrenzt bleiben. Alle Jugendlichen, gleich welcher Schulform, würden hier auf besondere Weise lernen können.

 

Sparen an der Ausrüstung?

Jeder Euro, den wir in gute Ausrüstungsgegenstände investiert hatten, war lohnend. Am Zelt oder am Kocher zu sparen ist gerade noch möglich und aus dem Vergleich und der Improvisation kann jeder viel lernen. Am Fahrrad oder den Satteltaschen zu sparen, zehrt auf lange Sicht an den Nerven. Pannen gibt es ohnehin mehr als genug, aber bitte doch nur die, die sich nicht vermeiden lassen. Von Fahrrädern mit Narbenschaltungen, mittelmäßigen Ständern, instabilen Gepäckträgern, abgefahrenen Bremsen oder Bereifung sowie nicht 100%ig zentrierten Hinterreifen ist dringend abzuraten. Satteltaschen sollten nur von namhaften Herstellern bezogen werden, andere halten die starke Belastung oftmals keine 20 Tage aus. Auch die Frage der Bekleidung ist nicht unerheblich, leichte und schnell trocknende Kleidung hat sich bewährt.

 

Ist das noch Schule zu nennen?

Wenn Schule die Aufgabe ernst nehmen will, Jugendliche auf ihrem Weg zum Erwachsenwerden unterstützen zu wollen, ihnen eine Hilfestellung geben möchte in ihrem zukünftigen Leben verantwortungsbewusst für sich und andere einzustehen, ist nach meiner jetzigen Erfahrung diese Form der Schule ein überaus probates Mittel dazu. Insbesondere dann, wenn Schule Unterstützung geben will bei der Hilfe zur Förderung der Selbsterziehung durch Selbsterkenntnis.

Speziell für diese Jugendlichen, die sich oft als Vergessene in der Gesellschaft vorkommen, war es ein besonderes Erlebnis, etwas Einmaliges zu bewältigen und dafür aufrichtige Anerkennung zu erfahren. Dazu beigetragen hat u.a. die gute Öffentlichkeitsarbeit und eine große Gruppe von Menschen, die das Gesamtprojekt im Hintergrund unterstützt und begleitet hat.

Die individuellen Erfolge sind ebenso besonders erwähnenswert. Eine Schülerin raucht seit der Fahrt nicht mehr, ein anderer hat seinen Drogenkonsum gänzlich eingestellt. Eine übergewichtige und bewegungsgehemmte Schülerin bewältigte ebenfalls die Strecke und verlor zu ihrer großen Freude dabei auch noch an Gewicht. Eine sehr stille Schülerin hatte die Möglichkeit, spontan in Freiburg an einer Radio-Lifesendung mitzuwirken und über das Projekt zu berichten. Allen gemein ist, dass sie auf ihrem persönlichen Weg des Erwachsenwerdens einen großen Schritt gegangen sind.

 

Finanzierung

Einen wesentlichen Teil der anfallenden Kosten konnten wir durch Gelder der Berufsförderung und des Landschulheims decken. Einen kleineren Teil übernahm der Förderverein der Schule. Eine Vielzahl von kleineren Geld- und Sachspenden von Kleinunternehmern und Privatpersonen stand uns zur Verfügung. Örtliche Fachbetriebe kamen uns mit besonderen Vergünstigungen entgegen. Ein Großteil der erforderlichen Räder wurde uns zum Händlereinkaufspreis überlassen. Satteltaschen, Schlafsäcke und sonstige Ausrüstungsgegenstände konnten vor Ort zu Sonderpreisen bezogen werden. Spender zu finden bzw. zu überzeugen war Aufgabe aller Projektbeteiligter, sowohl der SchülerInnen als auch der Erwachsenen und war bisweilen besonders mühsam. Auch einzelne Elternhäuser unterstützten ihre Kinder mit Ausrüstungsgegenständen. Einiges konnte aus dem Freundes- und Verwandtenkreis geliehen werden.

Bei 35.000 Euro Gesamtkosten und 60 Radtagen mit 17 fahrenden Personen ergab dies einen Betrag von 34 Euro pro Person und Tag. Darin enthalten waren Aufwendungen für Kost und Unterbringung, Konzert- und Kinobesuche, Besichtigungen und Führungen, Pflaster und Medikamente, Telefonate, Ausrüstungsgegenstände für diejenigen, die selbst nichts beschaffen konnten, Reparaturkosten, Transferkosten für die BegleiterInnen. Nicht enthalten sind hier die Personalkosten. Die MitarbeiterInnen von Schloss Hamborn wurden von ihrem Arbeitgeber hierfür freigestellt und sind somit im Rahmen ihrer Arbeitszeit mitgefahren.

Bernd Langrock

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