Klasse 6 zu Besuch bei alten Menschen

Ein Beitrag von Reinhard Steidl (Freie Waldorfschule Ludwigsburg)

Nachdem wir das Seniorenstift Marbach in der 4. Klasse zum ersten Mal aufgesucht hatten, um im Rahmen der Menschenkunde einmal mit ganz alten Damen und Herren zu sprechen, besuchten wir sie am 5.12.2013 in der 6. Klasse erneut. Wir spielten etwas auf unseren Flöten vor und haben einige unserer Epochenhefte mitgenommen. Aus einigen Schüleraufsätzen folgt hier ein Stimmungsbild unseres einstündigen Aufenthalts:

 

Wir sahen am Anfang beim Flötenspielen eine Frau, die zitterte die ganze Zeit! Als wir die Flöten weggebracht hatten, setzten wir uns. Wir hatten zum Anschauen Hefte dabei, aber die Frau konnte sie nicht angucken, weil sie schon an den Augen operiert wurde. Auf dem einen Ohr war sie taub und auf dem anderen hörte sie kaum etwas.

(Aline und Julia)

 

Der Mann erzählte über die Schule und dass er immer was auf die Finger bekommen hat und dass er in einer Schreinerei als Lehrling gearbeitet hat, und Michel hat mit einer 102 Jahre alten Frau gesprochen, die sah noch so jung aus.

(Malte)

 

Anfangs war die Frau, mit der ich redete ziemlich unfreundlich. Als ich ihr mein Heft zeigte, sagte sie: "Ja, du musste auch was erzählen!" Also erzählte ich, was wir gelernt hatten. Dann begannen wir uns ein wenig zu unterhalten. Sie sagte: "Ich bin jetzt 78 Jahre alt, ich bin noch nicht lange hier, genau genommen bin ich erst dieses Jahr gekommen.

(Janika)

 

Eine andere Frau erzählte, dass sie aus Thüringen käme, wo der berühmte Nikolaus von Dresye das Zündnadelgewehr erfunden hatte. Zum Spaß schoss sie uns mit ihrer Hand ab. Sie war sehr gesprächslustig und trug auch einen Reim vor: „Die Sonne scheint ihm auf sein Hirn, da nahm er einen Sonnenschirm".

(Jakob)

 

Das sagte sie ungefähr zwanzigmal und sie ermahnte uns immer: „Was in deinem Kopf ist, kann dir keiner wegnehmen".

(Carl)

 

Ich gab ihr mein Heft und meine Weihnachtskarte. Sie sah sich das Heft an und fand es schön. Sie erzählte uns, dass sie in Leipzig geboren ist und ihr Vater ein Modegeschäft hatte. Sie hat uns auch noch berichtet, dass sie auf einer höheren Mädchenschule war und Klavierunterricht hatte. Später sagte sie uns noch, dass ihr Sohn bald 75 wird und fünf Minuten später meinte sie, dass er vor 14 Tagen gestorben sei.

(Marieke)

 

Sie hat unser Freihandgeometrie-Heft angeschaut und fand es sehr, sehr schön, wie wir das ohne Zirkel und Lineal gezeichnet haben. Danach haben wir unser Russisch-Heft gezeigt und sie hat uns immer gefragt, wie die Buchstaben heißen.
Ich zeigte ihr auch mein Pflanzenkunde-Heft. Sie sah sich jede Seite an. Sie erzählte uns auch von ihren Katzen und dass sie mit zwei Schwestern und zwei Cousinen in einem Haus gewohnt hat.

(Elisabeth)

 

Eslem und ich hatten eine sehr humorvolle Frau. Sie war 86 Jahre alt, ich habe sie auf 87 geschätzt. Dann fragte Eslem, wie alt sie im Krieg gewesen war. Sie war 17 und erzählte, dass sie nichts weiter vom Krieg erzählen wollte, weil sie sich nicht daran erinnern will.

(Marvin)

 

Anna und ich fragten eine von den Frauen, ob sie Geschwister hätte. Sie sagte, dass sie insgesamt 9 Kinder waren, 7 Mädchen und 2 Jungen. Diese Frau erzählte uns auch, dass es damals, als sie zur Schule ging, ziemlich streng zugegangen war. Wenn die Mädchen nicht artig waren, haben sie Tatzen bekommen und die Jungen wurden mit dem Stock auf den Rücken oder auf den Po geschlagen.

(Klara)

 

Ich wurde zusammen mit Marion und Philipp zu einem alten, freundlichen Herrn gesetzt. Dieser stellte uns Fragen, z.B. wer der Papst ist. Er sagte etliche Male, dass jeder von uns sehr schlau wäre und dass wir uns voreinander in Acht nehmen sollten. Er erzählte auch, dass er aus Polen kommt und Philipp sagte, sein Opa kommt auch aus Polen. „Dann sag ihm mal schöne Grüße" sagte er. Philipp sagte, sein Opa sei tot, doch der Herr sagte, er solle ihm trotzdem liebe Grüße sagen.

(Johanna K.)

 

Ich setzte mich zu einer Frau. Sie war 91 Jahre alt. Ich musste sehr deutlich sprechen, da sie sehr schlecht hörte. Die Frau fragte mich mehrmals, in welche Schule wir gehen. Sie war sehr interessiert, da ihre Tochter Lehrerin ist. Sie fragte nach dem Fremdsprachen-Unterricht an unserer Schule und wie unser Klassenzimmer aufgeteilt ist.

(Lucy K.)

 

Ich habe gefragt, in welche Schule er ging, doch ich bekam keine Antwort. Ich fragte es noch einmal, wieder nichts. Erst beim dritten Mal sagte er „wie bitte?". Endlich erzählte er mir, dass er in keiner Waldorfschule gewesen ist, aber wenn es sie damals schon gegeben hätte, wäre er gerne hingegangen.

(Julika)

 

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