Vom Berg, der die Frau auf die Hochzeit lässt

Eine Geschichte von Michael Bauer

Ein Mann und eine Frau waren auf eine Hochzeit geladen. Aber sie hatten eine Kuh, die versorgt werden sollte. Und weil der Weg weit und ein ganzer Tag für die Hochzeit nötig war, sollte nur eins von ihnen gehen dürfen. „Du kannst gut daheimbleiben“, sagte die Frau, „du kommst so und so oft in die Stadt, während ich jahraus, jahrein zu Haus hocke.“

„Du tust dir leicht!“, erwiderte der Mann; „erstens kann ich nicht ordentlich melken und zweitens habe ich mit dem Vetter allerlei zu besprechen.“ So stritten sie eine Weile hin und her und keines wollte die Hochzeit fahren lassen. Zuletzt fiel der Frau ein, dass sie über dem Tal eine redende Bergwand hätten. Wenn man dieser laut etwas zurief, so gab sie immer Antwort. „Wie wär's, wenn wir den Berg fragten, wer von uns zur Hochzeit soll?“, sagte die Frau.

„Das ist kein übler Gedanke“, sprach der Mann. Er sollte zuerst anfragen und so rief er denn: „Soll ich auf die Hoch­zeit gehen oder daheimbleiben?“ „Daheim bleiben!“, antwortete der Berg. Nun kam die Frau dran: „Soll ich daheimbleiben oder zur Hochzeit gehen?“ „Hochzeit gehen!“, rief der Berg. „Da siehst du's!“, sagte die Frau; „der Berg ist ganz meiner Meinung.“

Damit war der Streit für die Frau entschieden, und mit gutem Gewissen machte sie sich einen lustigen Tag.

Ihr Kommentar