Tauschen und Kaufen
Ein Beitrag von Franka Paul
Angeregt durch die Beiträge Marktplatz I und Marktplatz II entstand die Idee, eine Markszenerie in unsere Sachrechenepoche in der 3. Klasse zu integrieren. Wir platzierten sie als Einstieg ins Rechnen mit Geld. Wir hatten zwei verschiedenen Szenarios: einen Tauschmarkt und einen Kaufmarkt. Die Klasse hat 24 SchülerInnen und zwei Lehrkräfte (die Klassenlehrerin und die Lehrerin im Praxisjahr).
Die Klasse hat 24 SchülerInnen und zwei Lehrkräfte (die Klassenlehrerin und die Lehrerin im Praxisjahr).
Der Tauschmarkt
1. Anwärmphase / Anschluss an die Lebenswirklichkeit
Wir sprachen über Dinge, die die Kinder besitzen, beginnend mit dem Inhalt des Schulranzens: ein Sortiment Stifte, einen Füller, ein Mäppchen, eine Trinkflasche mit farbigem Stoffüberzug, eine Flöte, den Schulranzen selbst. Wir fuhren fort mit Dingen aus ihrem Zimmer: diverses Spielzeug, Kuscheltiere, Puppen, Kleidung, Bücher, Wecker, Musikinstrumente. Und schließlich unterhielten wir uns darüber, was sie sich wünschen: ein neues Fahrrad, ein Diabolo, neue Wanderschuhe, ein Haustier.
2. Individuell handeln und Erfahrungen sammeln
Die Kinder malten oder schrieben auf kleine Zettel jeweils einen Gegenstand aus dem vorher besprochenen Fundus und teilweise auch darüber hinaus. Danach bewegten sie sich frei im Klassenraum mit der Aufgabe, alle „Waren“ mindestens ein Mal zu tauschen. Es entstand ein sehr lebendiges und fröhliches Treiben! Manche Tauschgeschäfte gingen sehr schnell, andere wiederum erforderten Gespräch und Bedenkzeit.
Nach etwa 15 Minuten setzten sich alle Kinder mit ihren neuen Waren wieder an den Platz und berichteten: manche hatten mehrfach ihre Waren getauscht, andere nur ein Mal, ein Kind war seine Sachen nicht losgeworden (technische Geräte). Manche Kinder waren quer durch den Raum gegangen und hatten ihre Sachen lauthals angepriesen, andere hatten ihre Waren auf dem Platz ausgelegt und auf Interessenten gewartet. Es gab Kinder, die sich auf bestimmte Gegenstände spezialisiert hatten (ein Kind hatte sich mehrere Schulranzen eingetauscht, ein anderes hatte sich verschiedene Haustiere erhandelt). Über ein goldenes Diabolo war die Diskussion entstanden, ob es tatsächlich aus Gold (und damit unermesslich viel Wert) sei oder nur golden angemalt. Man einigte sich auf golden angemalt, ein Diabolo aus reinem Gold wäre ja auch gar nicht spieletauglich, wie die Kinder selbst sagten.
Damit beendeten wir die Unterrichtseinheit für diesen Tag
3. Erkenntnisse
Beim Rückblick auf den Tauschmarkt am Folgetag wurde deutlich, dass viele Faktoren den Wert einer Sache bestimmen: das goldene Diabolo wurde aufgrund seiner Farbe und seines Seltenheitswertes („Wer hat jemals schon ein goldenes Diabolo gesehen?“) als sehr wertvoll eingeschätzt, ein besonders gelungen gemaltes Kätzchen („das ist so süß!“) wurde ebenfalls hoch gehandelt, während technische Geräte viele Kinder einfach nicht interessierten und somit keinen hohen Tauschwert hatten. Die Waren hatten also teilweise auf dem Markt einen anderen Wert als der „Hersteller“ zunächst vermutet hatte, das Thema „Angebot und Nachfrage“ schwang mit, ohne dass wir es explizit thematisierten.
Es entstand die Frage, ob Lebewesen wie Haustiere überhaupt einen materiellen Wert haben dürfen. Während sich viele Kinder dagegen aussprachen, erzählte ein Junge, dass seine Familie ihre Babykätzchen bewusst verkauft und nicht verschenkt, „damit die Leute mit den Kätzchen nichts Böses machen“. Auch wenn viele Kinder nicht wussten, was damit genau gemeint war, spürten sie trotzdem, dass eine berechtige Überlegung hinter dem Verkauf der Baby-Kätzchen stand.
Es wurde deutlich: beim Tauschen geht es ums Anpreisen, Abwägen, Verhandeln, d. h. um die eigene gefühlsmäßige Beziehung zum Gegenstand oder Lebewesen. Einen objektiven Wert einer Sache gibt es nicht.
Der Kaufmarkt
Vorausgegangen war das Kennenlernen der verschiedenen Münzen und Scheine sowie das Verhältnis von Euro und Cent. Außerdem hatten wir breits die Themen Gewichte und Maße praktisch und rechnerisch bewegt und geübt.
1. Anwärmphase / Anschluss an die Lebenswirklichkeit
Im Klassengespräch wurde kurz gefragt, wer sich auf Wochenmärkten auskennt und was es dort zu kaufen gibt. Dann schrieb jedes Kind in sein Übheft, was ihm an Produkten vom Wochenmarkt einfiel. Wieder im Plenum hörten wir uns die Sammlungen an. An der Tafel wurden die Produkte notiert, die es am nächsten Tag im Klassenzimmer als echte Gegenstände zu kaufen geben würde (Äpfel, Zitronen, Bananen, Kiwi, Karotten, Gurken, Zucchini, Avocados; Weizenkörner, afrikanisches Maismehl (Suma - von einem Kind mitgebracht), Zucker, Rosinen; Stoff (= eine Rolle Tischtuch aus Papier).
Gemeinsam einigten wir uns auf die Preise dieser Produkte, die in etwa den marktüblichen Preisen entsprachen und trennten zwischen Kilopreis, Stückpreis und Meterware. Die Preise wurden von den Kindern auf Tischkärtchen geschrieben und schön illustriert.
2. Individuell handeln und Erfahrung sammeln
Als Hausaufgabe schrieben sich die Kinder Einkaufslisten, wobei der Einkauf nicht mehr als 30 Euro kosten sollte, und organisierten sich Körbe, Taschen, Tupperboxen und Eierschachteln.
Am nächsten Tag legten wir zuerst fest, wer welchen Stand (Obst und Gemüse; Gemüse und Trockenlebensmittel; Waren zum Stückpreis; Stoff) betreiben würde. Dann räumten wir Tische und Stühle an den Rand des Klassenzimmers und bauten aus 8 Tischen 4 Markstände, jeweils mit einer mechanischen Marktwaage, den Produkten und einer Schachtel Wechselgeld (Spielgeld). Alle Einkäufer bekamen 30 Euro Spielgeld.
Auf einen Gongschlag ging es los: 8 Kinder waren Verkäufer, 8 Kinder kauften nach ihrer individuellen Einkaufsliste ein, 8 Kinder saßen als Beobachter am Rand. Mit einem Gong wurden noch zwei weitere Marktphasen eingeläutet, wobei die Gruppen wechselten, so dass jedes Kind ein Mal Verkäufer, ein Mal Käufer und ein Mal Beobachter war. Die Käufer orientierten sich an ihrer Einkaufsliste und hakten die erfolgreich getätigten Einkäufe ab. Die Verkäufer notierten sich auf einer Liste, wem sie was zu welchem Preis verkauft hatten. An dieser Stelle hatten wir zu wenig Zeit eingeplant: es braucht mindestens 15 Minuten pro Runde! Außerdem würden wir uns beim nächsten Mal für die Beobachter Beobachtungsaufgaben überlegen, damit diese nicht untätig herumsitzen und zu stören beginnen.
3. Erkenntnisse
Am nächsten Tag sprachen wir über das Erlebte. Die Kinder hatten viel Freude am selbständigen Kaufen und Verkaufen gehabt. Es wurde geäußert, dass das Kaufen mit Geld „irgendwie einfacher“ ist als das Tauschen. Damit war gemeint, dass Geld flexibler einsetzbar ist als die wenigen Waren, die man beim Tauschmarkt in der Hand hatte. Auch der Gefühlsbezug zu den Produkten war ein ganz anderer als beim Tauschen: obwohl der Zucker oder Getreidekörner als Ware sehr beliebt waren (weil man davon zwischendurch ein bisschen naschen konnte), war der Fokus auf das Abarbeiten der Einkaufsliste gerichtet.
Vor allem aber wurde deutlich, dass die Rechenvorgänge, die wir bereits kennen, eine Relevanz in der Lebenswirklichkeit haben: Wenn 1 kg Äpfel 4 Euro kostet, wie viel kostet dann ein halbes Kilo? Wenn eine Zitrone 80 ct kostet, wie viel kosten dann 5 Zitronen? Auf einmal wurde wichtig, dass ein Verkäufer (ohne rechnende Kasse) schnell im (schriftlichen) Addieren sein muss, damit ihm die Kunden nicht wegen einer zu langen Warteschlange weglaufen. Und dann das große Thema Wechselgeld: wie rechne ich das am Geschicktesten aus? Als Minusaufgabe oder als Additionsaufgabe (Hochrechnen)?
Damit war die Grundlage für mehrere Tage eifriges Üben verschiedener Rechenoperationen gelegt, bei denen wir uns immer wieder gerne an die lebendige Markterfahrung erinnerten.