Tiere

Ein Beitrag von Annette Kormoll

 

Die sechste Klasse schließt im Handarbeitsunterricht an die vorangegangenen Tierkundeepochen in der vierten und fünften Klasse an, in denen die Schüler mit dem physischen Organismus von Mensch und Tier vertraut gemacht wurden.

Sie wenden sich nun mit Anteilnahme und Wissensdrang den Tieren zu und können die verschiedenen Tiere und deren Verhalten in der Welt feinfühlig wahrnehmen und erleben.

Im Handarbeitsunterricht haben wir vor allem die Geschicklichkeits- und die Gefühlsbildung bei den Kindern zu pflegen. Es geht hier in erster Linie darum, lebendige, künstlerische Formen selber hervorzubringen. Dabei kommt es darauf an, das typisch Wesenhafte in Gestalt und Bewegung erscheinen zu lassen.
 

Wie ein Tier entsteht

Hier beginnt die Arbeit zunächst mit der gemeinsamen Schilderung einiger Tiere wie z.B. Giraffe, Bär, Elefant oder Löwe. Das Augenmerk liegt dabei unter anderem auf dem Körperbau, der Besonderheit des Ganges, der Nahrungsaufnahme und dem Lebensraum des Tieres. Danach folgt das Malen, wobei zuerst große Landschaften entstehen. Die Farbstimmung einer Umgebung ist für das jeweilige Tier charakteristisch. Der Bär lebt im Wald, abgeschirmt von der Sonne im Grünen und Dunklen. Die Giraffe braucht die Farben der Savanne usw. Vorsichtig tastend werden nun die Tiere in die Landschaft gemalt. Hierbei entstehen große Gemeinschaftsbilder.

Nach dieser Einführungsarbeit widmet sich jeder Schüler seinem Lieblingstier. Ziel ist es, ein Tier zu wählen, das als das „eigene“ Tier dann genäht wird. Ist nun das eigene Tier gefunden, schreibt der Schüler nach eigenen Recherchen ein kleines Referat über den Lebensraum, das Verhalten, die Nahrungsaufnahme, den Körperbau und über die Besonderheiten seines Tieres. Außerdem malt nun jeder für sich sein Tier im Profil, damit aus diesem Bild der Schnitt entwickelt werden kann.

Die Schnittentwicklung steht in Wechselwirkung mit der Geometrie, da aus dem ebenen Bild ein räumlicher Körper entstehen muss. Somit wird die Raumvorstellung konkret und bleibt nicht abstrakt. Damit aus einer stimmig flächigen Zeichnung (zweidimensional) ein guter Schnitt für das Tier (dreidimensional) entstehen kann, müssen bestimmte Stellen verändert werden. Alle Bereiche mit starker Krümmung (z.B. Beine, Rüssel oder Hals einer Giraffe) müssen bei der Schnittkonstruktion verbreitert werden. Außerdem braucht es noch sogenannte Zwischenteile für den Bauch, die Innenseite der Beine und den Kopfkeil.

Liegt nun der Tierschnitt aus Papier vor, kann der sorgfältig ausgesuchte Stoff zugeschnitten werden. Man benötigt fünf Stoffteile: zweimal die Seitenansicht, zweimal die Beininnenseite und den Kopfkeil. Jetzt folgt das Stecken, Heften und Nähen. Besonders die Form des Kopfkeiles bedarf eines guten Blickes und einer Menge Geduld beim Nähen. Dann wird die Tierhaut gewendet und von innen mit Wolle ausgestopft, d.h. das Tier wird von innen plastiziert. Das ist eine schwierige Aufgabe, denn die nachgiebige Außenhaut verliert beim Stopfen gerne ihre Form.

Zum Schluss erhält das Tier seine Fußsohlen, die Ohren, die Mähne, den Schweif, die Hörner, die Augen, die Schnauze - eben alles Tiertypische. Gemusterte Felle wie z.B. bei der Giraffe oder dem Zebra erreicht man durch Bemalen des Stoffes. 

Nun können die Schüler hautnah den Zusammenhang von Ursache und Wirkung erleben: sind die Nähte nicht gut und fest gearbeitet worden, halten sie beim Stopfen nicht. Wurde der Schnitt nicht sorgfältig und genau hergestellt, stimmen die Proportionen nicht. Aber viele kleine Kniffe können am Ende helfen, dass das Typische des Tieres trotzdem zum Ausdruck kommt.

Diese kurze Darstellung hat hoffentlich einen kleinen Einblick in die Vielschichtigkeit des Handarbeitsunterrichtes vermittelt. Handarbeit ist für uns kein Nebenfach. Es trägt auf sehr anschauliche Weise zur Erziehung des Menschen bei.
 

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