Wurzeln und Folgen des Cäsarenkultes

Auszüge aus dem "Studienmaterial zur Geschichte des Abendlandes" von Karl Heyer

So sehen wir die Cäsaren in der Geschichte zu den großen Gegenspielern des Jesus Christus werden. Dem Gott-Menschen erstand als Gegenbild der Menschen-Gott, der dadurch, dass er sich unter Missbrauch seiner äußeren Macht die Initiation erzwungen hatte, ohne durch die Katharsis hindurchzugehen, sein niederes menschliches Ich wahnhaft übersteigerte und aufblähte und zum Gefäß und Werkzeug von dämonischen Geistwesen wurde. [...]

Der Cäsarenkult hat Wurzeln, die einige Jahrhunderte weit in die Vergangenheit zurückreichen. Wir meinen damit nicht jene noch viel ältere Verehrung der Könige und Herrscher als Götter, wie sie der Orient gekannt hatte und worüber wir schon gesprochen haben. Diese Verehrung beruhte ja ursprünglich darauf, dass noch im dritten nachatlantischen Zeitalter durch die Initiation das Persönli­che des Menschen zum Schweigen gebracht wurde, so dass er eine objektive geistige Macht in sich aufnehmen konnte. Wir haben als das Wesentliche dieser älteren Zeiten gerade das überpersönliche Wirken charakterisiert. Im vierten nachatlantischen Zeitalter steigt der Mensch aus dem Überpersönlichen herunter in das Persönliche. Immer mehr steigert sich das Bewusstsein dieser Persönlichkeit; immer machtvoller und energischer lebt sie sich aus. Im Griechen­tum ersteht als ein Exponent und Höhepunkt und als eine Art Inaugurator dieser Entwicklung besonders die Persönlichkeit Alex­anders des Großen. Die Persönlichkeit, die sich aus den alten politischen Gemeinschaftszusammenhängen losgelöst hat, tritt nun auf und erobert und gestaltet ein ganzes Weltreich.

Bei Alexander stand hinter seinen Bestrebungen ein großer, positi­ver kulturpolitischer Impuls, zu verstehen nur aus der ganzen gei­stesgeschichtlichen Lage, erfließend aus einem großen universalen Streben im Sinne des damaligen Zeitgeistes, zusammenhängend mit der ganzen alten, damals zur Neige gehenden Mysteriengeschichte, vor allem auch mit dem großen weltgeschichtlichen Phänomen des Aristotelismus. Dem Osten sollte sein uraltes Weisheits- und Kultur­gut in der Form gleichsam zurückgegeben werden, die es in Griechenland vermenschlicht, verpersönlicht, vergedanklicht angenommen hatte. Auf diese von Rudolf Steiner aufgehellten Zusammen­hänge können wir hier nur hindeuten. Damit aber weist man bereits darauf hin, dass geistig-wesenhaft etwas ganz anderes durch Alexan­der wirkte, das durchaus nicht einfach dem an die Seite gestellt werden darf, was später in den römischen Cäsaren auftrat, obwohl es in einem anderen Sinne dennoch einen geschichtlichen Auftakt dazu bedeutet. Wenn Alexander in Ägypten bei seinem Zug zu dem Orakel des Jupiter Ammon in der Oase Siwah von den Priestern als Sohn des Jupiter Ammon proklamiert wurde, wenn er überall die Sitten des Landes annahm, überall imstande war, «aus den Herzen, aus den Gemütern der Menschen heraus zu denken», so deutet dies darauf hin, dass er sich innerlich mit den Ländern und Volkstümern verband, die er nicht nur «beherrschen», sondern einbeziehen wollte in die große damalige Zeitgeist-Mission. Von daher will auch der Umstand gesehen sein, dass er dazu überging, sich als Gott verehren zu lassen (was vor ihm als erstem Griechen dem spartani­schen Feldherrn Lysander, dem Sieger über Athen im peloponnesischen Krieg, widerfahren war), womit freilich eine höchst bedenkli­che Entwicklung eingeleitet war. Am Anfang des hellenistischen Herrscherkultes steht Alexander. [...] So vergöttlicht sich gleichsam die Persönlichkeit, die in Alexander das politische Weltreich begründet hatte und es zusam­menhielt. Schließlich wurde er nicht nur im Orient, der nach jahrt­ausendelanger Gewohnheit nur allzu bereit war, ja sogar verlangte, den Herrscher als göttliches Wesen zu verehren, sondern auch von den Städten Griechenlands (nachdem die kleinasiatischen Griechen mit seinem Kult begonnen hatten) unter die Reihe der Staatsgötter aufgenommen. Am Ende seines Lebens zeigten sich in seinem Reiche vielfach «Anfänge eines allumschließenden, ihm gewidmeten Reichskultes». Unter Alexanders Nachfolgern wurde dann der Herrscher­kult gegenüber dem jeweiligen lebendigen Herrscher immer mehr eine ständige Institution. Der Kult gegenüber der Person des Herr­schers wird das einende Band des ganzen, nur durch ihn zusammen­gehaltenen Staatswesens.

So sehen wir mit dieser neuen Herrschervergöttlichung eine fol­genreiche und verhängnisvolle Entwicklung schon bei Alexander angebahnt, die sich dann unter seinen Nachfolgern zu den bedenk­lichsten Erscheinungen steigerte, und vollends im römischen Cäsarentum in etwas einmündete, durch das finsterste Wesenheiten wirkten. «Denn in diesem Augenblicke», sagt Rudolf Steiner einmal mit besonderem Nachdruck, «wo sich der Mensch wie ein römischer Cäsar als Gott verehren lässt, verliert er seine Menschlichkeit und sinkt in die Untermenschlichkeit herunter. Er hört auf, Mensch zu sein, wenn er sich als etwas Übermenschliches verehren lässt». An diesem Punkt war damals die Menschheit angelangt. Die Menschen drohten ihre Menschlichkeit zu verlieren.

Wie in gewissem Sinne am Anfange des hellenistischen Herrscher­kults Alexander, so steht an dem des römischen eindeutig Cäsar als sein bewusster Vertreter und eigentlicher Begründer. In ihm erscheint inauguriert und vorweggenommen, was erst im Lauf der folgenden Jahrhunderte in dem ja nicht von ungefähr nach ihm benannten Cäsarentum zu seiner vollen Entwicklung kam. In Cäsar steigert sich das Ego der römischen Persönlichkeit zu einem vorher nicht gekannten schrankenlosen Selbstheitsinn, verbunden mit uner­sättlicher Herrschsucht größten Stils. Er ist es, der in entscheidender Weise für dieses Herrscher-Ich göttliche Ehren in Anspruch nimmt. In ihm, der auch die Stellung des Pontifex Maximus, des höchsten Priesters übernimmt und damit die Verbindung mit dem gesamten kultisch-religiösen Wesen, vollzieht sich in entscheidender Weise die Wendung nicht nur zu einer lebenslänglichen Diktatur, sondern zu dem, was man den hellenistisch-östlichen Absolutismus (auf vorder­asiatischer Grundlage) nennt. Als ein neuer Alexander hätte Cäsar den Völkern geboten, wenn er lange genug gelebt hätte, wobei freilich noch der wesentliche Unterschied der Individualitäten und der geistigen Mächte, mit denen der eine und der andere in Verbin­dung standen, zu berücksichtigen ist. Cäsar ist es, der die östlichen Formen der «göttlichen Legitimierung» der Herrschaft auf das Abendland überträgt. Er fordert in uneingeschränktem Maße die Vergöttlichung zu seinen Lebzeiten, erlebt auch noch den Anfang seiner Deifizierung im Osten. Nur sein plötzlicher Tod lässt es zu seinen Lebzeiten nicht auch im Abendlande dazu kommen. Aber zwei Jahre nach seinem Tod nimmt ihn der römische Senat als Divus Julius in die Reihe der Staatsgötter auf. So begründet Cäsar eine «göttliche Legitimität» seiner Herrschaft, die von seinen Nachfol­gern als Basis ihrer eigenen Legitimität in Anspruch genommen und gleichsam zur Institution gemacht wird. Faktisch vermittelt er so die Kontinuität der Herrschaftstradition zwischen dem alten Orient und dem Abendland bis hin zu dem mittelalterlich-germanischen Kai­sertum.

Im Vergleich zu Cäsar übten seine unmittelbaren Nachfolger Augustus und Tiberius sogar eine gewisse Zurückhaltung in Bezug auf ihre Ansprüche auf Kult und göttliche Verehrung. Dennoch ist unter Augustus der Cäsarenkult in seinen wesentlichen Formen ausgebildet worden. Dabei machte Augustus einen charakteristischen Unterschied zwischen der westlichen und der östlichen Reichshälfte bzw. zwischen Römern und Nichtrömern. Nur den letzteren wurde die eigentliche Vergöttlichung des Herrschers «gestattet» - wir hören, dass die Volksstimmung gebieterisch nach einem Kult auch des lebenden Herrschers verlangte. In Rom selbst dagegen, wo das römische Staatsrecht einen Kult des lebenden Herrschers (bis Diocletian) eigentlich ausschloss, sollte die Vereh­rung nur dem genius Augusti, dem Genius des Augustus gelten. [...]

Noch Tiberius übte, wie bereits erwähnt, ausgesprochene Zurück­haltung - dafür gab es unter ihm einen «Gott Senat» -, aber schon Caligula erhob weitgehende Ansprüche auf Göttlichkeit. Sueton berichtet, wie er Götterbilder, die ganz besondere religiöse Vereh­rung genossen, darunter auch das des olympischen Zeus, nach Rom bringen, ihnen die Köpfe abnehmen und dafür seinen eigenen darauf setzen ließ. Domitian (81-96) proklamierte sich selbst als Gott. Er legte sich die Bezeichnung dominus (Herr) und deus (Gott) zu. Unter Traian und seinen Nachfolgern fand auch in dieser Beziehung eine Wendung zum Besseren statt; Traian lehnte göttliche Verehrung ab und ging bewusst auf altrömischen religiösen Brauch zurück. Doch besonders seit Septimus Severus (193-211) empfing der Cäsarenkult einen neuen starken Impuls. Zum Abschluss dieser Entwicklung, mit der der Übergang vom Prinzipal zum Dominat einherging, setzte sich die hellenistische Herrschervergöttlichung in vollem Maße durch. Aurelian (270-275) z. B. nennt sich wieder (wie bereits Domitian) dominus et deus (Herr und Gott). Diocletian (284 bis 305), der einen Höhepunkt dieser Entwicklung darstellt, führt das orienta­lische Hofzeremoniell ein, so auch die Proskynese. [...]

Lebendig-bildhaft tritt uns in weiteren Schilderungen Emil Bocks dieses Rom des Cäsarenkultes und des Cäsarenwahns entgegen mit seinen Monumental- und Kolossalbauten, mit dem Goldenen Haus des Nero, wo die wildesten Orgien tobten. «Es bildete einen Bestand­teil des ekstatischen Rausches für den neronischen Hofstaat, das Blut der Christen fließen und die Flammen von den mit Pech und Naphta getränkten lebenden Fackeln emporqualmen zu sehen.» Als das eigentliche «Bethlehem des Cäsarenwahnsinns» aber schildert Bock in geistvoller Weise Capri, die neapolitanische, die Vesuvlandschaft, wie eine bestrickende kosmische Illusion hingezaubert, die Cäsaren wie Tiberius zu ihrem Götter- und Schöpferwahn inspirierend. Und dieses Wesen wurde dann immer mehr nach Rom übertragen.

«Lange Zeit entsprach die stille Rom-Landschaft dem Charakter des römischen Staates. Man bedenkt meist nicht, dass das römische Weltreich mit seinen stolzen Ansprüchen erst sehr spät entstanden ist und noch sehr jung war zur Zeit des Urchristentums . . . Kaum hundert Jahre vor unserer Zeitrechnung war es, wo infolge des Machtzuwachses die alte schlichte Geradheit Roms ins Wanken kam durch die Versuchungen des Cäsarismus. Damals hörte die stille Landschaft der Campagna um Rom herum allmählich auf, für das römische Wesen ein Abbild zu sein. Sie war es nur so lange, als es noch kein römisches Weltreich gab.

Die Cäsaren konnten gar nicht das Stadtbild Roms so lassen, wie es war. Rom wäre durch sein Antlitz und seine landschaftliche Umwelt immer mehr ein Widerspruch in sich selbst geworden. Alle Baudenkmäler, die im heutigen Rom aus dem Altertum erhalten sind, gehören bereits der cäsarischen Zeit an. Das hat wohl darin seinen Grund, dass das vorcäsarische Rom geradezu einem unersätt­lichen Bauwahn verfiel. Alles, was von dem vorhergehenden Zustand hätte Zeugnis ablegen können, wurde restlos ausgetilgt oder gigantisch überbaut. Was dann durch die immerfort sich übertrump­fende Bauwut der Cäsaren an Kolossalbauten entstand, veränderte das Antlitz Roms von Grund auf. Eine , eine Nea-polis wurde in die hineingebaut. Das cäsarische Rom mit den Caracalla-Thermen, dem Colosseum, den Kaiserforen und palatinischen Palästen hat seine landschaftliche Entsprechung nicht in der römischen Campagna, sondern auf Capri und an den Küsten der Golfe von Neapel und Salerno. Die Träger der alten Römerideale mussten sich in ihrer eigenen Stadt plötzlich in eine fremde Welt versetzt fühlen.» [...]

So enthüllt sich immer deutlicher das Phänomen des Cäsarentums als ein Teil der großen Ich-Krise, in die das Römertum und die damalige Menschheit gekommen waren. Das Römertum hatte die Aufgabe gehabt, die in ihrem Ich erstarkte menschliche Persönlich­keit zur Entfaltung zu bringen. Das war ein zentrales Stück der gesamten abendländischen Mission. In den besseren Zeiten des Römertums, in denen der Republik, lebte es diesen Impuls aus in einer Art Demokratie, die jedem Bürger-Ich sein Daseinsrecht und sein Mitbestimmungsrecht zuerkannte.

Aber der Ich-Impuls steigert und übersteigert sich in den letzten Zeiten der Republik und vollends in den Cäsaren- und Imperatoren-Ichen, deren Egoität sich in schran­kenloser Herrschsucht und unersättlicher Machtgier auslebt. An diesem Punkt überschlägt sich die Entwicklung, und es wandelt sich die Herrschaft des einen Ego um in etwas, was äußerlich und innerlich immer mehr Verwandtschaft annimmt mit dem Herr­schaftswesen und den Herrschaftsformen, die sich einst im Orient aus den damaligen und dortigen Bewusstseinsverhältnissen heraus entwickelt hatten und in dekadenter Form noch bestanden.

Es oblag der Menschheit in jenem geschichtlichen Augenblick - an der Wende der Zeiten -, den Sinn des Ich-Werdens in seiner wahren Weiterentwicklung zu vollziehen durch die Hinwendung zu dem mit der Erde sich verbindenden Christus-Gott. Aber gerade da taucht ein versucherischer Vergangenheitsimpuls auf, der stärkste Verführungskraft entfaltet. Man könnte ihn mit den Worten bezeich­nen: Zurück zum alten Orient! Und das entspricht einer allgemeinen Gesetzmäßigkeit. Rudolf Steiner drückte sie einmal so aus: «Und so darf man sagen, dass immer wieder gerade dann, wenn in einem gewissen Sinne neue Offenbarungen kommen, eine Art Rückfall in das Vorhergehende stattfindet. . .» [...]

So kommt also nun in der römischen Spätzeit, die aber zugleich der äußere Höhepunkt des Römertums und seines Glanzes und seiner Machtentfaltung ist, mit dem Orientalismus überhaupt auch der orientalische Despotismus (wie man ihn für diese Zeiten nennen kann) wie ein Atavismus als Regierungsprinzip herauf. Er ist es in Wahrheit, der sich in dem Worte Ausdruck gibt: Principis voluntas legis habet vigorem (der Wille des Princeps - so nannten sich zunächst noch lange die Cäsaren - hat Gesetzeskraft). Dieses Wort ist in Wahrheit ein gänzlich unrömisches Wort; es entspringt jener orientalisierenden despotischen Gesinnung. Aber gerade dieses Wort hat das römische Recht bei den europäischen Fürsten, besonders in Deutschland, gegen Ende des Mittelalters so beliebt gemacht und stark zu der Rezeption des römischen Rechts beigetragen. Man griff auf diese römisch-unrömischen Grundsätze zurück in einer Zeit, in der man (aus einer Entwicklungslage heraus, über die wir später zu sprechen haben werden) daran ging, den eigenen »neuzeitlichen« Absolutismus zu begründen. Betrachtet man diesen unter großen historischen Gesichtspunkten, so muss man ihn einerseits charakteri­sieren als den Rückfall in etwas, was selbst schon ein Rückfall war, einen Rückfall also in den römischen Rückfall in die orientalische (ursprünglich theokratische) Regierungsform. Das gilt gewisserma­ßen für die mehr «oberirdisch» verlaufende Strömung der Geschichtskontinuität. Daneben aber gibt es eine mehr «unterirdi­sche». Diese wirkt sich in jenen Wiederholungen des dritten nachat­lantischen Zeitalters im fünften aus, von denen wir wiederholt gesprochen haben. Und auch im Sinne dieser unterirdischen Strö­mungen und Verbindungsfäden stellt sich der Absolutismus des 17. und 18. Jahrhunderts als ein Wiederauftauchen des dritten nachat­lantischen Zeitalters dar. Wir wiesen bereits in solchem Zusam­menhang auf den Sonnenkönig Ludwig XIV. hin und können nun hinzufügen, dass es, durchaus dem Wesen der geschichtlichen Rhyth­men entsprechend, offenbar so ist, dass zuerst im fünften Zeitraum das wiederauftaucht, was im dritten Zeitraum zuletzt da gewesen war, d. h. aber in dessen Dekadenzzeit, während die Wiederholung der Blütezeiten, die noch viel weniger eine äußere Wiederholung, sondern eine vollkommene Metamorphose bis ins Innerste herein auch für das soziale Leben sein wird, erst noch für die weitere Zukunft unseres fünften Zeitalters bevorsteht, d. h. erarbeitet wer­den muss. [...]

Eine innere Voraussetzung für das Entstehen des Cäsarentums mit seiner ungeheuren Machtanhäufung waren die Wirren und Unruhen der letzten Jahrzehnte der römischen Republik, der ent­setzlichen Zeiten der fortdauernden Bürgerkriege, der Parteikämpfe, der chaotischen Zustände, die entstanden waren durch das hem­mungslose Gegeneinander der rivalisierenden Machthaber-Egois­men, in denen das alte Rom unterging. In alledem lebte sich jene Ich-Krise des Römertums aus. Man kann sagen: da die Egoitäten miteinander nicht fertig wurden, forderten sie gleichsam das Ego heraus, das als das mächtigste alle beherrschen, dem Egoismus aller anderen wohltätige Schranken auferlegen und sich diese anderen Untertan machen sollte. Dieses Ego, das stark genug war, um sich den ganzen Staat zu unterwerfen und sich gleichsam zum Ganzen dieses Staates und Reiches zu erweitern und die egoistische Willkür durch eine systematische, planmäßige Ordnung abzulösen, erstand in Augustus.

Augustus wurde in der Tat der Bringer der Ordnung, des Frie­dens, der Ruhe, des äußeren Wohlergehens, kurz: ungezählter Wohl­taten. Das Reich blühte unter ihm auf; die ermüdeten Völker kamen zur Ruhe, eine Periode des größten Wohlstandes setzte ein. Die Provinzen, die bis dahin von der unersättlichen persönlichen Bereicherungssucht ihrer Verwalter aus den Reihen der aristokrati­schen Senatoren-Familien aufs schamloseste ausgesaugt worden waren, atmeten auf und konnten sich erholen. Die Verehrung der Menschen wendete sich Augustus zu.

So setzte unter dem Kaisertum eine 200jährige Periode des Frie­dens und Wohlstands ein, wie sie die Welt vorher und nachher nie wieder gekannt hat.

Und doch ändert das alles nichts daran, dass das Cäsarentum das innere Ende des wahren Römertums bedeutete, dass es gerade für das, was den entscheidenden Beitrag des Römertums zum Ganzen der Weltgeschichte darstellt, nämlich die Entwicklung der menschli­chen Persönlichkeit, das Abgleiten in die vollkommene Dekadenz brachte.

Ihr Kommentar