1. Am Vorabend der Revolution
Ein Beitrag von Ines Krapf
Anregung: Man kann die Französische Revolution innerhalb von drei Tagen behandeln. Selbstverständlich ist es möglich, auch eine ganz andere Einteilung vorzunehmen. Von den folgenden Ereignissen könnte man am 1. Tag berichten. Die hier gewählte Darstellung soll es dem Klassenlehrer / der Klassenlehrerin ermöglichen, sich schnell in das Thema einzuarbeiten und bildhaft zu erzählen. Am Ende der folgenden geschichtlichen Darstellung befindet sich eine Arbeitsanregung für die SchülerInnen.
Die Revolution
Die Französische Revolution markiert einen Wendepunkt für das Selbstverständnis der Menschen. Sie legte den Grundstein für die moderne Welt. Doch dieser Fortschritt hatte seinen Preis, denn aus einem Moment der Hoffnung wurde eine blutige Tragödie.
Mit zerschossenem Kiefer
Betrachten wir die Ereignisse zunächst von hinten: Am 27. Juli 1794 wartet ein Mann in einem der ältesten Gefängnisse von Paris an den Ufern der Seine auf seine Hinrichtung. Nur einen Tag zuvor war er der mächtigste Politiker Frankreichs gewesen. Trotz eines Selbstmordversuchs, bei dem er lediglich sein Kinn zerschmetterte, überlebte er. In den folgenden Stunden lag er blutend auf einem Tisch in den Räumen des Wohlfahrt-Ausschusses, von wo aus er Frankreich mit Terror überzogen hatte. Anschließend bereitete man ihn im Gefängnis auf die Guillotine vor. Er zeigte keine Reue und sah sich als Märtyrer. Mit ihm endete der Terror, aber die Revolution lebte weiter.
Tags zuvor hatte Robespierre im Konvent eine neue Säuberungswelle von Verdächtigen angekündigt. Er nennt jedoch noch keine Namen. Keiner der Anwesenden weiß, ob nicht vielleicht auch sein Name auf der Liste stünde. Es sollte seine letzte Rede sein. Bevor er Namen nennen konnte, wurde er verhaftet. Der Meister des Terrors wurde nicht mehr angehört. Die Versammlung erklärte Robespierre zum Staatsfeind.
Aber seine Anhänger befreiten ihn gewaltsam aus der Verhaftung. Gemeinsam verbarrikadierten sie sich über Nacht im Pariser Rathaus. Als das Gebäude am nächsten Morgen gestürmt wurde, sahen die Verfolgten nur noch einen Ausweg: Selbstmord. Einer stürzte sich aus dem Fenster, ein anderer erschoss sich. Auch Maximilien de Robespierre schoss sich in den Kopf. Die Kugel zerschmetterte seinen Unterkiefer, aber er überlebte bewusstlos.
Am Vorabend der Revolution
Lasst uns 20 Jahre zurückblicken: 1775 Krönung Ludwigs XVI. Die Macht und der Glanz der alten Ordnung waren noch unerschütterlich. Paris bereitet sich auf einen Festtag vor. Der frisch gekrönte König Ludwig XVI. und seine schöne österreichische Gemahlin Marie Antoinette werden von der jubelnden Bevölkerung in die Hauptstadt begleitet. Robespierre wurde als bester Schüler der Universität Louis le Grand ausgewählt, die Begrüßungsrede beim Besuch von Ludwig XVI. zu halten. Eine hohe Ehre für den mittellosen Stipendiaten aus der Provinz. Der König betrachtet den jungen Mann und reagiert mit Schweigen. Er ahnt nicht, dass dieser talentierte Schüler eines Tages über sein Schicksal entscheiden wird.
Die Aufklärung schickt ihre Gedanken voraus
In dieser Zeit des stolzen Frankreichs im 18. Jahrhundert sind die sozialen Probleme offensichtlich. Die Chancen eines jeden Einzelnen werden immer noch allein von der Geburt bestimmt. Der Reichtum des Adels steht in starkem Kontrast zur Armut der Bauern. Die Kritik am König wächst, und Philosophen hinterfragen den vermeintlich göttlichen Ursprung der alten Ordnung. Eine aufregende Idee breitet sich aus: Ist der Mensch von Natur aus frei und mit gleichen Rechten geboren? Es ist der Beginn des Zeitalters der Aufklärung.
Die Botschaft der Aufklärung lautet: Vertraue keiner Autorität, glaube nichts, was andere sagen. Nutze deinen eigenen Verstand. Dieses neue Denken findet vor allem in den gebildeten Schichten der Gesellschaft Anhänger. In den Salons des Adels und des Bürgertums werden die Ideen auf theoretische Weise diskutiert und verbreitet. Voltaire und Rousseau gelten als große Lehrmeister ihrer Zeit. Überraschenderweise fordern gerade die Privilegierten Freiheit und Gleichheit für alle. Doch sie können sich nicht vorstellen, dass diese modischen Ideen das ganze Land auf den Kopf stellen könnten.
Amerikanische Unabhängigkeit und riesige Schulden
In anderen Teilen der Welt ist die Aufklärung bereits politische Realität. 1776 erklären sich die amerikanischen Kolonien von Großbritannien unabhängig. Der französische König unterstützt die Aufständischen mit Schiffen und Soldaten, nicht aus Zustimmung zu ihren Ideen, sondern um England als Rivalen zu schwächen. Frankreich zahlt zwei Milliarden Pfund für die amerikanische Unabhängigkeit, genug, um sieben Millionen Franzosen ein Jahr lang mit Nahrung und Kleidung zu versorgen.
Und es ist wiederum fast eine Ironie des Schicksals, dass besonders die amerikanische Unabhängigkeit Frankreich in finanzielle Schwierigkeiten brachte. Die Schulden, die Frankreich für die Unabhängigkeit Amerikas übernahm, waren entscheidend für die finanzielle Misere der Monarchie. Die Bourbonen konnten ihre Schulden einfach nicht mehr begleichen.
Der größte Teil des Staatsbudgets wird für Zinsen und Tilgung der Schulden benötigt. Im Haushalt von 1788 steigt dieser Anteil weiter an: Von den 472,4 Millionen Livres an Einnahmen werden 292,2 Millionen für die Begleichung laufender Kredite verwendet. Die Finanzkrise wird zu einer Staatskrise.
Der Hof und Marie Antoinette
Währenddessen ist die Finanzkrise am Hof in Marseille kein Thema. Ein aufwendiges Zeremoniell bestimmt das Leben der Höflinge. Im Mittelpunkt von Versailles steht die schöne Gemahlin des Königs, Marie Antoinette. Die Prinzessin aus Österreich hat eine Vorliebe für teure Kleider, wertvollen Schmuck und extravagante Frisuren.
Marie hatte einen ausgefallenen Geschmack! Sie trug meterhohe Perücken mit allerlei Verzierungen. Stundenlang verbrachte sie täglich beim Friseur. Viele empfanden das als obszön. Diese maßlosen Frisuren standen für alles, was an der ganzen Hofkultur falsch war. Obwohl der folgende Satz zum Hunger der armen Bevölkerung von Marie Antoinette nie gesagt wurde, trifft er doch einen wahren Kern. „Wenn sie kein Brot haben, dann sollen sie Kuchen essen!“ Marie Antoinette hatte keine Ahnung, wie die Gesellschaft außerhalb ihrer Schlösser aussieht. Und das Volk draußen hatte keine Ahnung, wie seine Königin lebt. Aber es konnte den Prunk des Königshofs sehen.
Ein junger Anwalt aus der Provinz richtet seine Anklage direkt an den Königshof. „Wisst ihr eigentlich, warum es so viele bedürftige Menschen gibt? Weil euer maßloser Lebenswandel an einem Tag die Existenzgrundlage tausender Menschen vernichtet!" Der Verfasser dieser mutigen Zeilen ist wiederum niemand anders als Maximilien de Robespierre.
Im Jahr 1784 kauft Ludwig XVI. für sie das Château de Saint-Cloud für sechs Millionen Livres, ein weiteres Schloss, das ausschließlich für die Königin ist. Sie möchte mehr Platz für sich und die Kinder haben und gestaltet es vollkommen neu.
Missernte, kältester Winter und kein Mehl
Frankreich wird jedoch vom Wetter im Stich gelassen. Im Sommer des Jahres 1788 zerstört Hagel einen Großteil der Getreideernte von der Normandie bis zur Champagne. In den Jahren zwischen 1785 und 1789 steigen die Lebensmittelpreise um 65 Prozent. Dies führt dazu, dass weite Teile der ärmeren Bevölkerung hungern müssen. Zusätzlich verschlimmert sich die Situation durch einen extrem kalten Winter 1788/89: Die Temperaturen sinken auf bis zu minus 18 Grad, Flüsse frieren zu und ganze Weinberge erfrieren. Getreidevorräte schwinden, und tausende Menschen sterben an Hunger und Kälte.
Für die Menschen im 18. Jahrhundert ist Mehl die wichtigste Grundlage für ihr Überleben, insbesondere für die einfachen Leute in Frankreich, da Brot ihre Hauptnahrungsquelle ist. Wenn der Preis für Mehl sich verdoppelte, geriet man in große Not. Die ohnehin schon geschwächte Autorität von König Ludwig XVI. wird durch die Missernten weiter geschwächt. Die Preise für Brot und Mehl steigen ins Unermessliche, was zu ersten Aufständen führt. Getreidetransporte werden überfallen und Bäckereien geplündert. Wer Brot hortet, wird gelyncht.
1789: Einberufung der Generalstände
In seiner Verzweiflung ruft der König die Generalstände ein, eine Volksversammlung aus der Zeit vor dem Absolutismus, die zuletzt vor 175 Jahren einberufen wurde. Die Delegierten sollen neue Steuern beschließen, um den drohenden Staatsbankrott abzuwenden.
Mögliche Aufgaben für SchülerInnen:
Die Schülerinnen und Schüler können sich mit den beiden unteren Themen selbständig auseinandersetzen, indem man ihnen die Texte zur Verfügung stellt. Anschließend können sie in zwei Kurzreferaten dem anderen Teil der Klasse ihr erarbeitetes Wissen mitteilen.
Drei Stände – die Feudalgesellschaft
Mögliche Aufgabe für SchülerInnen:
Zeichne eine große Pyramide und unterteilte sie waagerecht in drei Teile. Schreibe in den obersten Teil „erster Stand“ und notiere in Stichpunkten, was es über ihn zu sagen gibt. Verfahre gleichermaßen mit den anderen beiden Ständen.
Die Feudalgesellschaft kannte im Mittelalter eine von Gott gegebene Ordnung, die die Gesellschaft in drei Stände gliederte. Diese Ordnung beeinflusste das soziale Gefüge über lange Zeit und wurde bis zur französischen Revolution auch nicht grundsätzlich infrage gestellt.
Erster Stand – der Klerus
An der Spitze dieser Hierarchie standen die Repräsentanten der Kirche, wie Kardinäle, Bischöfe, Äbte, Mönche und Priester. Dies war der Klerus und dieser bildete den Ersten Stand der feudalen Gesellschaft. Die vorrangige Aufgabe des Klerus‘ war es, sich um das Seelenheil der Menschen zu kümmern, sie auf den rechten Pfad zu führen und die Einhaltung der kirchlichen Gebote sicherzustellen. Der Klerus genoss zahlreiche Privilegien und hatte einen Anteil von etwa 0,5 % an der französischen Bevölkerung.
Zweiter Stand – der Adel
Der Zweite Stand setzte sich ausschließlich aus Adligen zusammen, die durch Geburt in diesen Stand erhoben wurden. Egal ob reicher Hochadel oder armer Landadel, sie alle genossen viele Privilegien und bildeten eine Elite innerhalb der Gesellschaft. An der Spitze des Zweiten Standes stand der König, der als von Gott Auserwählter das Königreich regierte. Weitere Mitglieder dieses Standes waren Herzöge, Fürsten, Grafen und Ritter, deren Hauptaufgaben die Verteidigung des Landes und die Verteilung von Ländereien waren. Etwa 1,5 % der französischen Bevölkerung gehörte dem Zweiten Stand an.
Dritter Stand – Bürger und Bauern
Der Dritte Stand bildete mit 98 % der Bevölkerung die Basis der Gesellschaft. Hier fanden sich freie Bürger, Kaufleute, Anwälte, Mediziner, Handwerker, freie Bauern und auch Leibeigene. Der Dritten Standes hatte zu arbeiten und für das Wohl der beiden oberen Stände zu sorgen. Sie produzierten wichtige Güter und Dienstleistungen, die für den Alltag unverzichtbar waren und zahlten darüber hinaus Abgaben an den Ersten und Zweiten Stand. Rechte hatten sie keine. Aufgrund der hohen Abgaben geriet der Dritte Stand nicht selten in großer Not: Armut, Hunger und Seuchen waren ihre ständigen Begleiter. Sie waren durch ihre Geburt an ihren Stand gebunden. Die einzige Möglichkeit ihn zu verlassen bestand darin, in ein Kloster zu gehen. Der weitaus größte Teil des Dritten Standes bestand Leibeigenen und freien Bauern. Aber auch das Land war ungleich verteilt. Ca. 75 % des französischen Bodens war in Besitz der ersten beiden Stände.
In Frankreich stellte der Dritte Stand rund 98 Prozent der Bevölkerung dar. Das bedeutete, dass etwa 25 Millionen Franzosen das zum Teil äußerst luxuriöse Leben von 500.000 Adligen und Kirchenvertretern zu finanzieren hatten.
In Frankreich versammelten sich diese Stände ab 1302 als Generalstände, um über Steuern zu entscheiden. Im Laufe des Absolutismus verloren die Generalstände jedoch an Bedeutung.
Leibeigenschaft
Mögliche Aufgabe für SchülerInnen:
Lies dir den Text sorgfältig durch und führe 8 Lebensbereiche auf, in denen Leibeigene von ihrem adeligen Grundherrn abhängig oder eingeschränkt waren. Erläutere kurz die einzelnen Punkte.
Im Mittelalter und der Frühen Neuzeit in Europa waren Leibeigene an das Land und den Grundbesitz eines Herrschers oder Adligen gebunden war. Diese Lebensform war durch eine Vielzahl von Einschränkungen und Pflichten gekennzeichnet, die das Leben der Leibeigenen stark beeinflussten und ihre persönliche Freiheit stark beschränkten.
Eine der zentralen Einschränkungen bestand in der Ortsgebundenheit. Leibeigene waren an das Land des Grundherrn gebunden und durften dieses nicht ohne ausdrückliche Erlaubnis verlassen. Diese Beschränkung der Bewegungsfreiheit verhinderte, dass Leibeigene ihre Lebensumstände verbessern oder bessere Chancen anderswo suchen konnten.
Auch die Heirat war stark von der Zustimmung des Grundherrn abhängig. Leibeigene mussten die Erlaubnis einholen, um zu heiraten, und in einigen Fällen konnten Grundherren auch entscheiden, wen die Leibeigenen heiraten sollten. Dies bedeutete, dass persönliche Beziehungen und individuelle Lebensplanungen oft den Interessen des Grundherrn untergeordnet wurden.
Die Berufswahl der Leibeigenen war ebenfalls eingeschränkt. Oftmals waren sie verpflichtet, auf den Ländereien des Grundherrn zu arbeiten, und hatten wenig Spielraum, ihren eigenen Interessen oder Fähigkeiten entsprechend einen anderen Beruf zu wählen. Dadurch wurden ihre beruflichen Möglichkeiten stark begrenzt.
Ein weiterer Aspekt war die Abgabe von Ernte und Dienstleistungen. Leibeigene waren dazu verpflichtet, einen Teil ihrer Ernte oder andere Dienstleistungen an ihren Grundherrn abzugeben. Dies minderte nicht nur ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit, sondern schränkte auch ihre Möglichkeiten ein, eigene Bedürfnisse und Ambitionen zu verfolgen.
Zusätzlich unterlagen Leibeigene oft der Gerichtsbarkeit ihres Grundherrn und nicht der allgemeinen Gerichtsbarkeit des Landes. Dies bedeutete, dass grundherrliche Gerichte oft in Konflikten zwischen Leibeigenen und Grundherren entschieden und möglicherweise nicht immer unparteiisch waren.
Neben den üblichen Steuern und Abgaben, die an die herrschende Obrigkeit gezahlt wurden, mussten Leibeigene oft auch zusätzliche Abgaben an ihren Grundherrn leisten. Diese finanzielle Belastung machte es schwieriger, das eigene Leben zu verbessern oder ein eigenes Vermögen aufzubauen.
Die persönliche Mobilität der Leibeigenen wurde ebenfalls beschränkt. Einige Grundherren erlaubten ihren Leibeigenen nicht, frei auf ihren Ländereien zu reisen oder bestimmte Orte zu besuchen. Reisen oder der Besuch anderer Orte konnte eine Genehmigung erfordern, was die persönliche Freiheit weiter einschränkte.
Auch der Verkauf von Besitz war oft nur mit Zustimmung des Grundherrn möglich. Dadurch wurden die Leibeigenen in ihrer wirtschaftlichen Handlungsfähigkeit weiter beschränkt und konnten beispielsweise ihr Land oder ihren Besitz nicht eigenständig nutzen oder veräußern.
Die Kombination all dieser Einschränkungen führte dazu, dass Leibeigene in einem Zustand der Abhängigkeit und Unterordnung gegenüber ihren Grundherren lebten. Es war ein System, das persönliche Freiheiten stark einschränkte und eine ungleiche Machtverteilung zwischen den Leibeigenen und den Grundherren aufrechterhielt.