Das dritte Auge
Das Auge wurde in der Geschichte immer gleichgesetzt mit Allwissenheit, Erleuchtung und Weisheit. Es ist ein Organ des Lichtes und der Bewusstheit. Für die Philosophen der Antike ging beim Sehen ein unsichtbares Feuer aus den Augen hervor.
Im zwölften Jahrhundert erlebte die Ärztin Hildegard von Bingen ihre Öffnung des dritten Auges. "Das Geheimnis eines verborgenen Sehens erfuhr ich in meinem Inneren schon im Kindesalter. Als ich aber 42 Jahre alt war, wurde mir plötzlich der Sinn des Alten und Neuen Testaments erschlossen. Ein Licht durchströmte mein Gehirn und durchglühte meine Brust gleich einer Flamme."
Wir haben zwei Augen, die unsere normale Alltagswirklichkeit sehen. Vor allen Dingen die Hindus und Buddhisten halten den Punkt über der Nasenwurzel zwischen den Augen für ein Organ, um das Sehen der unsichtbaren Welt und der unsichtbaren Kräfte zu ermöglicht. Hier liegt das so genannte dritte Auge.
Das dritte Auge ist für Hindus und Buddhisten seit jeher der Spiegel der Seele, das Auge der Weisheit. Wer in der Lage ist durch Meditation jenes Tor zu höherem Bewusstheit zu öffnen, erreicht eine tiefere Wahrnehmung. Für den Ungeübten ist der innere Blick eine Welt ohne Horizont; Bilder, die kein Ende haben und schwer kontrollierbar sind. Auch Mantras werden genutzt, um jenes dritte Auge zu öffnen. Ihre Schwingungsfrequenzen sollen das innere Sehen unterstützen und die Chancen auf eine gute Wiedergeburt vergrößern.
Nirgendwo ist die Bedeutung des dritten Auges deutlicher als in Indien oder im tibetischen Kulturraum. Den Tikka, den Frauen an jenem Punkt zwischen der Stirn tragen, ist für sie das Symbol der Verbundenheit mit dem Göttlichen. Nach der buddhistischen Lehre der Wiedergeburt tritt der Geist in den Körper über den Punkt des dritten Auges ein. Kaum eine Darstellung der religiösen Kunst kommt ohne dieses Auge aus.