Robert Falcon Scott: Expedition zum Südpol (1910-1913)

Terra-Nova-Expedition (1910-1913)

Vorbereitungen

Obwohl seine zweite Antarktisexpedition auch wissenschaftliche Schwerpunkte hatte, bestand nach Scotts eigener Aussage das Ziel vor allem darin, „den Südpol zu erreichen und den Ruhm dieses Erfolgs dem British Empire zu sichern." Im Dezember 1909 ließ er sich auf halbem Sold aus dem Dienst bei der Royal Navy freistellen, um sich ganz den umfangreichen Vorbereitungen widmen zu können. Da sich weder die Royal Geographical Society noch die Royal Society an der Unternehmung beteiligten, war Scott auf private Geldgeber angewiesen. Um die erforderlichen £ 40.000 (heute rund £ 2.926.000) aufzutreiben, hielt Scott landesweit Vorträge und warb für sein Vorhaben, jedoch mit nur mäßigem Erfolg. Im Januar 1910 stellte ihm die britische Regierung die Hälfte der veranschlagten Summe bereit. Hierdurch verfügte er über genügend Mittel, um das Schiff Terra Nova, das der Expedition ihren Namen gab, zu erwerben und für die Forschungsreise auszustatten.
Wie zuvor sein Rivale bei der Nimrod-Expedition, so setzte auch Scott bei der Wahl der Transportmittel auf eine Strategie, die aus Hunden, Ponys, Motorschlitten. Auch wenn Scott selbst nichts von Pferden verstand, so ermutigte ihn Shackletons Erfolg dennoch zum Einsatz der Tiere. Sein erfahrener Hundespezialist Cecil Meares (1877-1937) reiste nach Sibirien, um Schlittenhunde zu erwerben. Obwohl Meares über keine Erfahrungen mit Pferden verfügte, wurde er von Scott beauftragt, dort gleichfalls Ponys für die Expedition zu kaufen. Meares kehrte mit in der Mehrzahl kränklichen Ponys zurück, die für einen längeren Aufenthalt in der Antarktis ungeeignet waren. Währenddessen hielt sich Scott zum Testen der Motorschlitten in Frankreich und Norwegen auf, wo er den Mechaniker Bernard Day (1884-1934), einen Experten für Verbrennungsmotoren, als weiteres Expeditionsmitglied anwarb.

 

Erstes Jahr in der Antarktis

Nachdem die Terra Nova Cardiff am 15. Juni 1910 verlassen hatte, erreichte sie nach einem Zwischenaufenthalt im südafrikanischen Simon's Town am 12. Oktober Melbourne. Dort verließ Scott das Schiff, um weitere finanzielle Unterstützung für die Expedition einzuwerben, während die Terra-Nova ihre Reise nach Neuseeland fortsetzte. Noch am selben Abend erhielt Scott ein besorgniserregendes Telegramm aus Madeira. Mit der kurzen Nachricht „Beg leave to inform you Fram proceeding Antarctic." (frei übersetzt: „Möchte Sie darüber informieren, dass die Fram zur Antarktis weiterfährt.") forderte ihn völlig überraschend der Norweger Roald Amundsen zum Wettlauf zum Südpol heraus. Der nach der Darstellung der Autorin Diana Preston „skrupellos ehrgeizige" Amundsen hatte kurzerhand und ohne die Öffentlichkeit zu informieren seine ursprünglichen Pläne einer Nordpol-Expedition geändert, nachdem im September 1909 die Nachricht um die Welt gegangen war, der Nordpol sei bereits (vermeintlich durch Frederick Cook oder Robert Edwin Peary) erreicht worden. Als die Presse ihn nach einer Reaktion auf Amundsens Herausforderung befragte, bekräftigte Scott, seine ursprünglichen Absichten nicht zu ändern. Er werde versuchen, zum Südpol zu gelangen, jedoch nicht zu Lasten der wissenschaftlichen Ziele seiner Expedition. So fuhren er und seine 64-köpfige Mannschaft mit 19 Ponys, 33 Hunden und drei Motorschlitten an Bord der Terra Nova am 29. November 1910 vom neuseeländischen Port Chalmers Richtung Süden.

Die Expedition hatte mit erheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Auf der Reise zum antarktischen Kontinent geriet die Terra Nova zunächst in schwere See, zahlreiche Expeditionsteilnehmer litten unter Seekrankheit, das Schiff drohte mit Meerwasser vollzulaufen, und auch die Tiere wurden in Mitleidenschaft gezogen. Am 7. Dezember stieß man bereits weit nördlich des südlichen Polarkreises in der Nähe der Scott-Insel auf erstes Packeis, welches das Schiff schließlich für 20 Tage gefangen hielt und die Ruderanlage beschädigte. Hierdurch verzögerte sich die Ankunft auf der Ross-Insel empfindlich, so dass nur wenig Zeit für die Vorbereitungsarbeiten bis zum antarktischen Winter verblieb. Schon während der Anlandung am Kap Evans im Januar 1911 verlor Scott den ersten Motorschlitten, nachdem dieser durch eine zu dünne Eisdecke gebrochen und im Meer versunken war. Schlechtes Wetter und die nur unzureichend an diese Bedingungen angepassten Ponys sorgten schließlich auch dafür, dass eines der wichtigsten Materialdepots für den Südpolmarsch rund 56 km weiter nördlich als ursprünglich geplant angelegt wurde. Scott hatte den Vorschlag des für die Ponys verantwortlichen Lawrence Oates abgelehnt, einen Teil der Tiere als Nahrungsvorrat zu töten und das sogenannte One Ton Depot auf eine südlichere Breite von 80° S vorzuverlegen. Oates soll zu Scott gesagt haben: „Sir, ich fürchte, Sie werden es noch bereuen, meinen Rat nicht anzunehmen." Sechs Pferde starben während des desaströsen Rückmarsches zum Basislager. Nach Ankunft auf der Hutpoint-Halbinsel Ende Februar 1911 erfuhr Scott, dass Amundsen sein Quartier etwa 680 km weiter östlich in der Bucht der Wale aufgeschlagen hatte.

Scott lehnte es dennoch ab, seinen Zeitplan zu ändern. „Der bessere und auch zugleich klügere Weg für uns ist, weiterzumachen, als wäre nichts geschehen." Ihm war bewusst, dass Amundsens Lager rund 110 km näher zum Südpol lag und die Norweger ausgewiesene Experten im Umgang mit Schlittenhunden waren. Er selbst hatte jedoch im Gegensatz zu seinem Kontrahenten den Vorteil, über eine bekannte Route zum Südpol vordringen zu wollen. Und so stieg Scotts Zuversicht im Verlauf des Winters 1911. Am 2. August notierte er nach Rückkehr einer dreiköpfigen Mannschaft vom erfolgreichen Wintermarsch zum Kap Crozier: „Ich bin sicher, dass wir so nah an der Vollkommenheit sind, wie sie nur die Erfahrung zulässt."

 

Marsch zum Südpol

Der Marsch zum Südpol begann am 1. November 1911. Scotts Tross setzte sich aus 16 Männern mit Motorschlitten, Hunden und Ponys für den Transport von Ausrüstung und Versorgungsgütern zusammen. Ihre Aufgabe bestand darin, einer Gruppe von vier Männern den Vorstoß zum Südpol zu ermöglichen. Scott hatte seine Pläne der gesamten Landungsmannschaft unterbreitet, ohne jedoch konkrete Aufgabenverteilungen vorzunehmen. Folglich war keinem seiner Begleiter bekannt, wer außer Scott zur Südpolgruppe gehören würde. Ferner übermittelte Scott - den Schilderungen einiger Expeditionsteilnehmer und der Darstellung der Mehrheit der Scott-Biographen folgend - im Verlauf des Marsches einige widersprüchliche Anweisungen an das Basislager. So blieb offenbar unklar, ob die zurückkehrenden Schlittenhundegespanne in erster Linie für spätere wissenschaftliche Erkundungsmärsche geschont oder gemäß einer bereits vorab durch Scott schriftlich abgefassten Verfügung zur Unterstützung der heimkehrenden Südpolgruppe verwendet werden sollten. Schlussendlich vermied es die Mannschaft am Kap Evans, mit den Hunden einen gezielten Vorstoß zur Rettung der in Not geratenen Südpolgruppe zu unternehmen.

Die Zahl der nach Süden marschierenden Expeditionsteilnehmer, die wegen widriger Wetterbedingungen und des frühzeitigen Ausfalls der Motorschlitten und Ponys nur langsam vorankamen, reduzierte sich nach und nach, weil einzelne Unterstützungsgruppen zum Basislager zurückkehrten. Am 3. Januar 1912 schließlich erreichten die letzten beiden Vierergruppen eine Breite von 87° 32′ S. Hier gab Scott seine Entscheidung bekannt, zu fünft statt zu viert, gemeinsam mit Edward Wilson, Lawrence Oates, Edgar Evans und Henry Bowers den Weg zum Südpol zu vollenden, während Thomas Crean, William Lashly und Scotts Stellvertreter Edward Evans ihre Hoffnungen aufgeben und zum Kap Evans umkehren mussten.
Den Südpol erreichten Scott und seine Männer schließlich am 18. Januar. Am Ziel stellten sie fest, dass Roald Amundsen und vier Begleiter bereits fünf Wochen zuvor dort eingetroffen waren. Seine verzweifelte Enttäuschung angesichts der Niederlage hielt Scott im Tagebuch fest: „Das Schlimmste ist eingetreten [...] Alle [meine] Träume sind dahin [...] Großer Gott! dies ist ein schrecklicher Ort [...]."

 

Tod auf dem Rückweg

Die ausgezehrten und an Erfrierungen leidenden Männer der Südpolgruppe machten sich am 19. Januar 1912 auf den 1300 km langen Rückweg zum Basislager am Kap Evans. Zwei Tage zuvor hatte Scott - bereits im Bewusstsein seiner Niederlage, jedoch noch in Unkenntnis über den Vorsprung Amundsens - die Hoffnung geäußert, den Norwegern den Sieg noch streitig machen zu können, als er in sein Tagebuch notierte: „Nun der Heimweg und ein verzweifelter Kampf, die Nachricht [vom Erreichen des Südpols] zuerst [vor Amundsen] durchzubringen. Ich frage mich, ob wir es schaffen können." Zunächst kamen sie trotz schlechten Wetters mit eisigen Temperaturen (laut Scotts Aufzeichnungen lagen diese bei bis zu -30 °F bzw. -34 °C) gut voran. Bereits am 7. Februar hatten sie 500 km zurückgelegt und begannen mit dem 160 km langen Abstieg über den Gletscher zum Ross-Schelfeis. Der Gesundheitszustand von Edgar Evans hatte sich jedoch laut Scotts Notizen seit dem 23. Januar rasch verschlechtert. Nach einem Sturz in eine Eisspalte am 4. Februar war Evans „ziemlich abgestumpft und unfähig." Am 17. Februar fiel Evans nach einem weiteren Sturz am Fuß des Gletschers ins Koma und starb noch am selben Tag vermutlich an einer Hirnverletzung. Zum Tod von Evans notierte Scott: „Es ist eine furchtbare Sache, auf diese Weise einen Kameraden zu verlieren, doch bei nüchterner Betrachtung hätte es angesichts der schrecklichen Sorgen der letzten Wochen kein besseres Ende geben können."

Vor den übrigen vier Männern lagen noch 670 km Wegstrecke über das Ross-Schelfeis, doch die Aussichten verschlechterten sich immer mehr. Geplagt von stürmischem Wetter mit sinkenden Temperaturen, schweren Erfrierungen, Schneeblindheit, Hunger und Erschöpfung kämpften sie sich nur noch langsam voran. Am 17. März setzte Lawrence Oates, der durch das Aufbrechen einer alten Beinverletzung und erfrorenen Füßen kaum mehr in der Lage war zu gehen, seinem Leben ein Ende. Während eines Blizzards verließ er das Zelt mit den Worten: „Ich gehe nur nach draußen und bleibe dort für eine Weile." Scott war zu diesem Zeitpunkt bereits bewusst, dass er, Wilson und Bowers ebenfalls nicht überleben würden, als er in sein Tagebuch schrieb: „[...] es war die Tat eines mutigen Mannes und eines englischen Gentleman. Wir alle hoffen, dem Ende mit gleicher Haltung zu begegnen, und das Ende ist sicherlich nicht [mehr] fern."

Scott, Wilson und Bowers schleppten sich noch 20 km weiter nach Norden, bis sie am 19. März ihr letztes Lager aufschlugen. Dieses lag nur 18 km südlich des wichtigen One Ton Depot, dessen ursprünglich weiter südlich vorgesehene Position die Männer bereits um 38 km überschritten hatten. Ein anhaltender Schneesturm hielt sie jedoch im Zelt gefangen. In den verbleibenden Tagen, als die restlichen Nahrungs- und Brennstoffvorräte zur Neige gingen, nahm Scott die letzten Einträge in sein Tagebuch vor. Die Aufzeichnungen enden am 29. März 1912 mit den Worten: „Letzter Eintrag. Um Gottes Willen, kümmert Euch um unsere Leute."

Scott hinterließ eine Reihe von Abschiedsbriefen an Edward Wilsons Frau, an die Mutter von Henry Bowers, an einige seiner Freunde und seine Vorgesetzten bei der Royal Navy, sowie an seine Mutter Hannah und seine Frau Kathleen. Er verfasste zudem die „Nachricht an die Öffentlichkeit", die in erster Linie eine Rechtfertigung für Organisation und Leitung der Expedition war und in der Scott die Wetterbedingungen und andere unglückliche Umstände für das katastrophale Scheitern seines Südpolmarsches verantwortlich machte. Der Text endet in einer für Scott typischen, pathetischen Anmerkung:

„Wir haben Risiken auf uns genommen, [und] wir wussten, dass wir sie auf uns nahmen; die Dinge haben sich gegen uns gewendet, und deshalb gibt es keinen Grund zur Klage für uns, stattdessen sich dem Schicksal zu fügen und die Pflicht zu erfüllen, bis zum Ende das Beste zu tun. [...] Hätten wir gelebt [überlebt], hätte ich eine Geschichte zu erzählen über Kühnheit, Ausdauer und Mut meiner Kameraden, die das Herz eines jeden Engländers rühren würde. Diese wenigen Zeilen und unsere toten Körper müssen [nun] die Geschichte erzählen, doch sicher, sicher wird unser großes und reiches Vaterland darauf achten, dass die auf uns Angewiesenen in ausreichendem Maß versorgt sind."

Man nimmt an, dass Scott als letzter der drei Männer am Tag seines letzten Tagebucheintrags oder kurz darauf verstarb. Ein Suchtrupp stieß am 12. November 1912 auf das letzte Lager der Südpolgruppe. Scotts Leichnam wurde so angetroffen, dass ein Arm um Wilson geschlungen war. Die drei toten Männer wurden mit der äußeren Zeltplane bedeckt und über ihnen ein hoher Schneehügel errichtet, der von zwei aufgerichteten Transportschlitten flankiert wurde und auf dessen Spitze ein aus Skibrettern angefertigtes Holzkreuz stand.

Das Grab von Scott, Wilson und Bowers liegt heute unter Eis, und die Position ist nur ungefähr bekannt.

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