Flechtbänder (1)

Das Formenzeichnen schult und zeigt zugleich die Formkräfte des Kindes. In der Waldorfpädagogik wird das Formenzeichnen die ersten 4 Schuljahre systematisch gepflegt, geht im 5. Jahr in die Freihandgeometrie über und mündet schließlich in der normalen Geometrie mit Zirkel und Lineal.

Das Formenzeichnen gestaltet die einzelnen Formen aus der kontrollierten Bewegung und dem Schwung der Zeichenhand. Die Linien sollen nicht gestrichelt werden, sondern entstehen aus dem Fluss der sich immer neu wiederholenden Bewegung. Farbintensität und die Breite der Linie ergeben sich im besten Fall aus dem gleichmäßigen Nachfahren der Formen.

In der 4. Klasse kommt mit den Flechtbändern ein neues Element in das Formenzeichnen. Das Drunter und Drüber der Linien muss beachtet werden. Der Schwung wird in regelmäßiger Form unterbrochen, um immer wieder erneut aufgenommen zu werden. Man kann sich nicht einfach mehr dem reinen Genuss der Bewegung überlassen, sondern hinzu kommt ein Bewusstseinsmoment: das Einhalten an der richtigen Stelle. Fährt man die Linie entlang, so wechselt das Drunter und Drüber ganz regelmäßig ab. Äußerst befriedigend ist es für die Kinder zu bemerken, dass dies bei geschlossenen Formen am Ende immer aufgeht. Wenn nicht, so hat man irgendwo selbst den Fehler gemacht.

Bei den Flechtbändern wird also in das schöne Träumen der Bewegung das Element des Aufwachens gleichsam eingeflochten. Diese Qualität trifft genau die innere Entwicklungssituation des 9 - 10 jährigen Kindes. In der Waldorfpädagogik bezeichnet man den Entwicklungssprung, den die Kinderseele in diesem Alter vollbringt, mit dem Begriff des Rubikons. Das Verhältnis von Welt und ICH wird vom Kind von nun ab in ganz neuer Weise empfunden. Näheres dazu finden Sie im Waldorf-Ideen-Pool unter der Kategorie: Kindesentwicklung.

Geschichtlich tauchen die Flechtbänder in zahlreichen Variationen bei den Kelten, aber natürlich auch an vielen Kathedralen und Kirchen auf.

Die untere Galerie zeigt Flechtbänder aus einer 4. Klasse an der Freien Waldorfschule am Kräherwald (Stuttgart). Einige dieser Formen wurden der Formenzeichnenreihe von Rudolf Kutzli entnommen (Ein Übungsweg in 12 Folgen: Band 4). Die Galerie soll jedoch nicht als geschlossen verstanden werden. Schön wäre es, wenn die gelungenen Formen auch Ihrer Kinder hier eingefügt werden könnten. Setzten Sie sich doch bitte über das Kontaktformular mit dem Waldorf-Ideen-Pool dazu in Verbindung.

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