Biographie verfassen (Kl. 8)

Thema und Verlauf

Jeder Schüler der 8. Klasse bekam in einer Deutschepoche die Aufgabe, einen älteren Menschen (60 Jahre und drüber) auszuwählen, der schon auf einen großen Abschnitt seines Lebens zurückschauen kann. Es war durchaus von Vorteil, wenn die Entfernung zu diesem Menschen so war, dass man ihn unschwer öfters besuchen konnte. Viele meiner Schüler suchten sich die Oma oder den Opa aus, aber auch andere Menschen aus der Umgebung waren möglich.

Nachdem diese ihre Bereitschaft zu diesem Projekt bekundet haben, sollten die Schüler mit ihnen ins Gespräch kommen: Es sollten insgesamt 10 erlebnisgesättigte Begebenheiten aus dem Leben dieses älteren Menschen beschrieben werden. Gut war es, wenn die ausgewählten Stationen aus ganz verschiedenen Lebensphasen stammten: Kindheit, Jugend, erste Liebe, Hochzeit, Kinder, Arbeit, Freizeit, Alter ….

Mit Papier und Bleistift machten sich die Schüler Stichpunkte zu den Erlebnissen. Man traf sich mehrmals, um jeweils 1 – 3 Stationen durchzusprechen. In der Klasse wurde zuvor besprochen, worauf es bei einem solchen Interview ankam. Wichtig war es, dass die Kernhandlung des Erlebnisses klar und pointiert herausgearbeitet wurde. Neben der Kernhandlung sollte allerdings ebenfalls der Umraum, d.h. weitläufige Umstände, die zum Erlebnis führten, Umgebung, begleitende Ereignisse, Personenkreis, Gewohnheiten usw. beschrieben werden.

Es sollte in der Ich-Form erzählt werden, damit die Eindrücke ganz erlebnisdurchtränkt waren. Je nach Temperament der älteren Person war der Schüler aufgerufen, genauer nachzufragen oder zu bremsen. Es sollten eben Stichpunkte gemacht werden. Das war eine große Herausforderung. Die Schüler verbanden sich aber sehr mit den Erlebnissen und es war im Nachhinein interessant von den Eltern zu hören, wie intensiv dieses „Arbeitsverhältnis“ zwischen Schüler und älterer Person war.

Das Interview zu führen war Hausaufgabe. Die Schüler brachten dann die Stichpunkte mit zur Schule und hier sollte im Unterricht die Formulierung des eigentlichen Textes entstehen. Immer wieder wurde vorgelesen und dann besprochen, ob das Erlebnis mit einer entsprechenden Einleitung gut plastisch im Raume steht.

Zum Schluss wurde es sauber abgeschrieben, wenn möglich mit Fotos ergänzt und schließlich wurden im Malunterricht die 10 biographischen Skizzen in einfacher Form zu einem Buch gebunden. Ein Großteil der 8. Klasse erledigte diese Herausforderung mit Hingabe und zusätzlichem Eifer.

 

 

Ergebnis einer Schülerin

Biografie von Gisela R. geboren am 23.07.1942 in Hasengrund, Kr. Kalisch, geschrieben von der Enkelin Maria Koch, 8. Klasse

 

MEINE EINSCHULUNG

Im Jahre 1949 war eine arme und harte Zeit, aber dennoch ein schönes Leben. Ich lebte mit meiner ganzen Familie unter einem Dach in einem schönen und ruhigen Dorf, es heißt Ostrau. Dort wurde ich, Gisela Richtscheid, 1949 eingeschult. Die ganzen Tage vorher war ich schon aufgeregt und zappelig, denn es ging endlich in die Schule und ich musste ja unbedingt wissen, was sich dahinter verbirgt. Aber am meisten freute ich mich natürlich auf die Zuckertüte. Als ich sie endlich nach vieler Geduld hatte, war ich selig. Es gab eigentlich immer nur eine kleine, die mit ein paar Plätzchen gefüllt wurde. Ach und am Ende steckte noch ein dicker saftiger Apfel, damit man sie auch hinstellen konnte. Ich freute mich sehr, weil sonst gab es kaum etwas oder manchmal etwas Kleines, was man vielleicht noch mit anderen Geschwistern teilen musste. Es war nicht so wie heute, wo man mal so nebenbei etwas bekam. Meine Mutter gab sich die ganzen Tage noch Mühe, mir am ersten Tag ein schönes neues Kleid aus zwei alten zu nähen. Als es nach vieler Arbeit fertig war, durfte ich es probieren und...? es passte. Ich ging also fröhlich in die Schule mit meinem Ranzen und einer kleinen Tafel mit einem Stück Kreide. Bei uns gab es kein Fest. Es war nicht üblich, dass man die Einschulung feierte. Die Kinder in der Klasse kannte ich schon alle aus unserem Dorf vom Spielen, also wusste ich schon neben wem ich sitzen möchte. Und unser Lehrer war echt nett. Manchmal nahm ich sogar einfach meinen kleinen Cousin mit in die Schule und mein Lehrer sagte nichts dazu. Es war echt toll, Lesen und Schreiben zu lernen.

 

DIE PUPPE

Endlich stand Weihnachten vor der Tür, und ich wünschte mir so sehr nur eine einzige Puppe, in Gottes Namen, eine Puppe zum Spielen. Ich wünschte mir deswegen so sehr eine Puppe, weil ich noch nie in meinem Kindsein eine hatte.

Ich fand, zu Weihnachten war ein guter Anlass mir eine zu wünschen. Die ganzen Tage vorher nervte ich meine Eltern schon mit meinem Wunsch und ob das Christkind mir auch ja eine schenken würde. Bald hielt ich es nicht mehr aus. Aber dann nach sehr langem Warten war es endlich mit viel Aufregung und Freude im Gesicht so weit.

Als der besagte von allen erwartete spannende Moment kam, klopfte es lautstark und lang an unsere weihnachtsbeschmückte Haustür. Es war das Christkind, das unsere Geschenke ablegte und ganz still und leise verschwand. Keiner hat es je gesehen. Voller Aufregung öffneten wir die Tür und jeder bekam sein Päckchen, welches mit buntem Papier eingepackt war. Meins öffnete ich natürlich in Windeseile und da flogen schon die Papierfetzen. Mit einem strahlenden Gesichtsausdruck sagte ich zu mir leise: „… eine Puppe.“ Die Freude war in mir sehr groß und als ich mein zweites Päckchen öffnete, stieg sie noch höher - für meine Puppe eine selbst aus Holz geschnitzte Wiege. Ich fing gleich an zu spielen und vergas dabei fast das Zubettgehen.

Meine Puppe hatte wunderschöne lange schwarze Haare und ein sehr freundliches Lächeln spiegelte sich auf ihrem Gesicht. Die Weihnachtsferien vergingen in den letzten Tagen für mich jetzt sehr schnell. In der Schule erzählten alle, was sie zu Weihnachten bekommen hatten, da hörte man so einiges von den Kinder, auch ich erzählte mit viel stolz von meiner Puppe. Gleich verabredete ich mich mit meiner Freundin zum gemeinsamen Spielen am Nachmittag. Doch da passierte etwas Schlimmes. Zuerst durfte meine Freundin die Puppe nur ansehen, ich wollte sie ihr nicht zum Spielen geben. Doch sie bettelte so lange, bis ich nachgab. Beim An- und Ausziehen meiner Puppe rutschte sie ihr - die Puppe war aus Porzellan - aus der Hand und sie fiel auf unseren kalten Steinboden und ging in tausend Scherben zu Bruch. Meine Freundin war so erschrocken und lief gleich weg. Ich wusste nicht wohin. Ich konnte es einfach nicht glauben, viele Tränen flossen von meinem Gesicht herab und ich wusste schon, eine Neue würde es nicht mehr geben. Nach langer Zeit fand ich mich damit ab, vergessen kann ich dieses Ereignis bis heute nicht.

 

EIN ERLEBNIS IN DER GRUNDSCHULE

Ich kann mich in meiner Grundschulzeit noch an ein besonderes Erlebnis erinnern, wo ich heute noch darüber lachen muss, wenn ich es auf den Tisch bringe. Es war an einem ganz normalen Sommertag. Wir schwitzten schon so, dass wir fast gar nichts mehr vom Unterricht mitbekamen. Den Lehrer mochte ich nicht besonders. Ich atmete schwer auf und dachte mir, irgendwann muss es doch zur Pause klingeln. Es kam nicht und mir vielen schon langsam die Augen zu.

Plötzlich, ganz unerwartet als ich die Pause schon wieder vergaß, hörte ich in meinen kleinen süßen Ohren ein Klingeln. Mit einem fröhlichen Lächeln auf den Lippen packte ich meine Sachen ein, nahm mein Pausenbrot und ging mit meinen Freunden zur Pause, um ein wenig abzuschalten. Unser Hof war nicht gerade sehr riesig, aber er reichte für die paar Klassen vollkommen aus. An der Seite standen drei Plumpsklos mit einer jeweils knacksenden Tür. Dahinter sammelte sich der Kot in einer kleinen Grube, die mit Brettern überdeckt war.

Es dauerte auch nicht mehr lange und das Necken der Mädchen von den Jungs ging wie fast jede Pause los. Eine aus meiner Klasse ärgerten sie ganz besonders, weil sie sich immer so schön aufregte. Ein Junge versuchte sie zu fangen und sie versuchte ihn abzuhängen, aber ich glaube, das hatte sie geschafft, denn sie rannte ohne auf den Boden zu schauen über die Bretter am Plumpsklo. Leider wusste keiner, dass die Bretter alt und morsch waren und mit einem lauten Krachen war sie weg. Sie stürzte in den stinkenden Kot von ihren Schülern und Lehrern. Bis zur Brust stak sie darin, vor Schreck und Ekel schrie sie wie wild herum. Der Junge war natürlich zu feige sie daraus zu hohlen. Alle schrieen nun nach dem Lehrer. „Oh Gott, was ist denn hier passiert?“, fragt er. Nach kurzem Nachdenken stieg unser Lehrer hinein und half ihr heraus. Nun waren alle beide voll Scheiße und stanken erbärmlich. Vor lauter Lachen tat mir und allen anderen Kindern schon der Bauch weh.

 

DER BAUERNKÄSE

Als ich so ungefähr in der 7. Klasse war, machten wir mit ein paar höheren Klassen an einem wahnsinnig heißen Tag einen Schulausflug ins Gebirge. Es waren echt alle aufgeregt an diesem Tag, weil es so etwas nicht immer gab. Am Anfang liefen und liefen wir und sangen dabei ein paar schöne Lieder, denn wir brauchten mal ein bisschen Abwechslung. Unser Lehrer war sehr dick und aß sehr viel, selbst die Schulschnitten, die die Kinder nicht mehr mochten. Unser Vesperbrot mussten alle selbst mitbringen. Die meisten hatten sehr viel Bauernkäse auf den Schnitten, aber es gab auch welche, die eine schöne saftige Wurstscheibe auf ihren Broten hatten.

Alle atmeten schon auf, denn es war so heiß und wir beschlossen endlich nach langem und anstrengendem Wandern eine hoffentlich lange Pause zu machen. Zuerst kaufte ich mir eine schöne kalte rotgelbe Limonade, die ich gleich gierig austrank. Die meisten verschlangen und knabberten schon an ihren Broten wie wild. Einen Jungen nervte es immer nur Bauernkäse auf der Schnitte zu haben, auch diesmal wieder. Er klappte die Schnitte mit einem wütenden Blick auf und schmiss sie plötzlich auf den Boden und murmelte irgendetwas, was aber keiner verstand. Voller Verblüffen hob er sie auf und klappte sie nochmals auseinander und was sah er im Bauernkäse - ein paar Maden. Die Vorstellung, dass er sie gegessen hätte, wenn er nicht hinein geguckt hätte, ekelte ihn so sehr, dass er Gänsehaut bekam.

Als es fast alle gesehen hatten, wollte er sie auf dem schnellsten Weg wegschmeißen und da kam ihm ein ganz fieser Gedanke. Er ging zu unserem Lehrer, der nichts von dem mitbekommen hatte und bot ihm die Schnitte ganz freundlich an, wie immer nahm er sie, bedankte sich und biss mit viel Vergnügen hinein. Fast alle versuchten sich das Lachen zu verkneifen, aber es ging nicht und so wurde das Gelächter immer lauter. An dieses Erlebnis muss ich immer wieder denken, wenn ich Bauernkäse esse.

 

MEINE FREIZEIT

In meiner Freizeit habe ich gern und viel gelesen, ich hatte schon unsere ganze Schulbücherei durchgelesen und die Bücher für die Erwachsenen wollte die Bibliothekarin mir nicht geben. Selbst in unserem alten großen Kleiderschrank habe ich mich versteckt und mit einer Taschenlampe gelesen, weil das Buch doch so spannend war und meine große Schwester mich nicht finden sollte, da sich doch in der Küche die Abwaschberge sammelten. Einen Fernseher hatten wir nicht. Den haben meine Eltern erst 1960 gekauft. Ich habe im Chor gesungen, das hat mir besonders viel Spaß und Freude gemacht, vor allem weil ich dann mit vielen meiner Freunde zusammen sein konnte.

Mit den Dorfmädchen bin ich auch gern mal abends ab und zu ausgegangen. Es gab damals oft Dorffeste, die meistens im Winter gefeiert wurden, da hatten die Landarbeiter viel Zeit. Gern erinnere ich mich an den Maskenball. Da gab es immer viel Spaß. Wir versuchten immer zu erkennen, wer sich hinter den Masken versteckte und wenn wir nicht richtig geraten hatten, gab es natürlich viel Gelächter. Es waren sehr schöne Kostüme dabei, fast alle wurden selbst geschneidert.

Zu Pfingsten war Ringreiten und es begann immer mit einem Umzug durch das ganze Dorf. Vorn die Reiter mit geschmückten Pferden, dahinter die Ehrenjungfrauen in schönen weißen Kleidern und einem Kranz über der Schulter. Dann schlossen sich viele Kutschen an, die meisten sehr lustig zurecht gemacht. Zum Schluss kamen die Handwerker, Schmiede, Tischler, Sattler und Bäcker. Alle in ihrer Arbeitstracht. Das ganze Dorf war in Bewegung. Der Festumzug ging bis zum Sportplatz, wo dann der Wettkampf mit den Pferden stattfand. Unter vielen Zurufen wurden die Reiter angefeuert, doch die Pferde fanden den Lärm nicht so gut. Die Sieger mussten natürlich am Abend zum Tanz allen Reitern und Ehrenjungfrauen ein Bier oder Schnaps ausgeben. Anschließend wurde bis in die Nacht getanzt.

 

MEINE LEHRE

Nach dem Abschluss der 10. Klasse fing ich im September 1958 eine Lehre als Industriekauffrau in der Stadtwirtschaft an. Es war nicht gerade mein Traumjob. Ich wäre viel lieber Krankenschwester oder Kindergärtnerin geworden, aber ich fand keine Lehrstelle.

Als Lehrling musste ich alle Abteilungen durchlaufen, vom Sekretariat bis zur Buchhaltung. Das Archiv war für mich das Schlimmste. Dort lagen Berge von Akten die geordnet und abgerechnet werden mussten. Mir kam es vor, als ob der ganze Papierkram extra für mich gesammelt worden wäre. Das war eine stinklangweilige Arbeit für mich, aber da musste ich durch. Mit der Zeit wurde der Berg kleiner und kleiner, ich freute mich schon auf die nächste Abteilung. Schlimmer konnte es ja nicht mehr kommen. Später wurde die Handarbeit durch Buchungsautomaten erleichtert.

Nach Abschluss der Lehre arbeitete ich als Lohnbuchhalterin. Die Arbeitsstelle wechselte ich noch öfter durch Umzüge, aber der Lohnbuchhaltung blieb ich treu bis zu meinem Rentenalter.

 

POLTERABEND

An unserem Polterabend, den wir zwei Tage vor unserer Hochzeit feierten, gab es sehr viel Arbeit. Wir feierten nicht nur eine Hochzeit – es war gleich eine Doppelhochzeit. Meine ältere Schwester Elisabeth und ich feierten zur gleichen Zeit dieses Ereignis. Also hatten wir eine große Anzahl von Gästen zu erwarten und es mussten viele Kuchen gebacken werden, wo meine Mutter noch in voller Aufregung in unseren Lieblings-Käsekuchen Zucker mit Salz verwechselte. Gleich liefen Tränen vom Gesicht herab, aber man konnte halt nichts mehr ändern. Platten mit Wurst und Käse mussten hergestellt und verziert werden. Vor lauter Arbeit wusste ich gar nicht, was ich zuerst machen sollte.

Die Feier fand in unserm Haus statt. Es kamen so viele Gäste, dass kein Platz mehr im Haus zum Essen war, also wechselten wir uns beim Essen ab. Freunde, Arbeitskollegen und Bekannte fand man in den Massen wieder. Mein Mann spielte im Fußballverein und natürlich kamen alle seine Mitspieler und von meiner Schwester der Mann sang im Chor, die auch alle kamen und so war das Haus mit ca. 60 Personen bis zur Randspitze voll. Mittlerweile versammelten sich viele im Hof, um die Sterne zu beobachten oder sich bei einer Sternschnuppe etwas ganz Besonderes zu wünschen. Ein paar Übermütige, die sich einen Geck erlaubten, bauten spät in der Nacht unseren alten großen Handwagen in einzelne Teile auseinander und auf dem Garagentor wieder zusammen, welches wir aber erst am nächsten Morgen mitbekamen als es schon hell war. Wie sie es gemacht haben, wissen wir bis heute nicht.

Den ganzen Abend lief das Bier in Strömen und wir feierten lustig bis in denn nächsten Tag hinein. Am anderen Morgen gab es sehr viel zum Saubermachen, vor allen Dingen die zerbrochenen Teller vor unserer Tür. Meine Arbeitskollegin ist extra noch mit ihrem Mann nach Lettin gefahren, um dort in einer Porzellanfabrik wertloses Porzellan zu kaufen, damit sie auch richtig laut vor unserer Haustür poltern konnten. Es war so viel wie ein kleines Auto voll. Natürlich gab es sehr viel Gelächter und es war ein sehr lustiger und gelungener Abend.

 

DIE HOCHZEIT

Unser Tag begann mit viel Aufregung, denn heute stand endlich die Hochzeit vor der Tür. Es war eine kirchliche Trauung, die um 14:00 Uhr in der Kirche von Ostrau stattfand. Wir wohnten gleich in der Nähe. Die Hochzeit war sehr feierlich, nicht so lustig und locker wie der Polterabend.

Mein Hochzeitskleid ließen wir extra bei einer Schneiderin nach Maß schneidern. Denn früher war es sehr schwierig und teuer ein fertiges Kleid zu bekommen. Bei den Hochzeitsringen war es noch viel schlimmer, eine ganze Zeit fanden wir überhaupt nichts in den Geschäften – nichts gefiel uns und ich wusste langsam echt nicht mehr, wo mir der Kopf stand. Nach langem Ausschauhalten kaufte mein Mann endlich zwei schöne Ringe. Ganz schwierig bekamen wir den Tischschmuck und die Blumen für die Hochzeit. Aber am Essen und Trinken fehlte es überhaupt nicht, wir ließen ein schönes fettes Schwein von uns schlachten, für diesen einmaligen hohen Anlass.

Wir hatten eine riesige Familie und bei einer Doppelhochzeit kamen schnell so 90 Personen zusammen, die wir einluden. Wir versammelten uns vor dem Haus, der andere Teil wartete schon an der Kirche. Mit der ganzen Horde liefen wir ein großes Stück durchs Dorf zur Kirche, die wir aber bald erreichten. Zum Feiern ging es anschließend zum Ostrauer Schloss, ins ehemalige Jagdzimmer des Barons Hans Hasso von Feldheim. Dort gab es dann für alle, denen es schon im Magen knurrte, Essen und Trinken. Dabei spielte eine Kapelle, die die Gäste zum Tanz anzog.

Um Mitternacht wurde dann der Brautschleier abgetanzt. Als es sich langsam für die ältere Generation zum Ende neigte, fing es erst für die Jungen richtig an und so feierten wir noch mit viel Gelächter bis um vier in den nächsten Tag hinein. Es war ein toller Tag. Ab da hieß ich nicht mehr Gisela Gerle, sondern Gisela Richtscheid.

 

MEIN LANGER WEG IN DIE NEUBAUWOHNUNG

Es war früher so, dass man erst bei den Eltern ausgezogen ist, wenn man verheiratet war. Eine Wohnung zu bekommen war damals sehr schwer. Selbst als ich schon verheiratet war, wohnte ich noch mit meinem Mann bei meinen Eltern in einem Mietshaus. Wir mussten mit unserem Baby in einer 8 m² Speisekammer schlafen, da auch meine große Schwester mit ihrem Mann noch hier wohnte.

Ich hatte noch nie eine eigene Wohnung gehabt, wo ich machen konnte, was ich wollte. Mein größter Wunsch war weg vom Dorf und in die Stadt ziehen, in eine Neubauwohnung. Wir bemühten uns eine ganze Zeit um eine Wohnung, schrieben Anträge und was wurde uns dann gesagt: „ Es stehen zu viele Anträge an, Sie müssen 9 Jahre warten.“ Der Schock war groß, 9 Jahre warten. Denn in der DDR herrschte damals Wohnungsnot. Nun lebten wir weiter in der sozusagen kleinen Speisekammer.

Dann wurde zufällig, ganz unerwartet über uns eine kleine gemütliche Wohnung frei. Ganz schnell stellten wir bei der LPG, dem Vermieter, einen Antrag für diese Wohnung. Die wir aber auch - Gott sei Dank - bekamen. Dort lebten wir die erste Zeit. Unser Wunsch war nach wie vor eine zentralbeheizte Neubauwohnung. Auch der Betrieb meines Mannes kümmerte sich um eine Neubauwohnung, aber leider vergeblich. Der Betrieb schaffte es nur soweit, dass wir fürs erste in einer Teilwohnung unterkamen. Also zogen wir 1970 in diese Wohnung. Es war ein sehr schönes altes Haus, ich dachte mir auch manchmal schade, dass nie etwas an diesem Haus gemacht wurde.

In dieser Teilwohnung mussten wir uns mit einer jungen Frau Bad, Küche und Flur teilen. Wir hatten echt so ein Glück, dass wir uns mit dieser Frau so gut verstanden. Dort wohnten wir nun ungefähr 4 Jahre. 1974 war es endlich soweit, wir wollten auf dem schnellsten Weg in die Neubauwohnung. Denn dort hatten wir wenigstens eine Heizung und brauchten nun nicht mehr die alten Kachelöfen heizen und wir hatten endlich warmes Wasser aus dem Wasserhahn. Kein mühseliges Wasser auf dem Herd warm machen.

Die Neubauwohnung war klein, aber dennoch recht gemütlich. Wir fühlten uns 25 Jahre wohl und nach der Wende merkten wir, dass es noch etwas Besseres gibt - ein eigenes Haus.

 

EIN NEUES HEIM UND FAMILIENZUWACHS

Unser Wunsch war es, schon immer ein eigenes Haus zu haben, und nach der Wende konnten wir uns diesen Wunsch erfüllen. Es musste ein großes Haus sein, denn die ganze Familie wollte mit hinein - eine Firma, ein Lagerplatz, Büros und eine Werkstatt. Wir fanden das geeignete Objekt, aber als wir es zusammen besichtigten, sah es sehr heruntergekommen und alt aus. Dort musste viel gemacht werden.

Nach vielen Überlegungen, Planungen und Besprechungen wagten wir uns an das Haus und kauften es. Für uns wäre es zu viel Arbeit geworden, fast alles allein zu machen und so mussten Baufirmen heran. Es musste viel abgerissen und umgebaut werden, damit es für unsere Zwecke gut passte. Nach 7 Monaten langer Arbeit zogen wir hinein. Es gab aber noch sehr viele Kleinigkeiten, die wir selbst in die Hand nahmen.

Noch während der Bauphase liefen uns zwei kleine süße Katzenjungen zu. Die eine ganz schwarz und die andere ganz gestreift, wie ein Tigerchen. Weil es so kalt draußen war und die zwei kleinen jungen Katzen wie wild um sich miauten, nahmen wir sie mit hinein ins Haus, wo wir sie in einen Karton mit weichen Decken an die Heizung stellten. Wir fragten in der Gegend nach, ob jemand zwei kleine Katzen vermisste, aber keinem gehörten sie und so nahmen wir sie mit viel Liebe in unsere große Familie auf. Wir kauften ihnen alles, was sie noch benötigten wie ein Körbchen und Essen. Natürlich waren meine Enkelkinder Janina und Maria verrückt nach den kleinen Miezen und die beiden durften sich untereinander einigen, wer welche Katze bekam. Nun hatte jeder ein eigenes Tier zur Pflege.

Eine ganze Weile konnten die beiden sich nicht einigen wegen dem Namen. Aber dann wurden es Minki und Mikesch. Ein halbes Jahr später kam dann noch ein Hund dazu. Plötzlich bellte es in unserem Hof, man hatte uns einfach einen Hund ans Haus gebunden. Weil wir sehr tierfreundlich sind, nahmen wir in auch mit auf.

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