Torfstechen

1910-1972

Vor gut 70 Jahren kannte man hier noch keine Kohlen zum Heizen. Die mei­sten Leute waren auf Torf angewiesen. Wer selbst keine Vennparzelle hatte, der pachtete sich eine Parzelle entweder von der Gemeinde oder von jemand anders zum Torfstechen. Das Venn war damals sehr groß, so dass genügend Moor zum Torfstechen da war. Ja, die Gewinnung von Torf erforderte viel Arbeit.  Zwischen Säen und Mähen, wie man wohl sagte, das war die Zeit um Pfingsten herum, wo auch die Kinder Ferien hatten ("Torfferien"), dann wur­de Torf gestochen. Eine kräftige Mannsperson musste den Torf stechen. Er ge­brauchte dazu einen langen, spitzen Spaten ("Torfspoan"). Der Spaten hatte eine Länge von 50 cm und hatte oben einen Durchmesser von 10-12 cm und lief nach unten spitz zu. Der Stiel hatte die normale Größe wie an einem gewöhn­lichen Spaten. Schon frühmorgens ging es dann los zum Venn. Wir mussten zunächst für den ganzen Tag das Essen mitnehmen, denn der Weg war sehr weit, so dass, um zu Hause zu essen, und auch Essen zu bringen keine Zeit übrig war. Meistens waren es zwei bis drei Personen von jedem Haus. Es gab Butterbrote und kalten Buchweizen-Pfannekuchen.  Für den Pfannekuchen gab es auch noch Butter mit, auch für jeden ein paar gekochte Eier. Alles wurde in einen großen Korb gepackt. Als Getränke wurden mitgenommen gekochte Milch und Kaffee. Die Milch kam in eine "Dübbe", ein emailliertes rundes Gefäß mit Deckel. Der Kaffee kam in Blechbüchsen, die oben spitz zulie­fen; dann kam ein guter Verschluss darauf, so ungefähr wie bei einer Bier­flasche. Man konnte die "Koffiebüßken", wie wir in plattdeutsch sagten, auch an einem Band über der Schulter tragen. Es waren unten einige Ösen daran, wodurch die Schnur kam.

Ja, das Schleppen mit dem Essen war schon eine Mühsal, alles musste zu Fuß abgemacht werden. Am ersten Tag mussten wir auch die Geräte wie Torfspaten, Tarfgrepe und Schuppe noch mitschleppen.  Für die anderen Tage wurden die Geräte abends im Venn gelassen, denn Stehlen stand damals nach nicht auf der Tagesliste, waren wir an Ort und Stelle angelangt, so ging die Arbeit los. Essen und Trinken wurden unter einer Birke in den Schatten gestellt. Der Vater oder der Knecht machten nun den Torf frei.  Obenauf wurde eine handbreit tiefe Schicht mit der Schuppe heruntergestochen. Er hatte eine Stelle von etlichen Metern freigemacht.  Obenauf saß der weiße Torf, wie ihn die Leute nannten, er war aber braun. Es war ein leichter Torf. Unten tiefer saß der schwarze Torf, der beste. Er konnte, wenn er trocken war, mitunter nicht zerschlagen werden. Der weiße Torf war hauptsächlich geeignet zum Anmachen von Herd und Herdfeuer. Nun wurde mit dem Torfspaten in einer Breite von 25-30 cm einige Meter durchstochen der Länge nach, dann abermals quer durchstochen in Breite van 10-15 cm, und immer so tief wie der Torfspaten lang war. Dieser fertige Streifen wurde Bank genannt. Jetzt wurde der Torf einzeln mit dem Spaten ausgehoben. Er hatte nun eine ziegelförmige Form. Es wurden jedesmal zwei Torfe der Länge nach an den Rand der Torfkuhle ge­setzt. Dieser Torf musste nun abgetragen werden auf eine andere freie Stelle. Das Torfabtragen wurde mit einer Torfgrepe gemacht. Die Torfgrepe war ähn­lich wie eine Harke. Der Harkenbalken hatte eine Länge so von 30 cm und war mit fünf langen eisernen Zinken versehen, so dick wie ein kleiner Finger und so 25 cm lang. Der Stiel war wie an der Harke. Nach unten hin war er aufgeschlitzt, und jedes Ende verlief in den Harkenbalken. Oben in der Schlitzung war ein Holzstück quer angebracht, was man gut mit der Hand um­fassen konnte. Nun machte man folgendes zum Abtragen des Torfes: Man nahm die Grepe, fasste mit der rechten Hand den oberen Stiel und mit der linken Hand das Querstück. Nun schlug man ohne Mühe die Zinken in den untersten Torf    (es lagen ja immer zwei Torfe aufeinander) und trug diese zwei Torfe an die gewünschte Stelle. Beim Abtragen trug man immer wie von selbst die Grepe mit dem Torf von der Seite aus. An Ort und Stelle angelangt, schlug man mit dem rechten Bein unten an die Harke; so löste sich der Torf. Als wir älter wurden,  13 bis 14 Jahre, musste ein Kind es alleine schaffen. Ja es war für alle, die im Venn arbeiteten, eine schwere Arbeit, weil alles doch eine nasse Masse war.

Der Torf wurde reihenweise hingelegt, aber immer nur zwei Torfe aufeinan­der.  So ging es den ganzen Tag durch. Es ging fast immer im Trab.  Ja, man musste doch mit dem Torfstecher standhalten, das heißt, er musste reine Bahn haben, sonst wusste er ja nicht, wo er den Torf hinlegen sollte. Wenn es Zeit zum Essen war, wurde eine kleine Pause gemacht. Im Mittag hatten wir eine Stunde frei. Wir kamen dann wohl für eine kurze Plauderei mit unseren Nach­barn zusammen. Wir Kinder besuchten uns gegenseitig. Um vier Uhr war Kaffeepause. Gegen acht Uhr wurde Schluss gemacht. Dann traten wir müde und abgespannt den Heimweg an. Es waren ja auch wohl so durchschnittlich 3000 Torfe gestochen worden.  So ging es wohl acht bis vierzehn Tage weiter, überhaupt bei den Leuten, die nun ganz auf Torf angewiesen waren.

Nach ein paar Wochen musste der Torf umgesetzt werden.  Dann kam der un­terste Torf nach oben. Wenn er nun gut angetrocknet war, kam der Torf kreuzweise übereinander, aber jedesmal nur zwei Torfe. Man nannte dies "Krüsstucken". Später, noch vor der Heuernte, wurde er an kleine runde spitze Haufen gepackt, in der Größe eines kleinen Bierfasses. Man nannte sie "Tunnen". So ca.  20 Torfe wurden hohl aneinandergelegt, dass der Wind gut hindurch konnte. Es verging wieder eine längere Zeit, bis er gut ange­trocknet war; dann kam er in "Ringe". Das waren tonnenförmige Haufen, unten im Durchmesser ein bis anderthalb Meter, dasselbe in der Höhe. Der Torf wurde aber jetzt fest aufgepackt, weil er schon ungefähr trocken war. Er blieb jetzt so lange stehen, bis er heimgeholt wurde, und das geschah Ende September bis Anfang Oktober. Ja man konnte selbst im Winter noch Torf holen, denn wenn er in Ringen stand, dann konnte er Wind und Wetter trotzen.

Heimgeholt wurde der Torf mit dem großen Kastenwagen. Das war auch noch eine ganze Arbeit. Man konnte nicht immer mit Pferd und Wagen direkt bis an den Torf kommen, denn im Venn gab es noch keine festen Wege. Man konn­te so leicht absinken. Daher musste man öfters wohl 100 Meter zum Wagen den Torf tragen. Das geschah mit großen Weidenkörben, die extra dafür gemacht waren. Die Weidenkörbe ("Mühlen") waren ovale Körbe, aus Weiden gefloch­ten, ungefähr ein Meter bis 1,20 m lang, im mittleren Durchmesser ungefähr 0,80 m. An beiden Enden war ein Griff. Wir machten diese Körbe selbst. Wenn nun der Wagen hoch voll war, so wurde obenauf der Torf dachförmig fest aneinandergepackt. Man durfte doch keinen Torf verlieren. Der Wagen sah fast aus wie ein Planwagen. Jeder Wagen fasste gut 2000 Torfe. Zuhause mussten wir Kinder den Torf hinten in der Scheune abwerfen. Nach außen hin kam wieder eine feste Kante, aufgepackt wie eine Mauer. Das besorgte mei­stens der Vater.

Manche Leute verkauften auch wohl Torf in der nächstgelegenen Stadt. Er wurde viel zum Anheizen gebraucht. Für ein Fuder Torf  gab es, als ich noch Kind war, 25 bis 30 Mark. Zu damaliger Zeit noch viel Geld. Es geschah auch wohl öfters, dass im Sommer Brand ausbrach im Venn. Dann ging groß und klein aber los zum Venn, um das Feuer zurückzuschlagen. Meistens nahm man dazu Birkenreiser, die da genügend vorhanden waren. Manch einer ist schon wohl um den ganzen Torf gekommen.

Vereinzelt wurde noch bis nach dem Zweiten Weltkrieg Torf gestochen. Hier übernahm damals eine holländische Firma das Venn. Wir bekamen dann als Pacht Torf zurück. Das war schwarzer Presstorf, der war so hart und so fest und heizte so gut wie Kohle. Auch das ist jetzt alle, denn der Torf wird gemahlen zu Düngertorf.

In den Jahren 1925 bis 1930 wurde das Venn urbar gemacht. Es gab vom Staat langfristige Darlehen. Heute sind es die schönsten Wiesen. Es kamen große Dampfpflüge zum Umpflügen. Es wurde viel von fremder Hand fertiggemacht. Es gab ja auch zu damaliger Zeit viele Arbeitslose. Das Hochmoor ist geblie­ben. Da sitzt noch zuviel Torf. Aber heute wird kein Torf mehr gestochen. Die heutige Generation konnte sich von der Torfgewinnung nichts vorstellen. Kommt man jetzt mal im Frühjahr durch das Venn, so sieht alles wie ausge­storben aus. Man sieht weder Torf, noch Mann oder Maus. Sogar der Gesang der Vögel hat nachgelassen. Die Zeit ist auch hier nicht stehengeblieben.

Ihr Kommentar