Pferde

Bericht einer Bauersfrau

Um 1905

Pferde waren der Stolz des Bauern. Sie wurden liebevoll gepflegt und gefüttert. Die alte Regel sagte:  Zu einer dicken Bauersfrau gehört auch ein dickes Pferd. Wir hatten auf dem elterlichen Hofe zwei Arbeitspferde, zweieinhalbjährige Jungpferde und im Frühjahr noch ein paar kleine Fohlen. Diese wurden meistens bis zum nächsten Jahr gehalten und wurden dann die 1 1/2jährigen. Manche wurden auch wohl bis zu zwei Jahren gehalten. Die kosteten dann auch wieder mehr Geld. Die männlichen Fohlen (Hengstfohlen) wurden mit einem Jahr kastriert. Man nannte sie dann Wallach. Ein guter Wallach war als Arbeitspferd sehr be­gehrt. Die Stutfohlen ("Mährfüllen") wurden später, wenn sie größer waren, "Mähr" genannt.

Im Herbst wurden die meisten jungen Pferde verkauft. Man behielt aber wohl ein Jungpferd für sich zurück, entweder zur Arbeit oder zur Zucht. Dann wur­de ein älteres Pferd verkauft.

Die Ställe für die Pferde waren immer im Hause links an der Seite der Diele. Jedes Tier einzeln im Stall, nur wenn ein kleines Fohlen da war, das blieb bei der Mutter im Stall. Die Ställe waren alle Tiefställe, und es war auch eine große Arbeitserleichterung, dass die Ställe im Hause waren, denn man hatte ja alles gleich zur Hand, nämlich Wasser und Futter. Als Einstreu für den Stall gebrauchte man reines Roggenstroh. Man legte ja großen Wert darauf, dass die Pferde ein sauberes Lager hatten. Jeden Abend wurde der Stall flach gemacht mit der Grepe. Es durfte in der Mitte keine Vertiefung sein, denn es konnte dann leicht vorkommen, dass sich die Pferde über Nacht festwälzten im eigenen Lager und ohne menschliche Hilfe nicht wieder auf die Beine kamen. Für die Pferde war das eine große Qual. Meistens waren sie dabei nassge­schwitzt. Man merkte es erst gegen Morgen oder man hörte in der Nacht den schweren Hufschlag an der Wand,  ("Dat Perd lieh fast"). Wenn die Ställe voll waren, so wurden sie ausgemistet, meistens von den Männern. Der Pferdemist war bedeutend leichter als Kuhmist. Man gebrauchte den Pferdemist am liebsten im Garten und für die Frühjahrsansaaten, denn der Mist erzeugte eine große Wärme. Auch die Gärtner benützten gerne Pferdemist für die Mistbeete.

Pferdearbeit

Die Arbeitspferde waren meist schwere, ruhige Pferde, für alte und junge Leu­te gut geeignet. Die Pferde zogen den Wagen, den Pflug, die Egge, die Mähma­schine. Wenn gedroschen wurde, so wurden sie draußen vor den Göpel (Rossgang) gespannt. Leider Gottes ist heute auf dem Bauernhof das Pferd verdrängt worden, zum großen Leidwesen der alten Leute. Die Trecker ersetzen alles. Die jungen Leute sind ja heute alle für Technik und Fortschritt. Mir kommt es heute aber doch verlassen vor, wo man kein Pferd mehr sieht. Wir hatten hier auf unserem Hof drei Arbeitspferde, drei Jungpferde (1 1/2-jährig) und etliche Fohlen. Es war immer ein herrliches Bild, wenn Pferde mit ihren Fohlen auf der Weide grasten. Heute ist es nur eine Seltenheit. Außer der Arbeit wurden die Pferde auf die Weide getrieben, auch sonntags. Bei günstiger Witterung kamen sie auch im Winter hinaus. Eine Merkwürdigkeit war es bei den Pferden auf der Weide, sie brachten immer ihren Mist an einer bestimmten Stelle zusam­men, vielfach in einer Ecke der Weide. - Vor den Kutschwagen kamen immer die Arbeitspferde.

Pferdefütterung

Dreimal am Tag wurden die Pferde gefüttert und getränkt. Wenn die Pferde ganz besonders schwere Tage hatten, zum Beispiel im Sommer vor der Grasmaschine oder im Herbst, wenn sie den schweren Saatpflug ("Sootploog") ziehen mussten, - denn zur Saat wurde der Boden tief umgepflügt -, dann wurde extra eine Stun­de eher aufgestanden, damit die Pferde auch wirklich satt wurden. Ein Pferd frisst sehr langsam, es geht nicht wie bei der Kuh. An Futter bekamen die Pfer­de das Beste, was da war. Hatte man Kleeheu, so wurde das ganz alleine für die Pferde gelassen. An Körnerfutter war es hauptsächlich der Hafer. Auch kleine schwarze Bohnen fraßen sie gerne und im Sommer mal geschnittenes Gras. Et­liche Schnitten Schwarzbrat wurden beim Kaffeebringen eigens für die Pferde mitgebracht. Mein Vater war sehr darauf bedacht, dass kein Schimmel am Schwarz­brot war. Dadurch konnten die Pferde sehr krank werden. Im Winter wurde Häcksel geschnitten. Hierfür gebrauchte man die besten Hafergarben und Roggen­garben. Die Häckselmaschine wurde durch Göpelantrieb in Bewegung gebracht. Als Kind weiß ich mich noch gut zu erinnern, da war die Häckselmaschine nur für Handbetrieb. Sie hatte ein großes Schwungrad mit einem Schläger daran, und hier an diesen Schläger wurde ein langes Seil gebunden, an dem drei bis vier Mann ziehen kannten. Wir Kinder halfen schon mit. Jedesmal wenn der Schläger nach oben ging, wurde feste angezogen. Ein Mann war da und legte die Garben in die Schnittlade, das klappte alles wie am Schnürchen. Wenn nun mor­gens die Pferde gefüttert wurden, so wurde zuerst der Trog ("Sump") sauber gemacht. Es durfte kein altes Futter darin bleiben, auch die Eimer zum Tränken mussten sauber und ohne Geruch sein. Die Pferde hielten nun einmal auf saube­res Futter. In den Trog wurde nun ein kleines Weidenwännchen mit Häcksel ge­schüttet ("Häckselwänneken") und darüber kam jedesmal ein Näpfchen mit Hafer von ungefähr ein bis zwei Pfund. Man durfte nicht auf einmal soviel Häcksel hereinschütten, denn bei dem langsamen Fressen konnte dann zuletzt das Futter warm werden und das Häcksel schmeckte ihnen nicht mehr. Sie kündigten es schon durch lautes Wiehern an. Das Häcksel wurde herausgenommen, aber Hafer und sonstige Körner hatten die Tiere herausgesucht, so klug waren sie wohl. Jetzt be­kamen sie wieder neues Futter. Zur Nacht bekamen sie im Winter die ganze Krippe oder Raufe  ("Roop") feste voll Heu gesteckt. Zum Frühjahr hin, wenn das Heu schon älter war, konnte es sein, dass darin viel Staub war. Dann wurde das Heu zunächst tüchtig ausgeschüttet. Auf der Tenne stand die Häckselkiste voll Häcksel.

Pferdeputzen

Auch geputzt wurden die Pferde. Es wurde besorgt vom Bauern, dem Knecht oder dem Sohn, je nachdem, wer dafür Zeit hatte. Als junges Mädchen habe ich es auch schon mal gemacht. Es wurde ja nicht alle Tage geputzt, aber im Winter schon desto mehr, wenn sie viel im Stall stehen mussten. Es tat den Pferden auch wohl, dann wurde die Haut mal wieder frisch. Ein gut gefütter­tes Pferd hatte ein glänzendes Fell. Das Putzen geschah mit einem eisernen Roßkamm ("Roßkoam") und einer strammen Bürste. Der Roßkamm hatte an der Innenseite viele Rillen, und jede einzelne Rille war klein rundlich gezackt. Die Bürste war länglich oval. Die Borsten waren aus Reit ("Riet"), so ähnlich wie die Straßenbesen. Sie hatte obendrauf einen fünf Zentimeter breiten Strei­fen aus Segeltuch. Da konnte man die Hand drunter schieben und konnte die Bürste beim Putzen besser halten. Erst wurde nun mit dem Roßkamm tüchtig gestriegelt, und dann mit der Bürste hinterher. Die Mähne wurde ab und zu mal gestumpft. Der Schwanz wurde nur einmal im Jahr abgeschnitten, und zwar erst im Spätherbst, wenn keine Fliegen mehr da waren. Mit einem langen Schwanz konnte sich das Pferd gut gegen die bösartigen Fliegen wehren. Im Sommer wurden die Tiere schrecklich davon geplagt. Die Pferdehaare waren meistens für den Knecht. Es war immer eine gute Nachfrage nach ihnen. Sie wurden auf verschiedene Art verwendet, z.B. für Besen, Bürsten, Pinsel, Pechdrähte und manches andere.

Pferdekauf

Die Pferde wurden auf den meisten Höfen selbst gezogen. Man hatte durchschnitt­lich jedes Jahr zwei bis drei Fohlen, wenn es gut ging. Die Fohlen wurden mei­stens bis zu 1 1/2 Jahren gehalten, dann wurden sie verkauft. Es konnte auch wohl sein, wenn ein schönes Jungtier, eine Stute da war, so wurde sie als Ar­beitspferd und Zuchttier gehalten. Dafür kam dann ein älteres Pferd wieder weg. Wir hatten hier einen bestimmten Pferdehändler, der schon viele Pferde von uns bekommen hat. Ja wir haben schon die ganzen Jahre, seit ich hier bin, verkauft an Großvater, Vater und Sohn. Viele Pferde wurden auch wohl auf dem Markt verkauft. Bei uns in der Nähe war Düstermühle bei Legden, ein besonde­rer Jahrmarkt mit Pferdemarkt, der schon wohl weit über hundert Jahre dage­wesen ist. Viele Bauern aus der ganzen Umgebung waren da zu finden. Der Markt ist immer so Anfang September. Dann ist die Ernte vorbei, und so konnte sich der Bauer mal einen freien Tag erlauben und auch sogleich sich nach dem Preis erkundigen. Auch Burgsteinfurt war bekannt mit seinem Pferdemarkt. Wurde ein Pferd verkauft, so erhielt der Knecht Trinkgeld ("Stättgeld"),  das wurde gleich mit eingehandelt. Ein junges Pferd gehörte auch zur Brautausstattung.

Ein gutes Pferd blieb lange auf dem Hofe, mitunter wohl 15-20 Jahre. Der Bauer konnte meistens so ein altes Pferd nicht in eine zweite Hand übergeben. Es kam meistens zum Schlächter, aber der Schlächter musste es selbst vom Hof abholen. Dafür konnte der Bauer den Mut nicht aufbringen. Der Bauer hing immer mit Leib und Seele an seinem Pferd.

Pferdefleisch

So gut ich weiß haben wir nie Pferdefleisch im Hause gehabt, weder in meinem Elternhause noch hier bei uns. Ob schon das Pferd das sauberste Haustier ist, so ekeln wir uns doch vorm Pferdefleisch. Mein Mann dagegen sagte immer: Es schmeckt gut, denn er hat es viel gegessen beim Militär und im Ersten Welt­krieg.

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