Körperpflege

Bericht einer Bauersfrau

1905-1930

Nach den damaligen Lebensbedingungen blieb für Körperpflege viel zu wün­schen übrig. Es gab doch in keinem Haus ein Badezimmer, und ebenfalls war Baden und Schwimmen ganz unbekannt. Man wusch sich des Morgens nach der Stallarbeit in der Waschküche ("Waschkamer"). Hier war auch die Pumpe. Man wusch sich mit kaltem Wasser. Die Männer pumpten sich einen Eimer mit Wasser voll, und dann ging das Klatschen los. Sie zogen sich den Rock aus und krempelten die Hemdsärmel auf. Frauen und Mädchen wuschen sich in einer Waschschüssel aus Blech. Man stellte die Schüssel unter die Pumpe auf den Spülstein. Hier konnte man auch das Waschwasser wieder ausschütten. Man wusch sich immer mit Kernseife ohne Schwamm und Lappen. Nur für Babys wurde eine gute Seife gebraucht und auch ein Schwamm.  In der Waschküche hing ein kleiner Spiegel 15 x 15 cm. Darunter war ein kleiner Blechkasten für die Kämme ("Komkästken"). Es gab grobe Kämme und feine Kämme. Für Kin­der wurde meistens der kleine Staubkamm genommen. Es geschah schon wegen Ungeziefer. Samstags wurden Kopf und Haare mit Lauge von Seifenpulver ge­waschen, aber warm, dann aber kalt nachgespült. Die Mutter kämmte uns die Haare dann mit dem feinen Kamm, das war jedesmal ein erbärmliches Spiel. Die Haare saßen manchmal so fest und waren dazu lang und dick. Die Haare wurden meistens mit etwas Haaröl eingerieben, was es dazumal auch schon gab. In der Schule war es sehr schlimm mit dem Ungeziefer. Man konnte sich kaum davor in acht nehmen. Nicht alle Kinder wuschen sich am Samstag den Kopf. Viele kamen aus ärmlichen Verhältnissen und hatten kein Geld für Seife. Wir wurden öfters von den Lehrpersonen nachgeguckt, ob wir den Kopf wohl sauber hatten, und ob wir ein reines Hemd anbekommen hatten. Die Hände wurden vor den Mahlzeiten nicht gewaschen, wenn nicht in Dreck gearbeitet worden war. Anders sah es aus, wenn wir auf dem Felde arbeiten mussten, wie Kartoffeln pflanzen, Runkeln und Kaps pflanzen. Die Erde war meistens feucht, dann können Sie sich denken, wie die Hände aussahen. Nun wurde der Kaffee gebracht. Jetzt wurde jede Pfütze Wasser aufgesucht oder der nächst gelegene Graben, um die Hände von der meisten Erde zu säubern. Fand man aber beides nicht, so putzte man sich die Hände im langen Gras ab. Das mei­ste kam wohl herunter, und was noch verblieb, so sagte man "Sand schürt de Magen". Trotzdem schmeckte uns der Kaffee und das Butterbrot sehr gut. Eine besondere Pflege für die Hände gab es wohl nicht. Im Spätherbst und Winter gab es öfters spröde, rissige Hände. Sie wurden dann mit ungesalzenem Schmalz oder Rapsöl eingerieben. Das hatte man ja immer da. Nun nach einmal zurück zu den Haaren. Wollte man schönes krauses Haar haben, so wurden nach der Haarwäsche die Haare in viele kleine Zöpfe stramm geflochten.

Am nächsten Morgen wurden sie sorgfältig losgemacht, und man hatte die schönsten Locken. Dies wurde hauptsächlich zu den hohen Festtagen gemacht. Lange Haare waren immer die Zierde eines Mädchens, aber zum Kämmen eine Last.

Zahnpflege

Zur damaligen Zeit gab es auch keine Zahnpflege. Man kannte kein Zähneputzen, kein Plombieren, nur Zähneziehen ohne Betäubung vom gewöhnlichen Haus­arzt. Hatte man früher Zahnschmerzen, so war man wirklich zu bedauern. Man hatte kein Mittel, das einem helfen konnte. Man spülte sich den Mund mit Schnaps aus, was nur für eine kleine Weile half. Dann legte man heiße Kamil­le auf oder man wärmte den Kopf am Herdfeuer, bis er feurig rot war. Zahn­schmerzen waren wohl die häufigste und schlimmste Krankheit, worunter man zu leiden hatte. Und wer sich einmal hatte einen Zahn ziehen lassen, der ging ein zweites Mal nicht wieder hin. Ab 1918 gab es in der nächsten Stadt schon einen Zahnarzt, der die Zähne mit Betäubung zog und auch plombierte. Da habe ich auch den Mut aufgebracht und mir die schlechten Zähne ziehen lassen. In den letzten 50 Jahren wurde doch mehr Wert auf Zahnpflege gelegt. Leider kannte man es früher nicht, und die Mittel waren auch nicht da.

Die Männer rasierten sich meistens in der Küche, denn dort war es hell. Einen Rasierapparat kannte man nicht. Man hatte nur die Rasiermesser, bei denen man das Messer im Griff einklappen konnte. Rasierseife war auch da, aber man ging sparsam damit um, weil die Seife teuer war. Der Pinsel wurde selbst gemacht von Pferdehaaren. Hier und da war auch wohl jemand da, der rasierte und so einen kleinen Nebenverdienst hatte von 10 Pfennig pro Person. Ich kannte einen Mann bei uns, der sich am Samstagabend noch soviel mit Rasieren verdiente, dass er am Sonntag noch einen Stuten zu einer Mark für seine Familie kaufen konnte. Auch kannte ich noch eine alte Frau, die selbst ihren gebrechlichen Mann rasierte, und alles klappte tadellos. Manche ließen sich auch wohl einen Bart wachsen.  Viele taten es schon wegen der Bartflech­te, weil man hierfür auch keine Mittel hatte. Das Haareschneiden wurde auch selbst gemacht. Die meisten Familien, wo viele Kinder waren, hatten eine Haarschneidemaschine ("Hoormaschinken"). Der Vater schnitt die Haare bei den Jungens ganz glatt ab.  Vorne blieb ein kleiner Teil stehen. Man nannte es "Tüfken". Diese Haare wurden immer hochgekämmt. Später kam der Pony auf. Hingen noch einige Haare zu tief herab, so gebrauchte man die alte Haus­schere zum Kürzen. Ja, beim Haareschneiden gab es auch wohl manchen Seuf­zer, denn die Maschine arbeitete nicht so bequem wie heute. Man war damals auch mit allem zufrieden.

Fußpflege

Nun zur Fußpflege. Auch hierauf wurde kein besonderer Wert gelegt. Wir Kinder gingen im Sommer alle barfuß. Zuweilen suchten wir auch wohl einen Graben mit Wasser auf. Hier liefen wir durch das Wasser. Es geschah schon wegen der Hitze. Aber der meiste Dreck ging dann auch wohl herunter. Die Männer, wenn sie sehr im Dreck gearbeitet hatten, nahmen einen Eimer kal­tes Wasser, krempelten die Hosen auf und wuschen dann die Beine bis zu den Knien. Es geschah aber nicht allzu oft. Groß und Klein trug damals wollene Strümpfe, die nicht oft gewechselt wurden. Die Kinder hatten nur zwei Paar Strümpfe, ein Paar für Sonntags und ein Paar für Werktags. Die Großen hatten vielleicht ein Paar mehr. Die Werktagsstrümpfe wurden manchmal ausgeschla­gen, damit der größte Dreck herauskam, dann aber wieder angezogen. Was das Schuhwerk anbelangte, so waren die Schuhe entweder zu klein oder zu groß. Sie wurden so lange getragen, bis der Fuß nicht mehr hereinging bei den Kindern.  Bekam man neue Schuhe, so wurden sie gleich ein paar Nummern zu groß genommen, für den Fall, dass sie nicht so schnell zu klein wurden oder damit vielleicht noch ein jüngeres Geschwisterpaar die Schuhe nachtragen konnte. Die Füße hatten manchmal viel zu leiden. Die meisten hatten krumme Zehen. Nur Holzschuhe wurden nach Maß verfertigt. Deswegen waren wir im­mer froh, wenn wir die Holzschuhe wieder anziehen konnten.

Für Handtücher wurde früher grobes Gerstenkorn und Leinen gebraucht. Frot­tierhandtücher gab es nirgendwo. Am Samstag kamen zwei bis drei reine Hand­tücher in die Waschküche für die ganze Familie, und das musste reichen für die ganze Woche. Inzwischen wurden sie noch manchmal getrocknet. Zum Abtrock­nen der Hände verfertigte man aus weichen Salzsäcken aus Jute Handtücher. Sie hingen direkt neben der Pumpe. Samstags wurden sie ausgewechselt. Als ich heiratete, war es schon etwas besser, da hatte jeder sein eigenes Handtuch, das samstags erneuert wurde.

Betten und Schlafzimmer

Die Betten waren früher mit Stroh aufgefüllt. Dabei konnten wir uns vor Flöhen nicht retten. Im Sommer war es sehr schlimm. Wir hatten nachts  wenig Ruhe, weil wir fortwährend von den Flöhen gebissen wurden, und man hatte kein Mittel dagegen. Die Bettwäsche wurde nur selten gewechselt.  Kurz vor dem 1. Weltkrieg wurde es schon etwas besser. Da bekamen die jungen Brautleu­te schon Matratzen für das Bett zur Aussteuer mit.

Die Zimmer in den alten Häusern waren alle klein und niedrig. Der Boden hat­te keine Bretter, sondern gestampften Lehm oder Kalkgrütze. Die Fenster waren klein, und nur wenige Fenster konnte man öffnen. Es war vielfach in den Zimmern eine muffige Luft. Zu alledem trieben auch die Mäuse ihr Unwe­sen. Ja, mitunter hatte man sie im Bettstroh sitzen. Man legte wohl Gift aus und setzte Fallen auf. Aber was half das unter so vielen. Man wurde nicht Herr der Lage. Durch alle Ritzen und Fugen konnten sie hindurch.

"Unse Hüsken" - Toiletten 

Nun zu den Toiletten. Den Namen Klosett, Klo und Toilette kannte man nicht. Wir sagten einfach "Unse Hüsken". Wenn wir in der Schule mal mussten, so sagten wir:  "Darf ich eben vor die Türe gehen?" Das Hüsken war meistens auf der Tenne am Stall, ohne Wasserspülung, auch kein Klosettpapier gab es, dafür aber Zeitungspapier. Es gab zuweilen auch unansehnliche Überraschun­gen, besonders bei der Schule. Wenn Sie schon das Hüsken auf dem Mühlen­hof besichtigt haben, dann können sie sich ein Bild machen. Auch an den klei­nen und mittleren Bahnhöfen war es kaum anders.  Heute würde sich da keiner mehr draufsetzen. Sollte die heutige junge Generation noch zur alten Zeit zurückkehren müssen, sie würde buchstäblich zu Grunde gehen. Gott sei dank wurde es in den 20er Jahren dann schon etwas besser. Man wusch sich, und manche badeten sich schon in einem Holzfass oder in Zinkfässern. Es kamen auch schon Zinkbadewannen auf. Natürlich musste man das Wasser in dem großen Viehtopf heiß machen. Das langte dann für mehrere Personen. Für die Kinder gebrauchte ich ein Zinkfass. Ich steckte dann drei zusammen, und so konnte ich sie auf dem schnellsten Wege sauber bekommen. Der große Aufschwung kam erst nach dem letzten Krieg um 1950 bis 1960 herum. Es kam mehr Geld unter die Leute. Es wurde viel gebaut. Heute gibt es wohl kaum ein Haus mehr, wo nicht ein Badezimmer ist, sowie Wasserleitung warm und kalt und Toiletten mit Wasserspülung. Wir alten Leute begrüßen es. Trotz aller Entbehrungen, die es früher gab, waren die Leute zufrieden und hatten Zeit füreinander. Heute ist alles eine Hetze.

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