Knechte und Mägde

Bericht einer Bauersfrau

Um 1912

Bauern und Dienstboten waren im Allgemeinen gut. Es gab bei uns nur mittlere Höfe von 150-200 Morgen. Auf unserem Nachbar­hof waren zwei Mägde, eine große Magd und eine kleine Magd, ferner ein Knecht. Die Leute hatten nur eine Tochter. Die Dienstboten saßen mit der Fa­milie an einem Tisch. Der Knecht gleich neben dem Bauern, und die Mägde gleich nach der Tochter. Es ging alles ganz gemeinschaftlich zu. Sie wurden von der Familie mit Vornamen angerufen. Auch in der Nachbarschaft wurden diese Leute immer mit Vornamen angesprochen. Die Dienstboten rede­ten auch die Herrschaft mit Vornamen an, wenn sie nicht allzu alt waren. Ich habe selbst eine Frau gekannt, die früher lange bei uns auf dem Hof gewesen war, die redete immer noch meine Eltern bis ins hohe Alter hinein mit Vor­namen an.

Herkunft

Die Dienstboten stammten meistens aus der eigenen Gemeinde, manchmal auch wohl aus der Nachbarschaft, mitunter aus der Nachbargemeinde. Durchweg kamen sie von Köttersleuten.

Schlafkammern

Wo zwei Mägde waren, da schliefen beide in einem Bett. Wo eine Magd war, da nahm diese auch wohl ein Kind oder zwei mit ins Bett. Es war wenig Schlaf­gelegenheit im Hause. Der Knecht schlief meistens an der Tenne im Bettkasten. Man kann es am besten vergleichen mit einem Schrank. Hier war ein richtiges Bett darin. Geschlossen wurde der Kasten mit einer Schiebetür. Das Schlafen an der Tenne hatte schon den Vorteil, wenn im Stall mal etwas mit dem Vieh passierte, wie zum Beispiel bei einer Geburt, Krankheit, oder es konnte auch sein, dass ein Stück Vieh von der Kette kam, dann war somit gleich einer zur Stelle.

Im Schlafraum stand meistens ein alter Schrank oder eine Kommode mit einem kleinen Altärchen darauf. An den Wänden hingen Heiligenbilder.  Zum Waschen war allen gemeinschaftlich Handtuch, Seife, Schüssel. Meistens wusch man sich unter der Pumpe.

Dienstwechsel

Die meisten Dienstboten traten ihren Dienst zum Frühjahr (Mai) an. War der Vertrag abgeschlossen, so wurde er mit einem "Winkopp" (3 Mark) besiegelt, und das jedes Jahr. Es galt soviel wie ein festes Verhältnis. Bei einer plötz­lichen Kündigung wurde der Winkopp an den Bauern wieder zurückgegeben. Die bestimmte Kündigungsfrist galt meistens für ein Jahr. Ging man im guten Verhältnis auseinander, so brachte der Bauer den Betreffenden mit Pferd und Wagen wieder nach Hause.

Persönlicher Besitz

Wenn die Dienstboten eine neue Steile bezogen, so brachten sie meistens einen großen hölzernen Koffer mit. Darin konnten sie Wäsche, Arbeitskleidung und sonstige Sachen aufbewahren. Eine gute Magd brachte für sich mit: Zwei Kirchkleider, einen Mantel (galt für Sommer und Winter), vier Hemden, vier blauleinene Vorbindschürzen, zwei Trägerschürzen, zwei Werktagskleider, ein Paar Schuhe, zwei Paar Strümpfe, zwei Paar Holzschuhe.  Zu damaliger Zeit wurde auch nicht viel angelegt. Am Schluss des Jahres musste doch auch noch ein kleines Sümmchen zur Sparkasse gebracht werden.

Dienstboten und Bauernfamilie

Man redete den Bauern, falls er schon alt war, mit Vater an, ebenfalls die Bäuerin "Moder". Aber waren sie noch jung, dann nur mit Vornamen. Die Bauernkinder duzten sich auch mit den Dienstboten.  Zwischen der Tochter und der Magd war nur ein Unterschied sonntags in der Kleidung. Die Tochter trug meistens am Hut eine große Straußenfeder und reichlich Schmuck. Die Kinder des Hauses bekamen auch wohl eine Ohrfeige von den Dienstboten, was vom Bauern gutgeheißen wurde.

Besondere Tage auf dem Hofe

Wenn es eine Hochzeit auf dem Hofe gab, mussten die Dienstboten bei allen Vorbereitungen mithelfen, Hausreinigung,  Kränze machen usw. Am Hochzeits­tage brauchten sie nicht mitzuhelfen und durften neben den Familienangehöri­gen an dem Hochzeitsmahl teilnehmen. Die Magd bekam von der neuen Bäuerin ein gutes Sonntagskleid und der Knecht eine Sonntagshose mit Weste, Vor­hemd und Kragen. Dass eine Magd den Sohn des Hofes heiratete und der Knecht die Tochter des Hofes, daran weiß ich mich öfters zu erinnern. Wenn es zum Einheiraten kam, verlief es erst nicht ohne Streitigkeiten. Da kam jetzt der Bauernstolz zum Vorschein. Es war früher bei den Bauern nicht immer eine Liebesheirat. Es musste doch möglichst viel Geld hereinkommen. Die beiden Brautleute wurden meistens zusammengekappelt. Heute gibt es ja Gott sei Dank sowas nicht....

Bei Beerdigungen nahmen die Dienstboten genauso Anteil wie die Familienange­hörigen. Die Magd bekam von der Familie einen schwarzen Hut und der Knecht einen schwarzen Schlips.

Tagewerk

Vor dem ersten Frühstück gingen die Mägde zum Melken und sorgten dann auch für die Milch. Die Hausfrau versorgte meistens die Schweine. Hausfrau und Mägde trugen dann eine Sackschürze ("Schlaff"). Zum zweiten Frühstück waren alle sauber gewaschen und gekämmt. Die Kleidung bestand aus einem Druck­kattunkleid, einer Trägerschürze, ebenfalls aus Druckkattun, dazu eine blau­leinene Vorbindschürze. Hausfrau und Mägde teilten sich gegenseitig die Haus­arbeit. Das Ausmisten der Ställe und Mistfahren war Arbeit nur allein für die Männer. Zum Miststreuen musste mitunter auch wohl die Magd helfen. Die Gar­tenarbeit wurde nur von der Hausfrau und den Mägden ausgeübt.

Lohn

Knechte und Mägde bekamen jährlich ihren Lohn. Das Bargeld wurde zur Kas­se gebracht. Früher, als es noch keine Kassen gab, wurde das Geld auch wohl gegen Zinsen ausgeliehen und zu einer bestimmten Zeit zurückgefordert.

Wenn Knechte und Mägde sich etwas kauften und auch gleich bezahlten, so wurden sie nebenbei vom Kaufmann mit Kaffee und Beschüten bewirtet.

Eine Magd verdiente um das Jahr 1912  200 Mark im Jahr. Dazu frei Holzschuhe tragen. Wurde Vieh verkauft, so bekam sie jedesmal ein Trinkgeld, so wie auch zu jeder Kirmes. In früheren Jahren, um 1870 herum, bekam hier eine Magd nach den Notizen meines Großvaters 17 Reichstaler. Das waren so un­gefähr 50 Mark im Jahr. Dazu bekam die Magd zwei Spinnt Leinsamen zum Aus­säen. Der Bauer stellte ihr dafür das geeignete Grundstück. Die Magd konnte nun den Flachs selbst bearbeiten und für sich in Anspruch nehmen. Im Winter konnte sie dann spinnen und weben für ihre Aussteuer. Der Knecht bekam meistens nur Geld, nach damaliger Zeit 25 Reichstaler. Um 1912 herum ver­dienten sie so ungefähr 250 Mark. Waren die Dienstboten lange auf einem Hof, so erhielten sie wohl bei der Heirat eine Kuh oder ein Möbelstück. Ich weiß mich auch nach gut zu erinnern, wenn Knecht und Magd von ein und demselben Hof heirateten, so zogen diese meist in die Leibzucht. Der Bauer half ihnen dann mit allem gut zurecht.

Feierabend

Den Feierabend verbrachten die Dienstboten im Kreise der bäuerlichen Fa­milie. Mitunter wurde auch wohl ein Plauderstündchen gehalten mit den Nach­barsleuten. Im Hause konnten die Mägde für sich nach Feierabend stricken und nähen. An den langen Winterabenden wurde Flachs gesponnen für Leinewand. Als Kind weiß ich mich gut zu erinnern, dass in unserer Nachbar­schaft noch ein Mann war der webte. Es war für ihn im Winter ein guter Ne­benverdienst. Er hat es noch lange Jahre bis kurz vor dem 2. Weltkrieg ge­macht. Ich habe selbst im 1. Weltkrieg an der Herstellung des Leinens von A bis Z mitgeholfen.

Dienstboten im Verhältnis zu ihrer eigenen Familie

Die Dienstboten konnten ihre Angehörigen meistens am Sonntagnachmittag be­suchen, und wenn sie nicht allzu weit wohnten auch wohl nach Feierabend. Zu Neujahr hatten hier sämtliche Dienstboten drei Tage frei. Es waren die soge­nannten "Kakendage".

Krankheit und Tod

Wurden Dienstboten krank, so wurden sie im Hause verpflegt. Sie konnten auch auf Wunsch zu ihren Angehörigen gehen oder ins Krankenhaus. Altgewordene Leute behielt man meistens auf dem Hof. Für diese war häufig testamentarisch ein Platz im Hause bis zu ihrem Lebensende vermacht. Sämtliche Unkosten bei einem späteren Begräbnis wurden vom Hofe getragen, gerade so wie für ein Familienmitglied.

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