Getreidekörner sortieren
Ein Beitrag von Christina Singer (Freie Waldorfschule Freiburg St. Georgen)
Anhand verschiedener Ähren, die ich bereits vor den Sommerferien auf den Getreidefeldern geschnitten hatte, entdeckten die Schülerinnen und Schüler meiner 3. Klasse den äußerlichen Unterschied zwischen den verschiedenen Getreidearten: Weizen hat keine Grannen und rundliche Körner, Roggen hat kurze Grannen und ist von der Farbe her grün-gräulich. Gerste hat lange Grannen und ihre volle Ähre neigt sich nach unten. Hafer hat keine Ähren, sondern Rispen. Es lässt sich noch vieles mehr entdecken, z. B. wie unterschiedlich die Körner angeordnet sind.
Wir hielten unsere Beobachtungen in einem Hefteintrag fest:
Ein paar Tage später - wir hatten inzwischen den Acker im Schulgarten gepflügt, geeggt und Korn ausgesät - befassten wir uns wiederum mit den Getreidearten. Jedes Kind bekam eine kleine Hand voll Körner, die es nun zu sortieren galt. Es ergaben sich vier verschiedene Häufchen: Die Weizenkörner sind rund und goldbraun, die Roggenkörner länglich und grau-grün, die Gerstenkörner sind ebenfalls rundlich, aber heller als der Weizen und die Haferkörner sind, wie der Roggen, länglich, aber hell.
Weizen und Gerste war zunächst für einige Kinder nicht gut zu unterscheiden. Wenn man die Körner einer Sorte allerdings länger kaute, konnte man den Unterschied schmecken (der schwer zu beschreiben war!). Eindeutig schmeckte der Hafer - es war für einige Kinder jedoch eine Entdeckung, dass nicht Haferflocken, sondern Haferkörner an den Rispen hängen.
Manche Kinder machten noch ein oder zwei weitere Häufchen mit Körnerbruch. Daran ließ sich wunderbar erkennen, wie genau Kinder hinschauen: ein Häufchen mit gebrochenem Hafer, ein Häufchen mit gebrochenem Roggen, ein Häufchen mit besonders dunklem Weizen...
Insgesamt war es eine sehr konzentrierte, freudig-entdeckende Stimmung, in der die Kinder arbeiteten. Viele nahmen die Körner mit nach Hause, um sie dort aufs Neue zu sortieren. Oder sie mümmelten sie genussvoll in der anschließenden Pause.
Ausgehend von Farbe und Geschmack der Körner besprachen wir außerdem, was sich aus den einzelnen Getreidearten besonders gut machen lässt: aus den Weizenkörnern, die innen ganz weiß sind, lässt sich feines Mehl für süßes Gebäck aber auch für helles Brot machen. Aus den dunklen Roggenkörnern wird dunkles, kräftiges Brot gemacht. Gerste ist weniger bekannt und wird z. B. als Graupen in der Suppe verwendet. Hafer kennen die Kinder aus dem Müsli. Warum essen das so viele Menschen zum Frühstück? Aus einer Geschichte, die wir gehört hatten, konnten wir es ableiten: Dort bekam das Pferd eines Morgens eine besonders große Portion Hafer, um genügend Kraft für das anstrengende Pflügen zu haben. Wer vermeiden will, dass sein Pferd "vom Hafer gestochen" und zu wild wird, der gibt ihm nicht zu viel dieses unmittelbar kraftspendenden Getreides.