Die Mühle - eine Revolution

Wie es begann

Schon in der Steinzeit wussten die Menschen, wie sie an das Mehl des Getreides gelangen konnten. Man legte die Körner auf einen Stein und zerrieb sie mit einem weiteren Stein. Oder man nahm einen Stößel und zerquetschte die Körner. Kraft und Ausdauer waren nötig, um auf diese Weise die Körner zu verwerten.

 

Die Kraft des Wassers und des Windes

Erst Jahrtausende später ersannen die Menschen ein Hilfsmittel, um leichter an das Mehl zu kommen. Die Erfindung der Mühle kam einer Revolution gleich. Mussten die Menschen bislang immer die eigene Muskelkraft oder die der Tiere verwenden, um schwere Arbeiten zu verrichten, machten sie sich nun die Kraft des Wassers und des Windes dienstbar. Die Erfindung der Mühlenmechanik war eine ungeheure Gedankenleistung.

Die Römer brachten die Erfindung aus Mesopotamien mit. Während der finsteren Jahre des Mittelalters wurde sie wie so manches andere Kulturgut hauptsächlich von den Klöstern erhalten und weitergegeben, aber bereits im 13. Jahrhundert hatte sie sich stark verbreitet. Ohne die Mühlen wäre die Glanzzeit des Hochmittelalters nicht vorstellbar gewesen.

Die Bewegungsenergie, die man durch Wasser oder Wind gewann, nutzte man schließlich für alles, was eine gleichmäßige Bewegung erforderte. Sie sägte Baumstämme zu Balken und handlichen Brettern, schlug erzhaltiges Gestein klein und zermalmte Lumpen zu Brei (Papiermühle), presste das Öl aus Samen und trieb Schmiedehämmer an. Die Nutzung von Wasser- und Windenergie trug maßgeblich zum Wohlstand und Wachstum der Klöster und Städte bei.

 

Mühlentypen

Im Laufe der Zeit entwickelten sich verschiedene Kornmühlen. Bei den Wassermühlen gab es oberschlächtige und unterschlächtige Wasserräder. Bei den oberschlächtigen wird das Wasser des Flusses durch einen Wasserlauf von oben an das Wasserrad geführt, bei den unterschlächtigen hängt das Rad im Fluss und wird durch die Fließbewegung des Wassers angetrieben.

Auch bei den Windmühlen gab es eine große Vielfalt. Die ersten Windmühlen ließen sich nicht als Ganzes drehen, sondern wurden in der Hauptwindrichtung erbaut. Sie hatten gegenüber den Wassermühlen den entscheidenden Nachteil, dass nur dann gemahlen werden konnte, wenn der Wind in Maßen wehte und aus der richtigen Richtung kam. Die sogenannten Bockwindmühlen waren flexibler: Das Mühlengebäude wurde auf einem festen Fundament aufgebockt und damit drehbar, so dass unabhängig von der Windrichtung gemahlen werden konnte. Im frühen 16. Jahrhundert wurde dann die Holländermühle oder Kappenwindmühle entwickelt. Bei ihr dreht sich nur die „Kappe“, der oberste Teil der Mühle samt Windrad. Weil sich nicht die ganze Mühle drehen musste, konnte sie viel stabiler gebaut werden. Entsprechend leistungsfähiger war diese Mühlenart. Unabhängig davon war der Müller ständig möglichen Gefahren ausgesetzt: Durch wechselnde Windrichtungen- und stärken sowie aufkommende Starkwinde konnte das Mühlengetriebe heiß laufen. 

Windmühlen baute man gern auf flachen Landschaften, etwa in den Tiefebenen Norddeutschlands oder in Holland, wo der Wind ungehindert blasen konnte. Wassermühlen baute man eher in bergigen Gebieten, wo es Flüsse mit ausreichender Fließgeschwindigkeit gab. In den gebirgigen Regionen Süd- und Mitteldeutschlands waren die an rauschenden Bächen gelegenen Wassermühlen aus dem Landschaftsbild nicht wegzudenken.

 

Der Müller

Im Mittelalter war es jedermann erlaubt, auf seinem Grund und Boden eine Mühle zu bauen. Die Wirklichkeit sah jedoch anders aus. Der Bau einer Mühle war eine kostspielige Angelegenheit. Besaß man also keinen Grund und Boden und nicht viel Geld, so hatte man kaum eine Möglichkeit, in den Besitz einer Mühle zu gelangen. Daher war fast jeder Bauer darauf angewiesen, sein Getreide in einer Mühle mahlen zu lassen. Das geschah alle paar Tage, da das Korn damals vor dem Mahlen noch nicht von der Randschicht befreit werden konnte und das Mehl daher schnell ranzig wurde.

Um die Auslastung der Mühlen zu sichern, gab es viele Jahrhunderte lang den Mahlzwang für die Bauern, der diese verpflichtete, ihr Getreide in einer bestimmten Mühle mahlen zu lassen. Gleichzeitig gab es den sog. Mühlenbann, der verhinderte, dass zu viele Mühlen in einem Gebiet entstanden.

Wer beim Müller in die Lehre gehen wollte, musste von ehelicher Geburt sein und unbescholtene Eltern haben. Nach der Lehrzeit von drei Jahren gingen die Gesellen auf die Walz. Während seiner Ausbildung lernte ein Müllerlehrling nicht nur die Funktionsweise einer Mühle kennen, sondern er lernte auch, Wind und Wetter einzuschätzen und, beim Tragen und Heben der Korn- und Mehlsäcke, seine Muskeln zu stärken.

Die Müller hatten anfangs ein ganz eigenes Abrechnungssystem. Da ein Bauer nicht so lange warten konnte, bis seine Kornsäcke gemahlen wurden, maß man zunächst das angelieferte Getreide in Scheffeln ab. Für jeden Scheffel Getreide wurde eine Kerbe in ein längliches Holzbrett geschlagen. Wenn ein Bauer viele Scheffel Korn anlieferte, so hatte er „einiges auf dem Kerbholz“. Damit keiner den anderen betrügen konnte, wurde am Ende das Kerbholz der Länge nach gespalten, so dass jeder eine Art Quittung mitnahm. Holte später der Bauer sein Mehl ab, so wurden die beiden Hälften wieder zusammengelegt. Gemahlen wurde das Korn in der Reihenfolge seiner Anlieferung. Daher kommt der Spruch: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.

Gezahlt wurde mit einem Teil des Mahlguts oder auch mit dem Mahlgroschen. Der Anteil, den der Bauer für das Mahlen bei Müller lassen musste, war nicht nur dessen Lohn, sondern auch Anteil des Lehnsherrn. Nicht selten kam es vor, dass ein Müller seine Unentbehrlichkeit ausnutzte und den Lohn in die Höhe trieb. Damit schadete er dem Ruf seines Gewerks: der Müller gehörte im Mittelalter zu den unehrlichen Berufen. Das hing auch damit zusammen, dass der Müller durch seine für die Versorgung der Bevölkerung äußerst wichtige Aufgabe von der Kriegspflicht befreit war. Wer aber nicht in den Krieg ziehen durfte, war nach altem germanischem Standesrecht nicht anerkannt und damit „unehrlich“. Hinzu kam außerdem, dass für den Müller weder das Feierabend- noch das Feiertagsgebot galt: abhängig vom Wetter wie kaum ein anderes Gewerk war es ihm erlaubt, auch zu Zeiten zu mahlen, in denen die Bevölkerung die Arbeit ruhen ließ oder den Gottesdienst besuchte. Nur wenn die Mühle nah bei der Kirche stand, musste ihr klapperndes Mühlwerk während der Messe eingestellt werden.

Trotz dieser Sonderstellung war der Müller Teil der Dorfgemeinschaft. Ein traditionsbewusster Müller stellte bei Hochzeiten im Dorf die Mühlenflügel in die „Freudenschere“, bei Todesfällen in die „Trauerschere“. Und wenn die Flügel im Kreuz standen, wusste jeder Bauer, dass er kein Mehl mahlen lassen konnte, weil sich die Mühle in Reparatur befand.

Die Arbeit des Müllers gestaltete sich mindestens ebenso anstrengend wie die des Bauern: In lauter und staubiger Umgebung galt es, sich Tag und Nacht zur Arbeit bereit zu halten. Von seinem Geschick war es abhängig, ob die Mühle kontinuierlich klapperte. Rütteln, knarren, knirschen und klopfen begleitete den Müller tagein, tagaus. Schon kleine Unregelmäßigkeiten hörte das geübte Ohr des Müllers. Ging das Korn in der Schütte zur Neige, ertönte eine Glocke. Ließ die Qualität des Mehls nach, mussten die Mühlsteine nachgeschärft werden. Ein gutes Mehl erforderte bis zu sieben Mahlgänge: Sieben Mal musste das gleiche Mahlgut in Säcken wieder nach oben getragen werden. So kam der Müller nur selten zur Ruhe.

In eine Zwickmühle konnte ein Müller geraten, wenn sich ein von der Justiz Gesuchter in seiner Mühle verschanzte. Denn in Mühlen galt der „Mühlenfriede“, der seinen einfachen Grund in der Tatsache hatte, dass eine Mühle keinen Schaden durch Gewalthandlungen nehmen durfte. Der Müller wurde in solchen Situationen allerdings von der Allgemeinheit im Stich gelassen und musste selbst schauen, wie er mit den Schutzsuchenden zurechtkam.

Dass viele Müller nötig waren, um den Bedarf an Mehl als Grundnahrungsmittel zu decken – die Kartoffel war damals noch unbekannt - zeigt die Tatsache, dass Müller bzw. der niederdeutsche Möller noch heute der häufigste Familienname ist. Das Wort kommt vom lateinischen molinarius, mittelhochdeutsch mülner oder müllner. Das germanische Wort für Müller ist Kürner. Die kürn, kürne oder quirne ist die Mühle.

 

Zur Funktionsweise der Getreidemühlen

Unabhängig davon, ob durch Wasser oder Wind betrieben: Allen Kornmühlen ist gemeinsam, dass in ihrem Herzen zwei große, schwere Mühlsteine liegen, von denen sich der obere drehte und daher Läuferstein oder Läufer heißt, während der untere, der Bodenstein oder Lieger, fest ruht.

Das Getreide wird in einen Trichter geschüttet. Durch einen Schieber wird reguliert, wie viel Korn in den Rüttelschuh rieseln darf. Der Rüttelschuh ist vergleichbar mit einem vorne offenen und schräg hängenden Schuh. Bei jeder Umdrehung der Königswelle, die die Kraft des Wasser- oder Windrades in die Mühle leitet, wird er vier Mal angeschlagen, so dass das Korn locker und reguliert durch das Steinauge des Läufersteins zwischen die Mahlflächen der beiden Mühlsteine gelangen kann. Es wird dort zerrieben und durch die Rillen in den Steinen nach außen getrieben. Durch den Mehlbeutel, einem feinmaschigen Sieb, fällt nur das feine Mehl in den Beutelkasten. Mithilfe diese einfachen Siebung trennte man das Mehl von der Kleie, die dann aus dem holzgeschnitzten Kleiekotzer (auch Mühlgötze, Mühlgosche oder Schreckkopf genannt)  ausgeschieden wurde. Diese oft kunstvoll geschnitzten, meist fratzenhaften Gesichter mit offenem Mund waren auch die Schutzgeister der Mühlen. Die grobe Kleie wurde dann weiteren Mahlgängen unterzogen.

Die Steine müssen gleichmäßig hart und scharf porös sein. Das erreichen sie durch die Eigenschaft, mineralisch möglichst scharfkantig zu brechen; eine Art Selbstschärfung, die Mahlfläche muss rau bleiben. Dennoch müssen sie immer wieder von Menschenhand neu behauen werden, um die benötigte Schärfe aufzuweisen. Die Steine können aus mehreren Steinbrocken zusammengesetzt werden, qualitativ hochwertigere Steine sind aus einem Stück.

Das Klappern der Mühlen kommt übrigens vom Anschlagen des Rüttelschuhs („Es klappert die Mühle am rauschenden Bach“).