Der grauenvolle Schiffstransport

Die Sklaven kamen oft aus dem Inneren Afrikas

Bis zu 800 km von der Küste entfernt im Inneren Afrikas werden die Afrikaner gejagt. Ganze Dörfer werden von Sklavenjägern überfallen. Die Bewohner trieb man in langen Reihen zu Fuß an die Küste. Wie Vieh kettete man sie zusammen. Um den Hals trugen sie eine Art Holzjoch. Bewaffnete Krieger eskortiert diesen Zug. Diese Sklavenjagd wurde zum größten Teil von Afrikanern selbst übernommen.

Die Sklaven von Coimbra. Stich von Emile Antoine Bayard (1837 - 1891)

Traf man auf den großen Sklavenmärkten ein, so wurde jeder einzeln untersucht. Zusammengetrieben und bewacht, die Hände auf den Rücken gebunden, wurden sie von den Weißen begutachtet. Sie mussten sich nackt zur Schau stellen, es wurden Augen, Zähne, Genitalien und körperliche Beweglichkeit untersucht. Die erniedrigende Untersuchung dieser verschreckten Menschen galt Frauen und Männern gleichermaßen. Man ließ sie laufen, springen und sprechen, um den Preis der Ware Mensch festzulegen. In Kleingruppen waren sie zusammengebunden und zunächst wurden sie in Lagerhäusern untergebracht. Die gefangenen Afrikaner hatten zweifelsohne in Gesprächen mit den eingeborenen Wächtern und Arbeitern im Lagerhaus erfahren, dass sie auf ein Schiff verfrachtet würden, und für viele von ihnen, die noch nie das Meer gesehen hatten, muss die Vorstellung, auf einem großen Schiff irgendwo in der Weite hinter dem Horizont zu verschwinden, extrem beängstigend gewesen sein. Einigen der Wächter wird es auch sadistisches Vergnügen bereitet haben, den Gefangenen zu erzählen, dass die Weißen Kannibalen seien und sie wegschleppten, um sie zu fressen. Diese Vorstellung jagte einigen Gefangenen einen derartigen Schrecken ein, dass sie sich selbst verstümmelten, indem sie sich z.B. einen oder mehrere Finger abschnitten. Sie hofften somit zur »Ausschussware« zu werden, an der die weißen Menschenhändler nicht interessiert waren.

 

Die Überquerung des Atlantiks

Die Fahrt über den Atlantik auf einem Sklavenschiff war grauenvoll. Es herrschten die furchtbarsten hygienischen Bedingungen. Die Sklaven waren auf engstem Raum zusammengepfercht und diese Situation währte gute zwei Monate. Auf der Fahrt würde jeder Gefangene 30 x 150 cm für sich haben und über sich nur etwa 60 cm freien Raum. In der Nacht zu schlafen fiel schwer, wenn das eigene Bein mit einer starren Eisenfessel an das Bein des Nachbarn geschlossen war. Die Luft wurde stickig heiß, sie kühlte sich auch nachts kaum ab. Nicht wenige Afrikaner verloren währenddessen ihr Leben. Oft überlebten 10 % der Sklaven die Überfahrt nicht. Die Kapitäne versuchten meist mehr Sklaven in ihrem Schiff unterzubringen, als dies möglich war. Wenn man selbst die Zwischendecks nutzte, um die Sklaven übereinander zu stapeln, so passten leicht 600 Personen in ein Schiff, das nur für 450 Menschen ausgelegt war. Auf der Schiffsfahrt waren die Sklaven vollkommen nackt. Man wollte damit Ungeziefer vermeiden. Zweimal in der Woche wurden die Männer und Frauen auf Deck mit einem Eimer Wasser übergossen. Alle zwei Wochen rasierte man ihnen den Kopf, um Läusebefall zu vermeiden.

 

Das Essen

Zweimal am Tag erhielten die Sklaven eine Suppe zu essen. Sie war reich an Kohlenhydraten, aber arm an Vitaminen und tierischem Eiweiß. Selbst wenn die Versorgung mit Essen ausreichend war, musste man jeden Tag erneut darum kämpfen, seine Ration zu bekommen. Wenn zehn Leute gemeinsam aus einem Eimer aßen, nahmen sich die Stärkeren mehr, als ihnen eigentlich zustand, und die Schwächeren bekamen entsprechend weniger. Gefangenen, die ihren hölzernen Löffel verloren, gab man oft keinen neuen, und sie mussten den Brei, so gut es ging, mit den Händen zum Mund führen. Ein Hauptproblem der damaligen Schifffahrt war das Frischwasser. Man lagerte es in Holzfässern. Da aber keine Möglichkeit bestand, es ausreichend zu kühlen, wurde es nach einiger Zeit immer ungenießbarer.

 

Notdurft

Die Sklavenpferche werden nachts fest verschlossen und in der Dunkelheit von der Mannschaft nicht mehr betreten. Das war viel zu gefährlich. Wenn die Gefangenen sich während der Nacht erleichtern mussten, sollten sie die Wachposten bitten, die Luke zu öffnen und sie an Deck klettern zu lassen, damit sie die Aborte benutzen konnten. Auf einigen Schiffen wurden aber auch Kübel auf das Sklavendeck gestellt. Bei der qualvollen Enge, die auf dem Deck herrschte, stellte es größere Anforderungen an die Gefangenen, zu einem der Kübel oder zu der Leiter zum Oberdeck zu gelangen. Der Mann, der seine Notdurft verrichten wollte, und der mit ihm zusammengeschlossene Nachbar mussten sich gemeinsam in Bewegung setzen, wobei sie in der Dunkelheit häufig über die anderen Gefangenen stolperten oder fielen. Solche Kollisionen lösten Geschrei und Streitereien aus. Wenn sie sich absolut keinen Weg durch die Masse der Körper zu bahnen vermochten, gaben einige einfach auf und erleichterten sich an Ort und Stelle, womit sie ebenfalls ein Protestgeschrei vonseiten derer, die ihnen am nächsten waren, auslösten. Da viele an Durchfall litten oder sich übergeben mussten, war es unvermeidlich, dass sich im Lauf der Nacht eine Schicht aus Fäkalien oder Erbrochenem auf den Planken bildete.

 

Das Tanzen

Die meiste Zeit befanden sich die Sklaven unter Deck fest angekettet. Sie hatten kaum irgend eine Bewegungsmöglichkeit. Daher holte man sie einmal am Tag an Deck und ließ sie tanzen. Einige Seeleute machten Musik. Natürlich war das kein Tanz im eigentlichen Sinne. Die Sklaven sollten bewegt werden. Das Problem bestand darin, dass die Sklaven jeweils zu zweit mit starrem Eisen aneinander gefesselt waren. Tanzen machte das eigentlich unmöglich. Sie schwankten eher zu der Musik umher und sprangen, von einem Seemann angetrieben, ab und zu gemeinsam mit dem Partner in die Luft. Wenn sich Sklaven tanzunwillig zeigten, schlug durchaus die Peitsche den Takt.

 

"Auffrischung" der Sklaven

Bevor man das amerikanische Festland erreichte, wurde das Schiff 40 Tage lang in Küstennähe unter Quarantäne gestellt. Man wollte damit vermeiden, dass die Sklaven Epidemien eingeschleppten. Während dieser Zeit wurden die Sklaven aufgefrischt. Nun bekamen sie besseres Essen und frisches Obst und Gemüse. Haare und Bart wurden geschnitten und sogar die Körper mit Palmöl eingerieben. Die Sklaven sollten sich so gut es ging erholen, um bei dem nun bevorstehenden Verkauf einen Höchstpreis zu erzielen.

 

Brandmarkung

Um zu vermeiden, dass Sklaven übrig bleiben, fasste man sie in kleinen Gruppen zusammen. Nur so konnten alle verkauft werden. Meistens bestanden die Käufer aus Pflanzern, die neue Sklaven für ihre riesigen Plantagen brauchten. Jeder gekaufte Sklave wurde sofort mit einem glühenden Brandeisen auf Brust oder Rücken gekennzeichnet. Damit waren die Initialen des neuen Herrn in den Sklaven eingebrannt. Man hielt das Brenneisen in ein Becken mit Holzkohle, bis es rot glühend war. Der Gefangene wurde von zwei stämmigen Helfern herbei geschleift. Einer der Helfer rieb die Stelle mit Talg ein und legte ein gefettetes oder geöltes Stück Papier darüber, in das der andere dann das glühende Eisen drückte. Die Gefangenen versuchten sich zu wehren, jedoch vergeblich. Einige schrien vor Schmerz auf, wenn das Metall ihr Fleisch versengte, andere bemühten sich mit letzter Energie, die Prozedur stoisch zu ertragen. Auch nachdem das glühende Eisen wieder weggezogen worden war, schmerzte es gewaltig, wenn das Fleisch begann, in der Form des Zeichens des Eigentümers anzuschwellen. In den folgenden Tagen fingen die versengten Partien langsam zu heilen an, doch das Zeichen blieb sichtbar.

In der ersten Woche wurde der Sklave gut genährt und musste auch nicht arbeiten. Diese Vorgehensweise erwies sich nach den Entbehrungen der Überfahrt als sehr wirksam: Der Sklave erholte sich und konnte aus Dankbarkeit seine ganze Kraft in die Plantage stecken.