Zersplitterung Deutschlands (Karte blanko)

Der Westfälische Friede, der 1648 unter­zeichnet wurde, markierte das Ende jener religiösen und politischen Konflikte, die im Dreißigjährigen Krieg gegipfelt hatten. Der Habsburgerkaiser musste den größten Teil seiner Machtbefugnisse an die deutschen Fürsten ab­treten, die Säkularisierung aller Kirchengüter, die zwischen 1555 und 1624 erfolgt war, aner­kennen und den einzelnen Landesherren die Entscheidung über die Wahl der Konfession zu­gestehen. Von nun an gab es im Reich nie wieder Krie­ge wegen religiöser Differenzen.

 

Doch ein hoher Preis musste entrichtet werden

Deutsch­land war zum einen durch den Krieg verwüstet und entvölkert und zum anderen in Hunderte von Einzelstaaten aufgesplittert - die einen grö­ßer, die anderen kleiner, die einen katholisch, die anderen protestantisch, die einen mit einem weltlichen, die anderen mit einem geistlichen Herrscher.

Zwar verfügte das Reich noch über gemeinsame Institutionen - wie den in Perma­nenz tagenden Reichstag in Regensburg, dessen vielleicht wichtigster Delegierter der französi­sche Gesandte war doch deren Wirksamkeit war sehr gering.

 

Das Heilige Römische Reich Deutscher Nationen im Jahre 1648

Österreich

Im Mosaik kleiner, unbedeutender Staaten blieb nur Österreich eine Großmacht, deren Vorrangstellung jedoch zunehmend auf der Ausdehnung der habsburgischen Länder außerhalb Deutschlands, nämlich in Ungarn, Ita­lien und später in den Niederlanden, basierte.

 

Wenige Fürsten von Bedeutung

Auch die wenigen anderen Fürsten von einiger Bedeutung bezogen ihre Macht - und oft auch ihre Titel - von außerhalb des Reiches: So trug der brandenburgische Kurfürst ab 1701 einen Königstitel für das außerhalb der Reichsgrenze gelegene Preußen; der Kurfürst von Sachsen wurde 1697 König von Polen; der Kurfürst von Hannover 1714 König von England. Schweden herrschte über Bremen und Westpommem, Dä­nemark über Holstein, während Frankreich 1678 die Franche-Comte, 1681 Straßburg, 1697 den Rest des Elsass und 1766 Lothringen seinem Herrschaftsgebiet einverleibte.

 

Bevölkerungszahl

Die Bevölkerung in Deutschland, deren Zahl am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges zwi­schen 20 bis 25 Millionen betragen hatte, war drastisch reduziert: Die Verluste an Menschenle­ben variierten je nach Gegend stark, doch in manchen Regionen machten sie bis zu 70 Prozent aus. Dieser Schwund konnte bis ins 18. Jahrhundert nicht ausgeglichen werden. Der Krieg beschleunigte auch den wirtschaftlichen Niedergang, der gegen Ende des 16. Jahrhun­derts eingesetzt hatte. Die großen süddeutschen Handelsstädte wie Nürnberg und Augsburg (1627 Bankrott der Fugger) litten, wie Venedig, unter der Verlagerung des Handelsschwerpunk­tes vom Mittelmeer auf den Atlantik. Die hansi­schen Häfen, einst beherrschend in Ost- und Nordsee, vermochten der wachsenden Macht Hollands nicht zu trotzen und lösten ihre Vereinigung 1669 auf.

Die meisten Menschen waren dennoch in der Landwirtschaft tätig: Drei Viertel der Bevölke­rung lebten 1815 in Deutschland noch auf dem Land. Die Städte waren klein im Vergleich zu England und Frankreich: Berlin, das 1661 erst 6.500 Einwohner hatte, zählte zwar 1777 immer­hin 140.000, doch in Wien lebten damals schon 260.000, in Paris 670.000 und in London über 850 000. Viele deutsche Städte wie Weimar, Karlsruhe, Mannheim und Erlangen existierten vor allem als fürstliche Residenzen und Verwal­tungszentren mit nur geringem Wirtschaftsle­ben. In vielen wurde versucht, die Ideen der Aufklärung in ehrgeizige Reformprogramme einzubringen, die sich als überraschend erfolg­reich erwiesen, gerade weil diese Fürstentümer so klein waren. Winzige Fürstenhöfe wie Wei­mar wurden zu Zentren einer neuen literarischen Blüte mit Goethe und Schiller als Hauptvertre­tern.

Versuche von Kaiser Joseph II. (1780-90), Deutschlands unzeitgemäßes Kleinstaatensy­stem zu vereinfachen, wurden von Preußen ver­eitelt, das nunmehr mächtig genug war, jeden fremden Einigungsschritt zu blockieren, aber keinen eigenen machen konnte.

 

Nach den französischen Revolutionskriegen

Erst nach den französischen Revolutionskriegen wurde ernst­haft begonnen, die politische Landschaft zu ver­ändern. Die 64 geistlichen Herrschaftsbereiche wurden 1803 säkularisiert; 45 der 51 freien Reichsstädte und die verbliebenen Reichsritter gingen in größeren Einheiten auf. Diese Verän­derungen markierten das Ende des alten Reiches und schufen eine wesentliche Basis für die Ent­wicklung des 19. Jahrhunderts. Ihre Bedeutung wurde 1806 formell anerkannt, als Franz II. (1792-1806) schließlich auf seinen wohlklin­genden, aber zu dieser Zeit schon fast bedeu­tungslosen Titel verzichtete. Er war der letzte Kaiser des Heiligen Römischen Reiches deut­scher Nation in einer 850jährigen Reihe.