06 Tafel

In der Übersetzung von Prof. Dr. Albert Schott

Seinen Schmutz wusch er ab, reinigte sein Wehrgehäng,
Seinen Haarschopf schüttelt‘ er sich in den Rücken,
Warf die unreinen Kleider ab, zog sich saubre an,
Mit dem Mantel umhüllt‘ er sich, hat den Gürtel um.
Wie Gilgamesch die Königsmütze sich aufgesetzt,
Erhob zu Gilgameschs Schönheit Ihre Augen die fürstliche Ischtar:

 

»Komm, Gilgamesch! Du sollst mein Gatte sein!
Schenk, o schenke mir deine Fülle!
Du sollst mein Mann sein, ich will dein Weib sein!
Ich will dir bespannen lassen einen Wagen von Gold und Lasurstein,
Mit goldenen Rädern und Hörnern von >Mondstein Mit Stürmen, mit großen Mauleseln soll er bespannt sein!
Unter Zederndüften betritt unser Haus!
Dir sollen beim Eintritt in unser Haus
Türpfosten und Thronsessel die Füße küssen!
Vor dir sollen knien Könige, Vornehme und Fürsten,
Die Lullubäer‘ des Gebirgs und das Land sollen dir Abgaben bringen!
Die Ziegen sollen dir Drillinge werfen, die Schafe Zwillinge!
Dein lastbarer Esel hole das Maultier ein!
Dein Roß vorm Wagen, der feurigste Renner sei‘s!
Dein Rind im Joch habe keins, das ihm gleichkommt!«

 

Gilgamesch tat seinen Mund zum Reden auf
Und sprach zur fürstlichen Ischtar:

»Was muß ich dir geben, wenn ich dich nehme?
Brauchst du Salbe für den Leib, oder brauchst du Gewänder?
Fehlt es dir etwa an Brot oder Nahrung?
Freilich habe ich götterwürdige Speise,
Habe manchen Trank, der dem Königtum ansteht!

 

[1 Vers fehlt]

 

Doch wozu? An der Straße, da sei dein Sitz,
... mit einem Mantel magst du bekleidet sein,
Dann wird dich nehmen, wer immer Lust hat!
Ein Ofen bist du, der das Eis nicht ...
Eine unfertige Türe, die Wind und Blast nicht abhält!
Ein Palast, der niederschmettert den Helden,
Ein Elefant, der da abreißt seine Decke!
Erdpech, das seinen Träger besudelt,
Ein Schlauch, der seinen Träger durchnäßt!
Ein Kalkstein, der die steinerne Mauer sprengt,
Ein Jaspis, der das feindliche Land herbeilockt!
Ein Schuh, der seinen Besitzer kneift!
Welchen deiner Buhlen behältst du für allezeit lieb?
Welche deiner Racken, die ... hinaufgekommen wäre?
Wohlan, deine Liebsten will ich dir nennen!

 

[1 Vers fehlt]

 

Dumuzi, deinem Jugendgeliebten -
Ihm hast Jahr für Jahr du zu weinen bestimmt.
Da du die bunte Racke liebtest,
Hast du sie geschlagen, ihr den Flügel zerbrochen,
In den Wäldern weilt sie nun, >Kappi< [= mein Flügel] rufend!
Da den Leu du liebtest, den kraftvollkommenen,
Grubst du ihm Gruben, sieben und abermals sieben.
Da du liebtest das schlachtenfromme Roß,
Hast ihm Peitsche du, Stachel und Peitschenschnur bestimmt,
Sieben Doppelstunden zu rennen bestimmt,
Aufgewühltes zu saufen bestimmt,
Seiner Mutter Silili zu weinen bestimmt!
Da du den Hirten, den Hüter liebtest,
Der ständig dir Aschenkuchen geschichtet,
Täglich dir Zicklein geschlachtet hatte,
Hast du ihn geschlagen, in einen Wolf verwandelt:
Die eigenen Hirtenknaben verjagen ihn nun,
Und seine Hunde beißen ihn in die Schenkel.

 

Da du liebtest Ischullânu, deines Vaters Palmgärtner,
Der ständig dir Körbe voll Datteln brachte,
Täglich prangen ließ deinen Tisch -
Erhobst du zu ihm die Augen, gingst hin zu ihm:
,Mein Ischullânu, ach, genießen wir deine Kraft!
Und deine Hand sei ausgestreckt, faß an unsere Blöße!<
Ischullânu redete zu dir:
>Was verlangst du eigentlich da von mir?
Buk nicht meine Mutter? Hab ich nicht gegessen?
Daß ich nun essen müßte mein Brot unter Beschimpfungen und Flüchen,
Daß Halfagras nur meine Bedeckung wäre gegen die Kälte?<
Da du nun diese seine Rede hörtest,
Hast du ihn geschlagen, in einen Verkümmerten verwandelt,
Auch ließest du ihn wohnen inmitten von Mühsal.
Nicht sind oben ..., nicht liegt unten sein Schöpfeimer
Und liebst du mich, so machst du mich jenen gleich!«

 

Ischtar - kaum daß sie dieses hörte,
War sie, Ischtar, sehr zornig, stieg empor zum Himmel,
Es ging Ischtar hin, weint vor Anu, ihrem Vater.
Vor Antum, ihrer Mutter, fließen ihre Tränen:

»Mein Vater! Gilgamesch hat mich sehr beschimpft!
Beschimpfungen gegen mich reihte er aneinander,
Beschimpfungen und Flüche gegen mich!«

 

Anu tat zum Reden den Mund auf
Und sprach zur fürstlichen Ischtar:

»Wohl reiztest du selber den König von Uruk,
Darum reihte Gilgamesch Beschimpfungen gegen dich aneinander,
Beschimpfungen und Flüche gegen dich!«

 

Ischtar tat zum Reden den Mund auf
Und sprach zu Anu, ihrem Vater:

»Mein Vater! Schaff mir den Himmelsstier,
Daß er Gilgamesch töte in seinem Hause!
Schaffst du mir aber den Himmelsstier nicht,
So zerschlag ich die Türen der Unterwelt,
Zerschmeiß ich die Pfosten, laß die Tore weit offenstehn,
Laß ich auferstehn die Toten, daß sie fressen die Lebenden,
Der Toten werden mehr sein denn der Lebendigen!«

Anu tat zum Reden den Mund auf
Und sprach zur fürstlichen Ischtar:

»Wenn du den Himmelsstier von mir verlangst,
Wird es für Uruk sieben Spreujahre geben.
Dann muß ich für die Menschen Korn sammeln,
Wachsen lassen viel Gras für das Vieh!«

 

Ischtar tat zum Reden den Mund auf
Und sprach zu Anu, ihrem Vater:

»Vater, ich häufte Korn für die Menschen auf,
Gras für das Vieh hab ich auch beschafft!
Daß sie satt in den sieben Spreujahren werden,
Hab für die Menschen ich Korn gesammelt,
Wachsen lassen viel Gras für das Vieh.«

 

Als nun Anu der Ischtar Rede hörte,
Legte er des Himmelsstiers Leitseil in ihre Hand.
Hinab zur Erde führt‘ ihn jetzt Ischtar.
Als nun der Himmelsstier nach Uruk gelangte,

 

[1 Vers fehlt]

 

Stieg er hinunter zum Euphratfluß,
Durch das Schnauben des Himmelsstiers wurde eine Grube geöffnet:
Einhundert Männer von Uruk fielen in sie hinein.
Durch sein zweites Schnauben wurde eine Grube geöffnet:
Zweihundert Männer von Uruk fielen in sie hinein.
Durch sein drittes Schnauben wurde eine Grube geöffnet,
Und nun fiel Enkidu bis zu seiner Hüfte in sie hinein.
Herauf aus ihr sprang Enkidu, packte am Horn den Himmelsstier.
Der Himmelsstier warf nach vorn den Geifer aus,
Mit des Schweifes Dicke schleuderte er seinen Mist.

 

Enkidu tat zum Reden den Mund auf
Und sprach zu Gilgamesch:

»Wir rühmten uns, Freund, ...
Wie sollen wir antworten ...?
Ich sah, mein Freund, ...

 

[1 Vers fehlt]

 

Ich will ausreißen ...
Ich und du, wir müssen uns teilen:
Packen will ich den Stier am Schweif

 

[2 Verse fehlen]

 

Zwischen Nacken, Hörnern und ... soll ihn treffen dein Schwert.«

Es jagte Enkidu, zu greifen den Himmelsstier,
Da packte er ihn am Schweife fest,
Enkidu hält ihn mit beiden Händen,
Und Gilgamesch, wie ein kundiger Schlachter,
Stark und sicher trifft er den Himmelsstier,
Zwischen Nacken, Hörnern und ... mit seinem Schwert ...
Da sie getötet den Himmelsstier, sein Inneres ausgeweidet,
Legten sie vor Schamasch ihn nieder.
Sie traten zurück, voll Ehrfurcht vor Schamasch sich beugend;
Dann setzten sich beide Brüder. -

 

Auf stieg Ischtar auf Uruk-Garts Mauer,
Sie sprang auf ..., stieß ein Wehgeschrei aus:

»Weh über Gilgamesch, der mich beschmäht hat!
Den Himmelsstier erschlug er!«

Da Enkidu diese Rede der Ischtar hörte,
Riß er des Himmelsstiers Keule aus und warf sie ihr hin:

»Kriegte ich dich, auch dir tät‘ ich wie diesem!
Sein Geweide hängt‘ ich an deinen Arm!«

 

Es scharte Ischtar die Dirnen um sich,
Die Huren und Priesterinnen:
Über der Keule des Himmelsstiers hebt sie ein Klagen an.
Aber Gilgamesch rief die Meister, alle die Waffenschmiede,
Es rühmten die Meisterssöhne der Hörner Umfang.
Aus dreißig Pfund Lasurrstein sind sie gebildet,
Zwei Zoll beträgt ihrer Schalen Dicke. -
Sechs Kor [= 1'500 L] Öl, den Inhalt der beiden,
Schenkt‘ er als Salbe seinem Schutzgott Lugalbanda;
Erhängte sie hinein ins Schlafgemach des Hausherren.
Im Euphrat wuschen sie sich die Hände,
Sie faßten einander und zogen dahin,
Fahrend auf der Straße von Uruk.
Sie zu schauen, scharen sich Uruks Leute.

 

Gilgamesch spricht zu den Dienerinnen seines Palastes die Worte:

»Wer ist der herrlichste unter den Mannen?
Wer ist der gewaltigste unter den Helden?
Gilgamesch ist der herrlichste unter den Mannen!
Gilgamesch ist der gewaltigste unter den Helden!
Sie, der wir des Himmelsstiers Keule hinwarfen in unserem Grimm,
Ischtar ... hat auf der Straße niemand, der ihr Herz erfreut!

Gilgamesch hat in seinem Palast ein Freudenfest gefeiert -
Nun schlafen die Mannen, auf dem Nachtlager ruhend;
Auch Enkidu schläft und sieht einen Traum.
Da fuhr Enkidu auf, erzählt den Traum,
Und spricht zu seinem Freunde: