Eine erstaunliche Reise durch Zeit und Raum
Ein Beitrag von Christine Rank
Wir hatten die Besonderheiten der urindischen und urpersischen Kultur im Unterricht herausgearbeitet und stichpunktartig an der Tafel zusammengefasst. Nun besprachen wir, wie es wohl einem indischen Jungen ergehen würde, wenn er urplötzlich in die persische Kultur versetzt wäre. Was würde er nicht kennen, wie würde er reagieren? Daraufhin schrieben die Kinder ihre Erzählung von Kiaa und Atulya.
Nachdem die Kinder so schön eingestiegen waren, kam mir der Gedanke, dass ich die Geschichte auch noch für Mesopotamien nutzen könne und so entstand der 2. Teil.
Die folgende Erzählung stammt von Jakob aus der 5. Klasse.
1. Teil:
Ein kleiner Junge der nomadisch-urindischen Kultur verirrte sich in Zeit und Raum und begegnete im persischen Hochland einem sesshaften Hirtenjungen, der abseits seines Bergdorfes seine Ziegen hütete.
Kiaa, ein persischer Junge, hatte für seine Ziegen und seinen gehorsamen Hund, der die Ziegen hütete, einen schönen Platz im Gebirge gefunden. Er spielte Flöte und sah, wie auf einmal am Horizont einen kleinen Punkt auftauchte. Der Punkt wurde immer größer und größer, bis er erkannte, dass es ein indischer Junge war. Er war leicht gekleidet und trug Pfeil und Bogen. Er hatte sich in Zeit und Raum verirrt.
Als er jedoch näher kam, spannte der Junge plötzlich seinen Bogen und rief ängstlich: „Vorsicht ein Wolf!" Der Hund von Kiaa sprang an dem fremden Jungen hoch und schleckte ihn ab. Kiaa rief: „Moa, komm zurück!" Und der Hund kam zurück. Kiaa fragte: „Wie heißt du?" „Ich heiße Atulya und du?" „Ich heiße Kiaa und das ist mein Hund Moa. Dies ist meine Ziegenherde, auf die ich jeden Tag aufpasse. Ich lasse sie grasen." „Was ist ein Hund und warum laufen die Ziegen nicht weg?", fragte Atulya erstaunt. Kiaa erzählte, dass ein Hund ein gezüchteter Wolf ist und ganz harmlos sei. „Die Ziegen haben wir eingefangen und großgezogen und jetzt haben wir so eine große Ziegenherde. Wir können sie jeden Tag melken und sie haben sich an uns gewöhnt. Komm zu mir nach Hause, dann will ich dir alles andere zeigen." Als Kiaa und Atulya mit Kiaas Ziegen nach Hause kamen, kam für Atulya gleich die nächste Überraschung. Da war ein Mann vor dem ein Stier lief und dazwischen war ein Holzgestell, das die Erde auflockerte. Da fragte Atulya: „Was macht der denn da und warum rennt der Stier nicht vor ihm weg?" „Der Mann lockert die Erde auf, damit das Korn besser wächst", sagte Kiaa. „Was ist denn Korn?" „Das ist eine Art Gras, das an der Spitze Körner trägt. Wenn sie reif sind, ernten und mahlen wir sie." „Was tut man damit?", fragte Atulya erstaunt. „Wir backen daraus Brot. Man nimmt das Mehl, tut Wasser und Gewürze dazu und knetet alles gut durch, dann formt man es zu Kugeln und legt es auf einen vom Feuer erhitzten Stein. Jetzt wird es schön knusprig und wir können es essen."
Atulya und Kiaa gingen in Kiaas Steinhaus. Da fragte Atulya: „Was sind das eigentlich für schwere Steinzelte, wie tragt ihr die denn durch die Landschaft?" „Wir tragen sie nicht mit uns herum, wir bleiben immer am selben Ort." „Was!", rief Atulya, „ihr bleibt immer am gleichen Ort?" „Ja, aus diesem Grund haben wir ja auch die Ziegen und Kornfelder, von denen wir uns ernähren." Sie gingen in die Steinhütte und aßen ein Brot. Atulya schmeckte es vortrefflich. Nach dem Abendessen gingen sie ins Bett.
2. Teil:
Kiaa möchte nun auch Atulya in Indien besuchen. Beide suchen den Stein, auf dem Atulya schlafend nach Persien gelangt war. Allerdings erwachten sie nicht in Persien, sondern in Mesopotamien...
Als sie am nächsten Tag aufwachten, sagte Kiaa: „Wie bist du eigentlich hierher gekommen?" „Ich legte mich in Indien auf einem Stein zum Schlafen und als ich wieder aufwachte, war ich in Persien. Dann bin ich gelaufen und gelaufen bis ich zu dir kam." „Vielleicht geht das ja auch anders herum", überlegte Kiaa. „Wir können es ja mal probieren, wir müssen bloß eine ganze Weile laufen, ich glaube, ich würde den Stein noch finden." „Ja, das machen wir, eine gute Idee." Sie gingen los und nach einiger Zeit fanden sie den Stein. Sie legten sich darauf und schliefen ein.
Als sie aufwachten, befanden sie sich in Mesopotamien. Sie schauten sich um und sahen riesige Kornfelder, so groß, wie sie selbst Kiaa nicht kannte. Atulya meinte: „ Das sind ja riesige Kornfelder, so sieht meine Heimat nicht aus! Wir müssen woanders gelandet sein." Sie gingen ein Stückchen weiter und kamen an einen riesigen Strom, wo Menschen mit Eimern Wasser aus dem Strom schöpften und in eine Rinne gossen. Kiaa fragte: „Was machen die denn da?" Sie gingen solch einer Rinne nach und sahen am Ende, dass die Rinne dazu da war, auch weit abgelegene Felder zu bewässern. Als sie noch ein Stück gelaufen waren, sahen sie einen riesigen Berg, er ging gerade hoch und hörte nach etwa 10 Metern auf. Durch ihn hindurch gingen viele Leute und auch Gespanne fuhren hindurch. Er ging hunderte von Metern in beide Richtungen. Atulya sagte: „Was ist denn das für ein eigenartiger Berg?" „Ich weiß auch nicht", meinte Kiaa. Es war eine Stadtmauer, jedoch die beiden konnten ja nicht wissen, dass es so etwas gab, denn Kiaa kannte aus seiner Heimat nur kleine Dörfer. Sie gingen durch das Tor zu Stadt hinein, dort trafen sie einen alten Mann. Den fragten sie, was das für eine riesige Mauer sei. Der Mann antwortete: „Sie ist dazu da, dass die Feinde nicht in die Stadt kommen."
Sie gingen weiter und kamen an ein riesiges Haus mit großen Säulen. Neben dem Haus stand ein Junge, den sie fragten, was das für ein Haus sei. Der Junge erwiderte ihnen: „Das ist das Haus der Göttin Ischtar." „Ach so, denn für einen Menschen wäre es ja viel zu groß", sagte Kiaa. „Wie heißt du eigentlich?", fragte Atulya. „Ich heiße Aref." „Und was machst du da", fragte Atulya. „Ich schreibe auf diese Tontafel, wie viel Korn die Bauern in die Stadt einfahren. Wisst ihr, das hat was mit Steuern zu tun. Ich bin der Sohn eines Priesters." „Aber was sind das für Zeichen, die du da in den Ton machst?" „Wisst ihr das nicht? Das sind Schriftzeichen. Damit weiß man noch in hundert Jahren, was irgendein Bauer heute an Korn eingebracht hat." Sie bedankten sich für die Auskunft und verließen die Stadt. Sie kamen wieder an dem großen Fluss vorbei und fanden schließlich den Stein. Sie legten sich darauf und schliefen sofort ein.