Die griechische Kolonisation aus Sicht der «Barbaren»
"Barbaren"
Die Griechen profitierten sehr stark von der Kolonisation anderer Völker. Wie aber zeigte sich dies aus der Perspektive derjenigen Menschen, die die Griechen durch ihre Siedlungen verdrängt hatten?«Barbaren» nannten sie sie, «Stammler». Eine etwas überhebliche Bezeichnung, denn für griechische Ohren schienen jene Völker zu «stammeln», deren Sprache man nicht verstand! Das Überlegenheitsgefühl der Griechen gegenüber diesen als unkultiviert geltenden Stämmen drückte sich auch in der rücksichtslosen Selbstverständlichkeit aus, mit der sie auf fremdem Gebiet landeten und begannen, eine Stadt zu bauen. Ohne große Skrupel eigneten sich die Kolonisten Land an, auf dem ein anderes Volk schon viele Jahrhunderte lang lebte. Das führte oftmals zu kriegerischen Handlungen, wenn sich die «Barbaren» gegenüber den Eindringlingen zur Wehr setzten. Sie wollten ihre alten Rechte verteidigen. Die Griechen hatten allerdings die besseren, wirksameren Waffen. So blieb den «Barbaren» nichts übrig, als sich ins Hinterland zurückzuziehen. Dorthin folgten die Griechen ihnen wohlweislich nicht; sie mussten dort im unüberschaubaren Gelände mit Überfällen und Hinterhalten rechnen.
Handel
Trotzdem besserten sich die Beziehungen zwischen «Barbaren» und Kolonisten meistens nach einigen Jahren. Die Griechen wollten ja auch mit ihren neuen Nachbarn Handel treiben. Und die hatten eine Menge anzubieten: Rohstoffe zum Beispiel aus dem Landesinneren, in das sich kaum ein griechischer Händler vorwagte, die sich aber bestens zum Weiterverkauf ins Mutterland eigneten, wo sie oft hohe Preise erzielten. Die «Barbaren» wiederum schätzten die Produkte des griechischen Ackerbaus und Gewerbes, die sie selbst nicht herzustellen vermochten. Wein aus Hellas stand bei vielen «Barbaren»-Völkern ebenso hoch im Kurs wie Olivenöl, das von den griechischen Händlern in großen Tonkrügen geliefert wurde; aber auch Stoffe, Kleidung, Schmuck und Werkzeuge aus griechischer Herstellung waren sehr begehrt.
Kultur
Die meisten Völker sahen ein, dass sie den Griechen kulturell unterlegen waren. Deshalb waren viele bemüht, an den Annehmlichkeiten dieser Kultur teilzuhaben. Man erkannte die einstigen Feinde als eine Art Lehrmeister an und ahmte sie nach, soweit sich das mit der eigenen Lebensweise vertrug. Eine Reihe von «Barbaren»-Stämmen erwies sich als recht eifrige Schüler; sie übernahmen das Wertvollste, das ihnen die griechische Kultur zu bieten hatte: die Schrift! Das berühmteste «Barbaren»-Volk, dem griechische Kolonisten dieses kostbare Geschenk machten - ob in direktem Kontakt oder durch Vermittlung eines anderen Volkes, ist umstritten - waren die Römer. Dass sie dann «ihre» Buchstaben etwas abgewandelt haben gegenüber dem Vorbild, ändert nichts an der Tatsache der Übernahme an sich!