Welcher Geist in Sparta wehte

In Griechenland blühte erstmalig europäisches Eigenleben auf. Die Halbinsel mit den vielen Buchten und vorgelagerten Inseln wird durch kreuz und quer verlaufende Gebirge in kleine Land­schaften aufgeteilt, und hier schufen die alten Griechen gesonderte Kleinstaaten, deren Kern zumeist eine einzige Stadt war.

Der seltsamste dieser Stadtstaaten war das im Süden gelegene Sparta. Die Spartaner waren als wildes Kriegsvolk bekannt. Sie waren in diese Gegend eingedrungen und hatten die ursprünglichen Bewohner zu ihren Ar­beitssklaven gemacht. Sie selbst widmeten sich dem Kriegs­handwerk. Die normale Arbeit verachteten sie als eines freien Mannes unwürdig. Der vollkommenste Mensch war in ihren Augen der tüchtige Krieger, und ihre ganze Lebensweise war auf dieses Ziel gerichtet.

Kam in Sparta ein Kindlein zur Welt, so trug man es auf einem Schild ins Gemeindehaus zur staatlichen Besichtigung. Nur wenn es kräftig war, durfte es aufgezogen werden; andernfalls gab man es im Gebirge dem Hungertode preis. Die Erziehung war hart. Das Kind wurde ohne Windeln auf eine Pritsche gelegt und früh an Frost und Hitze, Dunkelheit und Einsamkeit gewöhnt. Die Knaben wurden schon mit sieben Jahren von den Müttern getrennt und in staatliche Zucht genommen. Sie turnten und kämpften unbekleidet, schliefen auf Streu von hartem Schilf und erhielten nur karge Kost, so dass sie stehlen mussten, um satt zu werden. Gelang der Diebstahl, so wurden sie gelobt, im andern Fall mit Peitschenhieben und Hunger für ihre Ungeschicklichkeit bestraft. Lesen und Schreiben lernten sie nur dürftig; man legte weit größeren Wert auf körperliche Tüchtig­keit, Ausdauer, Mut, List, Kampfesfreude und Widerstandskraft in Mühsal und Qual. Im Jünglingsalter wurden sie zuweilen gepeitscht, damit sie heftigsten Schmerz ertragen lernten; dabei durften sie kein Zeichen des Schmerzes, keinen Klagelaut von sich geben. Auch die Mädchen wurden durch Kampfspiele gestählt, damit sie kräftige Mütter kräftiger Kinder würden. Echtes Familienleben war den Spartanern fremd.

Die Männer übten sich gemeinsam im Kampf, frönten der Jagd und aßen ge­meinsam an langen Tischen wortkarg ihre «schwarze Suppe»: mit Salz und Essig gesäuertes, in Blut gekochtes Schweinefleisch. Rief aber der Krieg, so zogen sie purpurne Gewänder an und schmückten sich mit Kränzen wie zu einem Feste; denn darin sahen sie den Sinn ihres Lebens: für Sparta, ihr Vaterland, zu siegen oder zu sterben.