Strafarbeit einmal anders

Ein Beitrag von Thomas Peek (Ita Wegman Schule Benefeld)

Hätten das die Pharaonen gewusst...

In der 6. Klasse lebte die ausführliche Epoche „Ägypten zur Pharaonenzeit" fast ein ganzes Schuljahr nach. Für die Pinnwand im Flur entwarfen Schüler noch Monate nach Epochenende Zeichnungen von Pharao Ramses, ägyptischen Tempeln und wie selbstverständlich auch von der schönen Kleopatra. Besonders beliebt war bei vielen die während der Epoche mehrmals geübte Schreibweise ägyptischer Hieroglyphen.

Auf jeden Betrachter wirken diese oft geheimnisvollen Zeichen unterschiedlich. Einige Schüler schrieben oder besser zeichneten sehr gerne Hieroglyphen mit den charakteristischen und einprägsamen Umrissen von Körperteilen, von Tieren oder Dingen des täglichen Bedarfs. Während der Regenpause entstanden mehrmals Schmierzettel, die in fast meditativer, jedenfalls übender Schreibweise reihenweise Wachtelküken (unsere Hieroglyphe für den Buchstaben W), Eulen (unser Zeichen für M) oder beispielsweise Hornvipern (unser Zeichen für F) zeigen. Die exakte Darstellung der Schwanzstellung des standardisierten Löwen (des Zeichens für L) übten einige Schüler von selbst immer wieder für sich. Es hatte mehrmals den Anschein, als entdeckten sogar einige Kinder in diesen Zeichen für sich etwas wie Urbilder. Dieses Phänomen war bereits lange zuvor beobachtet worden, als wir während der ersten Geschichtsepochen Höhlenmalereien besprachen und Wisente oder Mammuts zeichneten.

Jetzt wurde im Unterricht anhand von Abbildungen und Geschichtsdaten allmählich entdeckt, dass die Schreibweise von Hieroglyphen etwa 3500 Jahre nahezu unverändert blieb. Vergleichbares hatte es seitdem nie wieder gegeben!

Ein grundsätzliches Problem bei der Entzifferung ägyptischer Inschriften ist die Orientierung der Zeilenausrichtung. Die Texte sind von links nach rechts, von rechts nach links, von oben nach unten oder anderswie zu entziffern. Das gelingt nur durch die Kenntnis von Schlüsselbegriffen. Durch gezieltes Abschreiben und Übersetzten kurzer antiker Inschriftentexte wurde mit den Schülern also auch die Orientierung auf dem Blatt geübt. Das war für mehrere der tapferen Schreiber bald eine besondere Herausforderung.

Ägyptischen Priester oder Beamte verzichteten in ihren Texten auf Vokale. Vor allem deswegen kann die damalige Aussprache weitgehend nur vermutet werden. Als zur Illustration einmal der erste Satz des Morgenspruches ohne Vokale an der Tafel stand: „ch sch n d Wlt, n d d Snne lcht" (für: Ich schaue in die Welt in der die Sonne leuchtet...") wurde das nicht nur Anlass für Grammatikübungen, sondern drei Sechstklässler machten es sich begeistert zum Sport einander in dieser „Geheimschrift" Vertraulichkeiten mitzuteilen.

 

Ein Junge war ...

Ein Junge war ganz besonders fasziniert vom Leben am Nil zu Beginn der Antike. Aus der Bücherei entlieh er viel der erreichbaren Literatur und führte ein besonderes Heft, in das einige Tempel abgezeichnet und viele Inschriften kopiert wurden. Als sein Lehrer einmal zur Illustration eine alte Grammatik der Hieroglyphen mitbrachte, erbat sich der Schüler diese gegen Unterrichtsende als Leihgabe. Nach wenigen Tagen kehrte er mit zwei Ausgaben derselben Grammatik zurück, mit der entliehenen und einer, die ihm seine Eltern gebraucht erwerben mussten. Fortan wurde sein Epochenheft reichlich mit Hieroglyphentexten illustriert. Dabei wurde ein System benutzt, dass die Buchstaben der deutschen Sprache nur durch Hieroglyphen ersetzte. Streng genommen schrieb der Schüler also Texte auf Deutsch in archaischen Zeichen. Die Vokale wurden dabei ebenfalls eingetragen.

 

Eine Strafarbeit

Fast ein Jahr später sollte der Junge als Strafarbeit die Pausenhofregeln abschreiben. Zunächst völlig uneinsichtig, lenkte er nach einigem guten Zureden schließlich dennoch ein. Aber zu einfach wollte er es der betreffenden Lehrkraft nicht machen. Also wurden die Pausenhofregeln in Hieroglyphen geschrieben (Abbildung unten).

Entsprechend den gängigen Übersetzungsschemata werden im Folgenden Zeilenumbrüche kenntlich gemacht und fehlende Buchstaben eingeklammert ergänzt. Die Wortabstände sind dem Hieroglyphentext nachempfunden.

Da in der antiken Aussprache selten sicher zwischen den Lauten S und Z zu unterscheiden ist wurde im Originaltext wahlweise das Zeichen für Brotlaib oder der umgeschlagenen Stoff verwendet. Beides wird im Deutschen als S wiedergegeben. Eine besondere Herauforderung bereiteten dem Schreiber offensichtlich die Umlaute Ä und Ü. Mehrfach finden sich deshalb Striche über dem Geierzeichen (für das A) oder über dem Wachtelküken (für das U). Die besondere Zählweise durch senkrechte Striche in einem erweiterten D entnahm der Schreiber vermutlich seiner Grammatik, die dafür einige Beispiele aus ptolemäischer Zeit nennt.

Thomas Peek

 

Hier nun die abgegebene Strafarbeit des Schülers und im Folgenden auch die Antwort seines Lehrers, weitgehend verfasst in der gleichen Hieroglyphenwahl.

PAUSENHOFREGEL|

LN|

1 SPIELMATERIALAUSGABE VON|

10 BIS 12.20. ALLE AUFSICHTE(n) HELFEN|

NACH DEM ERST(e)N KLINGELN . UM 10.15|

DASS DIE GERATE EINGESAMMELTWERDEN.|

UM 10.10 WIRD IIx GELAUTET.            2|

AUF DEM BASKETBALLPLATS|

DARF MIT DEN HARTEN BALLEN|

GESPIELT WERDEN, UNTER DEN BAUM|

EN NUR MIT DEN SOFTBÄ(!)LLEN.|

3 STEINE, EICHELN; SCHNEEBALLE UND|

STOKHE WERFEN ODER ROTSEN USW|

HAT KONSEQUENSEN , DIE DER KLASS|

ENLEHRER UND DIE AUFSICHTBESCHLIESSEN|

4 AUF DEM PAUSENHOF (wird) WEDER GEGESSEN|

NOCH GETRUNKEN AUCH (?)EINE|

KAUGUMMIS . 5 TOILETTENGANGE VOR|

DEM HINAUSGEHEN ODER VOR DEM UNT|

ERRICHT DIE ROTEN TÜ(!)REN SIND|

VERSCHLOSSEN 6 FUSSBALLSPIELEN IST|

IN DER PAUSE VERBOTEN 7 BALLVERB|

OTE U.A. WERDEN IN DIN LISTE AN|

DER TUR EINGETRAGEN . 8 DER PAU(s)ENHOF|

ENDET AN HINTEREN BASKETBALLPLATS|

AUCH AN DER WIESE VOR DEM HINTON (Pavillon?) SOLLEN|

KEINE SCHÜ(!)LER STEHEN . EBENSO NICHT NEBEN|

DEN SCHULGEBAUDE . 10 DIE NOTFALLTREPPE/ AUSG|

ANGDARF NURIM NOTFALL BENUTST|

WERDEN SIE IST KEIN . RUHEPLATS ! 11 WIE BEKANN|

T . SIND HANDIIS GRUNDSATSLICH AN DER SCHULE|

NICHT ERLAUBT . 12 DIE SCHULER STEHEN NICHT|

AN DEN TUREN; SONDERN AUFDEM HOF . |