Wie meine Transparentbilder entstanden

AUS LANGEWEILE ODER ABSICHT?

Jahrelang waren andere Dinge dran: Schule, Studium, Beruf, Familie – bis mich eine Krankheit für Monate zur Ruhe zwang, zum Nachdenken und Erinnern. Da fing ich wieder an zu schnippeln – etwa so, wie ich 23 Jahre vorher aufgehört hatte: kleine Bildchen wie in der Kinderzeit, mit der Nagelschere aus buntem Seidenpapier geschnitten. Halb aus Lust, halb aus Langeweile, es stand keine konkrete Absicht dahinter. Oder doch? Vielleicht die, eine Geschichte, von der ich innerlich ergriffen war, ins Bild zu setzen. Es war eine russische Legende.

Wieder gesund, musste ich die berufliche Tätigkeit als Ingenieur wieder aufnehmen. Doch hatte ich so viel Gefallen am Scherenschnitt gefunden, dass ich in der Freizeit weiter machte. So entstanden im Laufe der Jahre viele Bilder. Immer bezogen sie sich auf Legenden, Märchen oder biblische Texte. Es ging mir darum, die sprachlichen Bilder in eine sichtbare Form zu bringen. In sich geschlossene Erzählungen waren Grundlage für mein ganzes Bilderschaffen.

 

DURCHLICHTUNG DER MATERIE – DAS SCHICHTEN

Nach und nach entdeckte ich die Möglichkeiten, die sich durch das Schichten von dünnen Papieren auftun. Feinste Abstufungen, Schattierungen der Helligkeit und Farbintensität; vor allem eine unglaubliche, fast grenzenlose Vielfalt an Farbnuancen. Ein rotes Papier über ein blaues gelegt, ergibt im Durchlicht eine andere Violett-Nuance, als wenn das rote Papier unter dem blauen liegt …

An einem gemalten Bild macht das Licht die Farben und Formen sichtbar. Die Wahrnehmung bleibt aber an der Oberfläche stehen. Weder das Licht noch unser Schauen dringen ein in die Materie des Bildes. – Beim Transparentbild macht das Licht auch Farben und Formen sichtbar, aber es muss durch die Materie (die Papierschichten) hindurch dringen. Die „Durchlicht – Farben“ entstehen also in einer viel intensiveren Auseinandersetzung des Lichtes mit der Materie als die so genannten „Körperfarben“. Deshalb empfinden wir die einen stärker in ihrer Wirkung als die anderen.

 

"DER HIMMEL BRENNT"

Einmal aufmerksam geworden auf solche Phänomene, achtete ich auch im Freien mehr auf die besondere Farbkraft des „durchscheinenden Lichtes“: wie der Himmel „brennt“, wenn morgens das Sonnenlicht durch Schleierwolken dringt; oder wenn im Frühling das Blattgrün aufleuchtet im durchscheinenden Sonnenlicht; auch das Blau der fernen Berge gehört zu diesen Erscheinungen. - Reiseerlebnisse wurden in der Erinnerung lebendig: Ein Herbsttag in Schweden, die Birken leuchten im Abendlicht in einem überwältigenden Orange – Farbklang … oder ein Sommertag in Griechenland: scharfe Schatten, blasse Farben und eine alles erfüllende, dichte Helligkeit. – In Goethes Farbenlehre sind diese Erscheinungen alle erfasst, das wurde mir aber erst später klar, als ich an der Waldorfschule unterrichtete.

Im Lauf der Jahre habe ich die Bilder oft gezeigt: in Kindergärten, Schulen und Altersheimen, bei Weihnachtsfeiern, Betriebsfesten und Hochzeiten; auch beim CVJM und den Rotariern, bei den Landfrauen und Waldorflehrern. Immer wieder wurde mir gesagt: „Oh… diese Farben! Diese Farben sind so schön!“ Das physikalische Phänomen hat die Menschen stark beeindruckt, unabhängig von der Bildgestaltung und Erzählung.

Diese Wirkung tritt allerdings nur ein, wenn der Raum, in dem die Bilder gezeigt werden, abgedunkelt ist. Sobald Licht auf die Vorderseite des Transparentes fällt, verschwinden die Durchlichtfarben, übrig bleibt nur noch eine öde Fläche. Es ist wie in einem gotischen Dom mit farbigen Fenstern: das Dämmerlicht im Zuschauerraum erleichtert das Hinhören und die innere Sammlung und lenkt den Blick auf das farbig leuchtende Transparent.

Bei einigen Bilderserien habe ich jedoch vollständig auf Farbe verzichtet und alles in schwarz/weißen Bildern dargestellt. Es sind Erzählungen, die sich mehr den Verstand wenden als ans Gemüt. Das sind zum Beispiel jene Erzählungen, die man „Schwank“ nennt. Im Schattenbild bleibt manches verdeckt oder unausgesprochen, was die Phantasie des Zuschauers dann ergänzt.

 

WIE MACHT MAN TRANSPARENTBILDER?

Man zieht sich in eine dunkle Ecke zurück. Ja, dunkel muss es sein! Denn so, wie die Bilder auf den Zuschauer nur in einem dunklen Raum wirken, so muss auch bei der Herstellung der Bilder Gegenlicht weitgehend ausgeschaltet werden. Eine gewisse Orientierung im Raum ist dennoch erforderlich, man muss ja an die Papiervorräte rankommen.

Die Arbeitsfläche ist eine Glasplatte, etwas größer als das Bild, die waagrecht auf einer Kiste aufliegt wie ein Deckel. Der (einzige) Inhalt dieser Kiste ist eine elektrische Glühlampe, die leuchtet. – Natürlich kann man die Einrichtung noch verbessern, indem man z. B. opakes Glas verwendet. Praktisch ist es, wenn man die Möglichkeit hat, beim zwischenzeitlichen Betrachten des Bildes die Neigung der Platte zu verstellen… Mehrere stabförmige Glühlampen verbessern die Lichtverteilung. – Man kann auch versuchen, mit speziellen Lampen das Tageslicht zu imitieren, usw. … Die Qualität der Bilder ist aber nicht unbedingt abhängig von solchen Raffinessen.

Allerdings muss man sich um das Lichtspektrum kümmern, wenn man die farbigen Transparente fotografieren will. Tut man das nicht, sind die Ergebnisse jämmerlich! Die besten Fotos habe ich mit Tageslicht im Fenster gemacht.

Ein breites Sortiment an Farben ist hilfreich; vor allem an hellen Farbtönen, denn nur die hellen Töne sind für Schichttechnik geeignet. – Mit dem „Deckblatt“ prägt man dem ganzen Bild eine bestimmte Stimmung auf. Das ist für den Gesamteindruck wesentlich. –Seidenpapiere kann man entweder mit der Schere schneiden, in der Laufrichtung des Bogens reißen oder mit einem Messer „perforieren“ (und dann auch quer zur Laufrichtung reißen). – Will man Transparente fürs Fenster (im Tageslicht) machen, so sind die gewöhnlichen Seidenpapiere ganz ungeeignet. Sie verblassen nach kurzer Zeit, weil der UV-Anteil des Sonnenlichtes die Farbstoffe zerfallen lässt. Für solche Bilder eignen sich die so genannten Japanpapiere.

Wenn man an einem Bild arbeitet, sollte man das Verkleben der Papiere so lang wie möglich hinausschieben. Die Teile können ja nicht wegrutschen, wenn die Glasplatte waagrecht liegt. Was einmal verklebt ist, lässt sich kaum wieder lösen; Änderungen sind dann schwierig. – Als Klebstoff eignet sich der übliche Klebstift für Papier. Die Sorte, die Lösungsmittel enthält, hat den Vorteil, dass sie die Farben nicht anlöst. –


"So spiegele dich in meinem Spiel, o Mensch, und erkenne dich selbst … Spiele den Dämon, wie es dem Dämon passt, und spiele den Edlen, wie es dem Edlen zukommt! Aber wisse: der Schatten Freude ist nicht meine Freude und der Schatten Schmerz ist nicht mein Schmerz."

(Aus: Göttliches Schattenspiel“ von Noto Soeroto / v. Veltheim-Ostrau)


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