Michaeli im Waldorfkindergarten Krefeld Fichtenhain

Am Tag vor Michaeli wird der Jahreszeitentisch neu gestaltet. Darauf stehen der Ritter mit seinem Pferd und der Drache, die einander gegenüberstehen. Dazu kommen ein Schwert, eine Waage, welche auf der einen Seite mit dunklen Steinen gefüllt ist, sie stehen für das Schwere, das uns manchmal Mühe macht. Daneben liegen helle Steine, sie symbolisieren das Gute, das Lichtvolle, das wir in uns tragen. Immer, wenn ein Kind etwas Gutes tut – zum Beispiel jemandem hilft, freundlich ist, Mut zeigt, sorgsam mit Dingen umgeht, etwas selbstständig schafft oder besonders ordentlich aufräumt - darf es einen hellen Stein auf die andere Seite der Waage legen. So sehen wir, wie das Gute wächst und stärker wird – bis die Waage sich neigt und das Licht das Dunkle überwiegt. Das ist der Mut und die Kraft Michaels, die in jedem von uns lebt. Auch Herbstfrüchte finden auf dem Jahreszeitentisch ihren Platz: kleine Zierkürbisse, Kastanien und Eichelhütchen – sie lassen ihn herbstlich lebendig wirken. Auch die Esstische werden nun mit roten Tüchern geschmückt.

Am Michaelitag selbst bringe ich morgens frische Ranken mit – wilden Wein oder Efeu. Damit werden die Tische geschmückt und ein bis zwei Ranken finden auch ihren Platz auf dem Jahreszeitentisch. So verbinden sich die roten Tücher mit den herbstlichen Ranken zu einem festlichen Ganzen.

In der morgendlichen Freispielzeit entstehen kleine Drachen aus Stockmar-Bienenwachsknete. Die Kinder suchen sich Stöckchen, um die sie den Drachen modellieren. Außerdem schneiden sie kleine Schwerter aus Goldpappe aus. Diese werden gelocht, mit einem roten Wollfaden versehen und können so als Kette getragen werden.

Es gibt einen besonderen Michaeli-Morgenkreis. Er eröffnet mit einem Spruch, geht über in den Michaelireigen mit Lied und Versen, bis schließlich die Stimmung ganz von Kraft und Mut getragen ist. Danach wird gefrühstückt. Der Tisch ist festlich gedeckt, mit roten Tüchern und Ranken, dazu gibt es Traubensaft – bei uns Drachenblutsaft genannt, der uns mutig und stark macht – und die gebackenen Schwerter aus Hefeteig. In diesem Jahr haben wir zwei große Schwerter gebacken, da wir in Küche und Gruppenraum je zwei Tische decken. Unsere Vorschulkinder sitzen an einem separaten Tisch.

Durch das Frühstück gestärkt, machen wir uns auf den Weg in den Wald. Ich habe eine kleine Tasche dabei, in der ein Taschenmesser und festes Garn liegen, um die Schwerter vor Ort zu binden. Auch die Schatzkiste ist in der Tasche, die wir später unbemerkt im Wald verstecken. Unterwegs finden wir Drachenspuren, hören Flügelschlagen und die Kinder entdecken schließlich die Schatzkiste. Sie ist gefüllt mit Kastanien, zwischen denen funkelnde Edelsteine liegen. Gemeinsam binden wir mit den Kindern Stöcke und Äste zu Schwertern, ehe wir uns mit dem Schatz im Gepäck wieder auf den Rückweg machen.

Zurück im Kindergarten geht es noch einmal in den Garten. Dort wagen sich die Kinder an kleine Mutproben. Sie balancieren, klettern und springen schließlich mutig von einem hohen Palettenstapel hinunter – alle gestärkt vom Schwertbrot und voller Freude über ihren Mut.

Vor dem Mittagessen - im Märchenkreis, bei Kerzenschein – lesen wir noch die Geschichte: „Die Prinzessin in der Flammenburg“.

Edelsteine und Schwerter dürfen die Kinder selbstverständlich mit nach Hause nehmen. Am Nachmittag entstehen draußen noch weitere kleine Drachen aus Knete und manche Kinder schneiden sich noch ein goldenes Schwert als Kette aus. Mit ihren Schwertern und vorrätigen Pferdeleinen werden sie noch zu kleinen Rittern, ziehen mutig hinaus ins Freie und üben sich im tapferen Rittersein.

Nach Michaeli führen wir das Ritterspiel noch eine Woche lang weiter. So klingt unsere Michaelizeit mit viel Mut und Bewegung aus.