Die Alpenüberquerung vom Gotthardt bis Locarno

Ein Beitrag von Michael Godehardt (Klassenlehrer an der Rudolf Steiner Schule Hagen)

Prolog

Die berühmte Alpenüberquerung zum krönenden Abschluss der Klassenlehrerzeit - schon seit einigen Jahren war sie immer wieder sporadisch Thema auf Elternabenden oder bei sonstigen Klassengesprächen. Wobei Herr Godehardt sich immer ein wenig skeptisch gab: Diese Klasse sei mehrheitlich so wenig sportlich ambitioniert und zurückhaltend, ob ein solches Wagnis mit diesen Schülern möglich sei?

Denn jeder, der schon einmal das größte europäische Gebirge bewandert hat, weiß, dass unser Sauer- und Siegerland dagegen eine seichte Hügellandschaft ist. Aber wir Eltern blieben unbelehrbar, und so stand es denn zu Beginn der 8. Klasse fest: Herr Godehardt würde auch bei seiner dritten Klasse nicht darum herumkommen, die Alpenwanderung sollte zum Ende des Schuljahres stattfinden.

Nun kann man aber eine Hüttentour quer durchs Tessin nicht wie eine Pauschalreise mal eben im Reisebüro buchen - schon gar nicht für gut 30 Personen. Schnell fand sich das „Alpenteam" zusammen - zwei Väter, zwei Mütter und der Klassenlehrer - und machte sich mit Eifer bereits im Herbst 2011 an die Planung und Vorbereitung. Schnell war klar, dass wir die ursprüngliche Route früherer Klassen um ein paar Tage kürzen mussten. Nicht nur, um das finanzielle Limit von 500,-€ pro Schüler zu halten (speziell die schweizerischen Hütten waren um einiges teurer geworden), sondern auch, weil die Sommerferien sehr früh beginnen werden und unsere Tour bereits Ende Juni starten musste - da hatten einige Hütten noch gar nicht auf! Aber nach einigem Hin- und Hertelefonieren, zahlreichen E-Mails und Beratungstreffen stand die Route fest, alle Hütten sowie der Reisebus waren gebucht und Eltern und Schüler waren auf vorbereitenden Elternabenden und Ausrüstungschecks ebenfalls ausreichend informiert und vorbereitet worden.

Es konnte endlich losgehen, unser Bergabenteuer! Und so trafen wir uns am Sonntag, den 24. Juni 2012 um 23:00h an der Schule. Wir fanden es finanztechnisch klug, durch die nächtliche Anfahrt eine Übernachtung zu sparen und gleichzeitig einen Tag zu gewinnen. Schnell wurde uns Betreuern allerdings klar, dass die Vorstellung, im Bus könnte man ja schlafen, um Kraft für den ersten Wandertag zu sammeln, ein bisschen blauäugig gewesen ist - was soll's, jedenfalls ging die Reise lustig los und gegen 3 Uhr nachts war dann auch tatsächlich der Letzte eingeschlummert oder zumindest verstummt. Das Wetter war auch nicht gerade ermutigend - die ganze Fahrt nur Regen. Aber dann, am Morgen des 25. Juni, als wir den Gotthardt quasi umrundeten, da erwartete uns unser Startort Airolo mit strahlendem Sonnenschein!

 

Tag 1

Um 8 Uhr morgens verließen wir am Bahnhof von Airolo unseren Reisebus, verabschiedeten uns von unserem Fahrerteam für die nächsten acht Tage bis zum Wiedersehen am Lago Maggiore. Ein schon irgendwie komisches Gefühl, sich ab jetzt nur noch mit eigener Muskelkraft fortzubewegen und alles Notwendige auf den eigenen Schultern zu tragen...

Aber zunächst ging es noch gar nicht richtig los. Wir mussten erst warten, bis die Bank aufmachte, um Euro in Schweizer Franken zu wechseln (Welch ein Luxus, unsere Eurozone! Für einige Schüler war es auch der erste Kontakt mit einer fremden Währung - als Matheübung nicht schlecht, ansonsten eher lästig...), und wir kauften Schweizer Käse und Salami für die ersten beiden Mittagsjausen. Gar nicht einfach, den Bedarf für 30 Personen richtig einzuschätzen! Zu wenig würde zu Hunger und Unmut führen, zu viel zu Ärger, weil unnötiges Gewicht.

Aber dann ging es endlich wirklich los, die Rucksäcke geschultert, und das Klappern der Wanderstöcke war weithin zu hören, als sich unser Trupp aufmachte zur Seilbahnstation, die uns hinaufbringen sollte ins Gebirge. Die Höhenmeter muss man sich einmal vor Augen führen:

Gestartet in Hagen bei knapp über 100 m ü. M., Busausstieg in Airolo auf 1.175 m ü. M., und dann Beginn der Wanderung an der Seilbahnstation Pesciüm bei 1.745 m ü. M. Damit nicht genug, lag unsere erste Hütte, die Cristallina-Hütte, die wir am Abend des 25.6. erreicht haben wollten, auf 2.500 m ü. M. Aber dazu später mehr...

Das Panorama ist überwältigend schön! Man hat geradezu das Gefühl, eine kitschige Fototapete vor sich zu haben: sattgrüne Wiesen, schneebedeckte Gipfel - und wir mittendrin. Frohen Mutes macht sich die Gruppe bei weiterhin strahlendem Sonnenschein auf den Weg. Das Wandern in der Gruppe müssen wir allerdings noch üben. Schon nach einer halben Stunde verpasst die Nachzüglergruppe eine Abzweigung und erklimmt den falschen Aufstieg - also wieder zurück, das ist die erste Frustration. Zwei Jungs laufen etwas später an der Abzweigung zu unserem ersten steilen Aufstieg vorbei und müssen wieder eingefangen werden. Wir einigen uns darauf, möglichst auf Sichtweite zu bleiben. Vor dem großen Aufstieg auf die zu erklimmenden 2.500 Meter machen wir Mittagspause. Brot von Hof Sackern, Käse und Wurst, dazu Alpenquellwasser - köstlich! Und dann beginnt unser Angriff auf den Berg, steil, steil hinauf. Wir sehen Murmeltiere und erreichen schließlich die ersten Schneefelder. Dass die Zeitangaben auf den Schweizerischen Wanderschildern nicht für Anfänger wie uns gemacht sind, erkennen wir recht schnell...:-)

Leider geht es einer Schülerin mit Asthma immer schlechter, das Wetter schwingt zu allem Übel auch um, es wird feucht und klamm und teilweise neblig. Wir müssen an einem Gletschersee vorbei über ein Schneefeld, kommen zum Teil vom Weg ab, weil die Markierungen wegen Schnee und Nebel schwer erkennbar sind, dadurch wird der Aufstieg noch steiler, ein echtes Abenteuer gleich am ersten Tag. Endlich kommt die Hütte in Sicht, ist aber immer noch weit entfernt und ziemlich weit oben. Die letzten 1,5 Stunden entpuppen sich als wahre Herausforderung an unsere Kräfte und Fähigkeiten. Als der Großteil der Gruppe endlich die sichere Hütte erreicht hat, wird klar, dass es eine Schülerin nicht schaffen wird. Gerade rechtzeitig können wir von der Hütte aus die Bergwacht rufen, die Schülerin und Betreuerin per Hubschrauber am Seil auf die Hütte und die Schülerin letztlich ins Krankenhaus bringt. Für sie ist die Tour leider schon zu Ende, aber zum Glück mit glimpflichem Ausgang. Jetzt ist auch allen klar, dass die Alpenwanderung kein Spaziergang, sondern eine wirkliche Herausforderung sein wird.

Für die anderen beginnt nun zum ersten Mal der Hüttenalltag. Dreckschleuse am Eingang, Trockenraum, Nachtruhe direkt nach dem Abendessen. Die Betreuer verspüren nach diesem physisch wie psychisch anstrengenden ersten Tag dringenden Rotweinbedarf, die meisten Schüler gönnen sich eine ebenso unverschämt teure amerikanische Limonade.

 

Tag 2 - Dienstag, 26.6.

Rückblickend weise geplant: heute ist Ruhetag! An dem freiwilligen Ausflug rund um die Hütte nehmen nur wenige Freiwillige teil, die meisten vertreiben sich die Zeit in der Hütte oder mit Tütenrutschen auf dem Schnee rund um die Cristallina-Hütte. Mit so viel Schnee hatten wir wahrhaft auch nicht gerechnet! Zum Abendessen gibt es Pizza und Risotto, die Nachtruhe um 22 Uhr können wir auf Grund geballtem Wächteraufgebot durch die Betreuer fast einhalten. Die Jugendlichen erscheinen uns fast zu erholt - es wird Zeit, dass der nächste Wandertag kommt.

 

Tag 3 - Mittwoch, 27.6.

Um 6:30h wecken wir die Schüler, die Zimmer sollen noch vor dem Frühstück aufgeräumt werden. Entpuppt sich als schwierig, offenbar gehört der herumliegende Müll niemandem - ein Bergwunder! Nach der Zimmerabnahme gibt es Frühstück, und um 8:30h stehen wir alle wieder in voller Montur vor der Hütte, es kann losgehen. Die Tour beginnt mit einem schneereichen Abstieg vorbei am eingefrorenen Gletschersee. Das Panorama ist unglaublich. Doch prompt die erste Panne, Betreuer Jörg sinkt bis zur Hüfte mit einem Bein in ein Schneeloch ein! Zum Glück nichts Schlimmeres passiert. Wir überwinden zum Teil recht steile Abstiege, dann endlich erreichen wir den Bergsee Lago Bianco. Hier machen wir eine ganz lange Pause, die Mutigen gehen sogar im eiskalten Wasser schwimmen! Herr Godehardt will vor der Klasse nicht feige sein und stürzt sich auch ins kalte Nass. Es entstehen seltene Fotos von Mädchen im Bikini auf einem Schneefeld stehend. Übermütige Jungs beginnen eine Schneeballschlacht, und obwohl wir alle richtig zulangen, sind immer noch Brote übrig - „Willst du noch ein Stück Hof Sackern Brot" wird zum „Running Gag".

Für das letzte Stück zur Basodino-Hütte trennt sich die Gruppe, einige wollen die Gelenke schonen und nehmen den Weg über die Straße, die anderen gehen den „richtigen" Wanderweg durchs Gelände. Zweimal müssen wir hier den Fluss queren (und bekommen zum Teil nasse Füße), der letzte Abstieg zur Hütte entpuppt sich als enorm steil (bloß nicht nach unten gucken!). Dafür kreuzen ein paar Gemsen unseren Weg. Die Basodinohütte ist eine wunderschöne alte Steinhütte, aber ziemlich voll belegt, so dass einige Jungs ins Mädchenzimmer verlegt werden müssen, die anderen Jungs dafür das Zimmer mit angeblich laut schnarchenden Schweizern teilen müssen. Hart ist das Wandererleben...

Von der Terrasse der Hütte, die direkt an der Seilbahnstation Robiei - San Carlo liegt, hat man einen spektakulären Blick hinab ins Tal. Und zum Abendessen gibt es typisch italienisch Minestrone und Pasta al Pomodoro. Nach den Anstrengungen des Tages hätten wir aber vermutlich ALLES gegessen.

Noch am Abend diskutieren wir Betreuer, ob wir am nächsten Tag tatsächlich die geplante Passüberquerung nach Italien wagen sollen. Wir beratschlagen uns mit Hüttenwirtin und anderen Wandergruppen. Alle glauben, dass wohl dieses Jahr noch niemand hinübergegangen ist (wir wären also die ersten und der Weg wäre nicht gespurt), das Wetter aber eine Überquerung problemlos zulassen würde. Nach langem Hin und Her entschließen wir uns dafür, es zu versuchen. Auch mangels Alternative - es ist wie gesagt nicht einfach, für so viele Menschen eine Übernachtung in den Bergen zu organisieren.

 

Tag 4 - Donnerstag, 28.6.

Um 5:15h klingelt bereits der Wecker, um 5:30h wecken wir die Schüler, Frühstück haben wir für 5:50h bestellt. Alle sind müde und entsprechend schlecht gelaunt. Um 7:50h stehen dann doch endlich alle abmarschbereit vor der Hütte. An der Seilbahnstation vorbei geht es direkt steil in den Berg hinein, in Richtung Basodino-Gletscher. Leider müssen fünf Schüler und zwei Betreuer hier einsehen, dass es auf Grund verschiedener gesundheitlicher Blessuren unvorsichtig wäre, den Aufstieg zu wagen. Sie nehmen die Seilbahn ins Tal und wir verabreden uns für ein Wiedersehen in zwei Tagen in Bosco Gurin. Die große Gruppe macht sich auf den Weg und erklärt dem Berg den Kampf. Zunächst läuft es großartig, wir finden ein gutes Gruppentempo, der Weg ist gut zu erkennen. Auf einmal steht ein stolzer Widder nur 10 Meter vor uns auf dem Weg und schaut uns fast mitleidig an - für ihn ist der Aufstieg kein Problem!

Dann, kurz vor der Bocchetta di Val Maggia, kommen die Schneefelder. Nicht nur, dass dies den Aufstieg ungleich mühsamer und schwieriger macht, der Schnee verdeckt auch einen Großteil der Wegmarkierungen. Es wird immer abenteuerlicher, und als einige auf dem Schnee ins Rutschen geraten und der eine oder andere Stein dabei abgeht, gilt es, Panik zu verhindern. Die Schüler meistern das großartig! Dann kommen kurz vor dem Pass auch noch Geröllfelder hinzu, es grenzt an Klettern. Dann endlich der Kamm, die Grenze! Wir haben den Aufstieg gemeistert und gönnen uns ein großes Stück Schokolade. Der Abstieg wird noch einmal richtig anspruchsvoll, aber auch lustig, einige überbrücken größere Schneefelder, indem sie ihr Rucksäcke als Schlitten benutzen - warum nicht. Wieder sehen wir Widder und Steinböcke, die leichtfüssig die Hänge hinauf springen.

Als wir nach weiteren Geröllfeldern (wir müssen erkennen, dass diese bergab noch schwieriger zu meistern sind als bergauf) endlich das Tal erreichen, sind die letzten Kilometer ein Kinderspiel - auch wenn wir erst einmal am Abzweig zur Hütte vorbei laufen und dadurch noch eine kleine Zusatzrunde laufen. Geschafft, aber zu Recht stolz auf unsere Leistung erreichen wir das Rifugio Maria Luisa. Das Abendessen ist hervorragend, Risotto alla Milanese und danach Arrosto (Schweinebraten) mit Kartoffelpürree. Nachts findet vor der Hütte offenbar eine Murmeltierversammlung statt, aber das Gequieke raubt uns nicht den wohlverdienten Schlaf.

Man könnte noch so viel von den Hütten erzählen: Wie die Mädchen es trotz meist kaltem Wasser und beengtem Raum schafften, sich fast täglich die Haare zu waschen etwa, oder was für unglaubliche Kraftreserven Jugendliche trotz der großen täglichen Anstrengungen nach Beginn der Bettruhe noch freisetzen...

 

Tag 5 - Freitag, 29.6.

Wecken um 7:00 Uhr (relativ erfolglos), zweite Weckrunde um 7:15 Uhr. Um 7:30 Uhr gibt es - auch typisch Italien - ein Weißbrotfrühstück. Erst jetzt bemerken wir, dass wir uns am Vorabend verrechnet haben. Vor uns liegt eine relativ kurze Wanderung bis zur Cascata del Toce, wo uns ein Reisebus um 10 Uhr abholen und nach Fondovalle bringen soll. Erst jetzt bemerken wir die Wegmarkierung vor der Hütte, die uns klar machen, dass wir die Wegzeit etwas sehr knapp kalkuliert haben. Also forcieren wir einen mehr oder weniger fluchtartigen Aufbruch - tatsächlich macht sich die Gruppe um 8:29 Uhr an den Abstieg nach Riale, von dort geht es über die Straße weiter bis zur Cascata del Toce, wo wir tatsächlich auch um 9:50 Uhr eintreffen. Vom bestellten Bus noch keine Spur, der kommt - typisch italienisch - erst um 10:10 Uhr. In der Zwischenzeit bewundern wir die spektakuläre Aussicht auf die Wasserfälle, denen dieser Ort seinen Namen verdankt (Cascata = Wasserfall).

Mit dem Bus erleben wir dann eine lustige Serpentinenabfahrt bis Fondovalle. Der kurze Abstecher zurück in die motorisierte Welt hebt bei den Schülern nicht gerade die Motivation, den bequemen Bus wieder zu verlassen und die Rucksäcke zu schultern. Und der Anblick des gewaltigen Bergmassivs, das es heute zu überwinden gilt (gut 1000 m Aufstieg erwarten uns) hebt auch nicht gerade die Laune. Mir erscheint es schier unmöglich, dass es überhaupt einen gangbaren Weg geben soll, der diese steilen Hänge hinaufführt. Dennoch glauben wir natürlich unseren Wanderkarten und beginnen den Aufstieg - um nach 5 Minuten steilem Aufstieg festzustellen, dass wir den falschen Weg genommen haben und wieder zurück müssen. Das Wanderschild war aber auch tatsächlich nicht zu sehen - nur mit Mühe entdecken wir es im zweiten Versuch. Und dann beginnt unser Rückweg von Italien in die Schweiz, entlang der alten Schmugglerroute - stets und immer und immer bergauf. Erst durch Waldgebiet, dann im offenen, immer unwirtlicheren Gelände. Endlose 1.100 Höhenmeter. Vor dem Abzweig zum Pass machen wir die große Pause, die Lunchpakete werden aufgezehrt. Einige Schüler haben bereits mit Atemproblemen zu kämpfen.

Endlich erreichen wir nach stundenlangem Bergauf die Kuppe und sehen Jörg, Michael, Gianna und Justus auf der anderen Seite des Bergkamms. Was für ein Wiedersehen!
Allerdings hat Lea mittlerweile sehr starke Atemprobleme - wir befinden uns auch wieder sehr hoch, auf über 2.500 m. Die, die noch Kraftreserven haben, schultern Rucksäcke derer, die nicht mehr können - die Gruppe hält in diesen extremen und teils kritischen Situationen sehr gut zusammen, es entsteht nicht Streit, sondern Solidarität. In diesen Momenten zeigt sich der wahre Sinn dieser „Strapaze".

Und so kommen wir am Ende alle sicher und wohlbehalten über die „Gurriner Furca", meistern auf der Schweizer Seite noch ein letztes Schneefeld und erreichen nach kurzem Abstieg die Capanna Grossalp. Eine wirklich sehr schöne Steinhütte mit nettem Hüttenwirt, einer Terasse mit „Chill-out Sesseln" und wieder einmal großartigem Essen: Risotto ai Funghi mit Grillfleisch, zum Nachtisch Kuchen.

Die Stimmung am Abend ist relativ ausgelassen: Erstens geht es allen gesundheitlich wieder gut, außerdem war dies der letzte Tag im Gebirge - morgen steht uns „nur" noch der Abstieg ins Tal und die Busfahrt durch Maggiatal bis Locarno bevor.

 

Tag 6 - Samstag 30.6.

Um 7:30 Uhr wecken, Frühstück um 8 Uhr. Hhmm...es gibt sogar süße Hörnchen, die Zivilisation hat uns wieder! Wir genießen kurz den wunderbaren Blick ins Walsertal und auf den Ort Bosco Gurin, dann machen wir uns um 9 Uhr an den Abstieg ins Dorf und zur Bushaltestelle. Hier machen die meisten einen kurzen Abstecher in den örtlichen Supermarkt - ein lange gemisstes Vergnügen!

Mit dem Linienbus fahren wir die Serpentinen hinunter ins Tal, und steigen auf halber Strecke nach Locarno aus, um ein paar Stunden Badevergnügen in der kühlen Maggia zu genießen. Als sich die Bustüren öffnen, schlägt uns hochsommerliche, schwülwarme Luft entgegen - ein unheimliches Kontrastprogramm zur klaren, morgens kühl-klammen Bergluft der letzten Tage. Und dann dieser großartige Moment am Fluss, die Wanderschuhe auszuziehen und die geplagten Füße dem kühlen Nass zu übergeben - unvergesslich!

Nach ein paar Stunden ausgelassenem Badevergnügen und Mittagsjause mit Baguette und Chips besteigen wir den Linienbus nach Locarno, der schönen Stadt am Lago Maggiore. Nach all den rauhen, urgewaltigen Natureindrücken der Bergwelt ist es ein echter Kulturschock. Für die Jugendlichen sind die zwei Tage in der Jugendherberge, der Stadt- und Schwimmbadbesuch und die Freiheit, sich wieder ohne Betreuer und ohne Zeitdruck frei bewegen zu können wohl ein versöhnlicher Ausgleich. Sie haben in den Bergen einiges aushalten müssen, haben oft genug ihren „inneren Schweinehund" überwinden müssen und sind ein ums andere Mal über sich hinausgewachsen. Wir Betreuer waren am Ende wirklich stolz auf die Leistung der Gruppe.

 

Epilog

Über den Sonntag in Locarno könnte man einen eigenen Artikel schreiben, ich belasse es dabei, dass die 1,5 Tage hier fast alle Anstrengungen vergessen lassen und gut zum nahen Beginn der Sommerferien passen.

Für mich war dies sicher nicht die letzte Bergtour, dieses unglaubliche Gefühl, wirklich mitten in ursprünglichster Natur zu sein, sich auf die eigenen Kräfte verlassen zu müssen und bis an die körperlichen Grenzen zu gehen, macht süchtig - gerade weil unser Leben sonst oft so bequem und „luxuriös" gestaltet ist.

Zu sehen, dass die Schüler sich so tapfer dieser Herausforderung gestellt haben, sich gegenseitig immer unterstützt und geholfen und aufeinander Rücksicht genommen haben, war großartig. Hut ab vor dieser Leistung!

Als wir am Abend des 2. Juli wieder mit dem Reisebus in Hagen ankommen, ergreift mich schon so etwas wie Wehmut - wir waren eine wirklich tolle Truppe und können alle stolz auf diese gemeinsame Erfahrung sein!