Durch Frankreich mit 32 Kinder über 150 km auf dem Jakobsweg

Ein Beitrag von Petra Kottusch (Klassenlehrerin der 6. Kl. der Freien Waldorfschule Everswinkel)

Wir hatten uns was vorgenommen...

„ULTREIA"  (=es geht immer weiter) - dieses alte Pilgerlied erklang während der letzten zwei Wochen in vielen Kirchen, auf mehreren Campingplätzen und in einigen Pilgerherbergen entlang der „Via Tolosana" in Südfrankreich -  oder genauer: zwischen Marciac, einem kleinen Dorf im Gers, und dem Col du Somport, einem 1608 m hoch gelegenen Pass in den Pyrenäen. Gesungen wurde das Lied von den Schülerinnen und Schülern der 6. Klasse der Freien Waldorfschule in Everswinkel, die aus ihrer diesjährigen Klassen"fahrt" eine Klassen"wanderung" machten.

150 bis 160 km zu Fuß, bergauf, bergab, in einem Land, dessen Sprache die Kinder erst seit wenigen Jahren in der Schule erlernen, liegen nun hinter ihnen.

Gesund, kräftig und stolz darauf, das im wahrsten Sinne „hohe" Ziel erreicht zu haben, kehrten sie am vergangenen Sonntag von ihrer Reise zurück.

Am 11. September ging es mit dem Bus Richtung Südfrankreich los. In Marciac angekommen, sorgte zunächst ein Ausruhe-Tag dafür, dass sich alle von den Strapazen der langen Fahrt erholen konnten. Aber in den folgenden zwei Wochen blieben die Füße kaum einmal verschont. Täglich ging es auf dem „Chemin de Saint-Jacques", dem Jakobsweg, weiter. Auf der „Via Tolosana", die heutzutage in weiten Strecken mit dem Fernwanderweg GR 653 identisch ist, folgten in früheren Jahrhunderten viele Pilger aus Süddeutschland und aus Italien von Arles über die Pyrenäen dem Weg bis nach Santiago de Compostela.

 

Die ersten Tage

Die ersten Tage führte die Schülerinnen und Schüler durch die nur leicht hügelige Landschaft des Gers, doch bald wurden die Berge der Pyrenäen sichtbar - und damit für einige Kinder die bange Frage akut, ob und wie diese hohen Berge wohl zu überwinden seien. In der zweiten Wanderwoche wurden die Pyrenäen dann endlich erreicht, die Berge schienen gewachsen, immer schroffer reckten sich die Felsen gen Himmel und das Aspe-Tal, dem der Weg folgt, wurde sichtlich enger, der Weg stieg stetig bergan. Die Kinder merkten, wie sich die Landschaft änderte, karger wurde, bis schließlich die letzte Tagesetappe alle Kräfte herausforderte und nach 16 km steilem Anstieg fast über die Baumgrenze führte. Adler, Milane und Geier kreisten über den Bergspitzen - Schlangen, Skorpione und Zebraspinnen gab es am Wegesrand zu bestaunen. Und schließlich war das Ziel erreicht: Der Col du Somport, der Pass, über den zugleich die Grenze zu Spanien verläuft. Mit einem gemeinsamen Sprung über die Grenze feierten die Kinder ihren Erfolg!

Im Durchschnitt wanderten die Schülerinnen und Schüler täglich 15 km weit. In den vielen Pausen wurde der Proviant verzehrt und über den verbleibenden Weg spekuliert. Manchmal war es unklar, wo am Abend die Zelte aufgeschlagen werden können, doch immer fand sich ein schöner Ort, manch ein Campingplatz wurde extra noch einmal für die deutschen „pélerins" (=Pilger) geöffnet, einmal wurde uns sogar für zwei verregnete Tage eine kostenlose (Betten-)Unterkunft in der kleinen Gemeinde Lescar, in der Nähe von Pau, zur Verfügung gestellt.

Parallel zu der wandernden Klasse fuhren zwei Studenten aus Budapest mit dem Schulauto, das in seinem Anhänger eine ausreichende Küchenausstattung, die Zelte, Isomatten und Schlafsäcke transportierte. Die beiden jungen Leute sorgten auch dafür, dass es am späten Abend eine warme Mahlzeit gab.

Von ebenso großer Bedeutung wie das Essen (denn nichts macht so hungrig wie die stetige Bewegung an der frischen Luft) war das Sammeln der Stempel im Pilgerpass. Jedes Kind führte seinen Pilgerpass mit sich und in jeder Gemeinde entlang des „Chemins" konnte der Bürgermeister höchstpersönlich oder das Touristen-Büro um einen Stempel als Beweis der zurückgelegten Strecke gebeten werden.

 

Begegnungen

Immer wieder gab es bewegende Begegnungen mit freundlichen Menschen, die Sprachbarrieren wurden immer besser bewältigt und viele Franzosen waren überrascht darüber, dass es eine Schulklasse aus dem fernen Deutschland ausgerechnet in ihre Gegend verschlägt - und dann auch noch a pie (=zu Fuß). Für die Schülerinnen und Schüler stand bald fest, dass die Franzosen ausgesprochen freundlich und hilfsbereit sind - und dass dieses Land eine Reise lohnt. Eine bessere Motivation, um die Sprache in der Schule zu lernen, kann man sich wohl kaum wünschen.