Belchen bei Kälte und Glut


Es ist warm in dieser Juninacht. Der Wecker zeigt 2 Uhr. Ein paar Stunden Schlaf genügen uns, denn vor uns liegt ein großes Abenteuer.

Gut vorbereitet mit gutem Schuhwerk, Vesperrucksack, warmem Pullover/Jacke und gezückter Taschenlampe versammelt sich die 5. Klasse unter dem Sternenhimmel über Neuenweg. Alle sind pünktlich, es ist 2.20 Uhr. In den meisten Gesichtern steht gespannte Erwartung und Freude, in anderen überwiegt die Müdigkeit. Aber sie verfliegt schnell, als sich der Zug aus 38 leuchtenden Punkten in Bewegung setzt. Wir haben ein großes Ziel und schlagen ein langsames, stetiges Tempo an. Unser Ziel ist der Belchengipfel zum Sonnenaufgang. Dieses Erlebnis soll ein unvergessliches Geschenk sein, an die Schüler der 5. Klasse. Für einige von uns sind das auch genau die Worte, die sie brauchen, um einen Fuß vor den anderen zu setzen.

Der Weg ist lang und anspruchsvoll. Ein wurzeliger und steiniger Fußpfad führt die meiste Zeit bergan. Der Glühwürmchenzug steigt beharrlich vorwärts. Die Grillen begleiten uns während der zwei Stunden und je höher es geht, desto mehr zeigt der Belchen sein raues und windiges Gesicht. Nach der dritten oder vierten Pause ziehen alle ihre Jacken an. Der Wind pfeift uns um die Ohren, der Wald knarzt und wirft seine Schatten vor unsere Füße. Aber uns ist warm vom Anstieg und irgendwie ist uns ein bisschen wild und magisch zumute. Wir haben kein Zeitgefühl, nur ein Gefühl für den nächsten Schritt, das Atmen und die Geräusche der Nacht. Der Wind treibt Wolken auf uns zu, in der Ferne zucken ab und zu Blitze über den Nachthimmel. Der Belchen macht seinem rauen Ruf alle Ehre.

Der Anfang des Zuges muss immer wieder gebremst werden, die Kinder sind voller Erwartung und wollen nach oben. Am Ende des Zuges braucht es stetigen Zuspruch und viele Pausen. Niemand soll zurückbleiben, kein Kind um dieses einmalige Erlebnis gebracht werden. Ganz plötzlich ragt das Belchenhaus über uns auf. Ein Ruck durchfährt die ganze Gruppe und freudige Ausrufe schallen gedämpft durch die scheidende Nacht. Schon erscheint im Osten der Himmel heller. Der Wind nimmt noch immer zu, die Temperatur fällt noch weiter ab. 4.30 zeigt die Uhr, als wir uns einen windgeschützten Platz am Gipfelkreuz suchen - mit Blick gen Osten. Wie im Freilichtkino liegen und sitzen in bunten Reihen die Kinder. Andächtig wird das Vesperbrot verzehrt. Während des Wartens fordert die Müdigkeit bei einigen ihren Tribut und trotz Kälte und bevorstehendem Sonnenaufgang ist hier und da ein leises Schnarchen zu hören. Alle harren geduldig aus. Der Himmel wird von Osten immer heller und röter, dann ist es soweit: Um 5.30 schiebt sich der rote Feuerball spektakulär über den Horizont. Himmel und Erde erstrahlen in der Glut der Sonne in rotglühenden Farben. In beachtlicher Geschwindigkeit steigt die Sonne immer höher und höher und wärmt unsere Herzen. Leider war der Tag noch zu jung, um auch unsere Körper aufzuwärmen und so machen wir uns bald wieder an den Abstieg. Im Hellen und bergab brauchen wir nur ein Drittel der Zeit dafür. Durch die Geschicklichkeit und Umsicht der Kinder kommen alle wohlbehalten, müde und glücklich wieder am Wanderheim an und durften den Vormittag nach Lust und Laune verbringen. Dieser Ausflug war ein unvergessliches Erlebnis. Er führte uns ganz nah an die Natur und ganz zu uns selbst. Alle Kinder zeigten großen Mut, Ausdauer, Kraft, Geschicklichkeit und Begeisterungsfähigkeit und ich als begleitende Mama bin sehr stolz auf jedes Einzelne von ihnen.