Der neue Mitschüler mit der kalten Schnauze

Ein Beitrag von Janine Bonk (Freie Waldorfschule Offenburg)

„Gib dem Menschen einen Hund und seine Seele wird gesund", sagte schon Hildegard von Bingen und alle Hundeliebhaber werden ihr zustimmen. So wohl auch die kleine 2. Klasse unserer Schule, denn seit Pfingsten 2008 haben die Schülerinnen und Schüler einen Klassenhund.

Chopin, benannt nach dem berühmten Komponisten, bereitet den Kindern eine große Freude. Laut den Eltern stehen diese morgens fröhlicher und schneller auf, wenn sie wissen, dass Chopin an diesem Tag da ist. Mindestens einmal in der Woche bringe ich meinen Labrador-Mischling mit in die Schule. Dabei begleitet mich Chopin im Hauptunterricht und nach großem Wunsch jetzt auch in einige Fachstunden.

Schon seit einigen Jahren gibt es immer mehr Schulhunde, denn ein Hund hat viele positive Auswirkungen auf eine Klasse. Es ist bewiesen, dass Schüler in einer Klasse mit Schulhund mehr Rücksicht nehmen, nicht nur auf den Hund, sondern auch aufeinander. Außerdem sinkt die Nervosität und Anspannung spürbar. Auch in unserer Klasse war dies bereits erlebbar. Als ein Kind zu weinen anfing, weil es eine Aufgabe nicht auf Anhieb schaffte, war Chopin sofort zur Stelle, legte sich auf die Füße des Kindes und beruhigte es so.

So wie die tiergestützte Pädagogik immer mehr zunimmt, so wächst auch in der Öffentlichkeit das Bewusstsein über dessen positive Wirkung. Das Kultusministerium des Landes Schleswig Holstein beispielsweise beurteilt den Schulhundeinsatz als wichtig, "damit Kinder den richtigen Umgang mit dem Hund erlernen, damit den Kindern die oftmals durch Medien geschürte Angst vor Hunden genommen wird und der Hund wieder als das betrachtet werden kann, was er immer war: ein Haustier und Begleiter des Menschen, insbesondere für Stadtkinder oft einer der wenigen, direkten Kontakte zur Natur."

Mittlerweile ist es acht Jahre her, dass mein Mann und ich den kleinen Chopin als Welpen aus dem Tierheim holten, doch von Anfang an war klar, dass er ein ganz besonderer Hund ist. Er ist ein ruhiges, ausgeglichenes und folgsames Tier und sehr sensibel für die Stimmungen von Menschen. Diese Eigenschaften zeichnen ihn aus und machen ihn so optimal als Klassenhund. Doch das Wichtigste überhaupt ist, dass die Kinder ihn über alles lieben. Außenstehenden erzählen sie stolz, dass sie nicht nur Englisch und Französisch, sondern auch „Hundisch" lernen. Denn mit der Zeit wissen sie immer besser die Gesten und Laute von Chopin zu interpretieren. Sie verstehen beispielsweise, dass er seine Ruhe haben will, wenn er sich abwendet oder weg geht und akzeptieren dies. Beim Streicheln gilt, dass man nie von der Seite oder von Hinten an einen Hund herantritt und dass maximal 2 Kinder den Hund gleichzeitig streicheln dürfen. Dabei wissen die Schüler inzwischen zu deuten, ob Chopin ein „oh bitte kraul weiter" Brummen oder das sehr ähnlich klingende „das reicht jetzt" Brummen von sich gibt. Umgekehrt bemerken die Schüler, wie ihr Verhalten auf den Hund wirkt und wie sie sich benehmen müssen, dass Chopin sich wohl fühlt und sie richtig versteht. Mit großem Eifer achten sie darauf, dass es nicht zu laut wird und helfen sich gegenseitig dabei, um Chopins Ohren zu schonen. Trotz der Begeisterung der Kinder für Chopin, ist Chopin keineswegs immer im Mittelpunkt. Im Gegenteil, von Anfang an trat er während des Unterrichts in den Hintergrund und die Begegnungen liefen unauffällig nebenbei.

Ohne Zweifel hat Chopin einen positiven Einfluss auf den Unterricht, denn unbestritten regen Tiere im Klassenzimmer die Konzentration, Reaktionsbereitschaft und Aufmerksamkeit an. Das Verantwortungsgefühl wird ebenso geweckt.

Auch wenn Chopin bereits in einigen Extremsituationen seine Gutmütigkeit unter Beweis gestellt hat, bleibt er ein Hund, ein Tier und es ist wichtig dies immer im Bewusstsein zu haben. Es braucht klare Regeln im Umgang und Achtsamkeit auf die Gesten des Tieres. Eine Grundregel beispielsweise ist, dass er in der Schule nichts zu fressen bekommt und nicht gefüttert werden darf. So lernen die Kinder schnell, dass man sich an gewissen Regeln im Zusammenleben halten muss und haben auch noch Spaß dabei. Wichtig für alle Schüler, die Chopin vielleicht einmal auf dem Flur oder Hof begegnen, ist, dass sie, wie bei jeder Begegnung mit einem Hund, nicht einfach hinrennen und ihn streicheln dürfen, sondern den Halter vorher fragen müssen.

Genauso wie die Kinder begeistert sind und mehrmals in der Woche fragen, wann der nächste Hundetag ist, genauso begierig ist auch Chopin darauf wieder die Kinder zu treffen und mit in die Schule zu kommen. Auffällig stupst Chopin erst mich und dann seine Leine an, wenn ich morgens das Haus verlasse und will mich ebenso überreden ihn doch auch heute mit in die Schule zu nehmen.

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