Fach Glück

Ein Beitrag von Katja Droste-Zingone (Rudolf-Steiner-Schule in Gröbenzell)

PROJEKT IN DER 5. KLASSE: Unterricht im Fach Glück

Glücksunterricht an der Rudolf-Steiner-Schule in Gröbenzell? Ja, im vergangenen Schuljahr gab es das tatsächlich. Bei der ehemaligen 5. Klasse stand an zwei Schulstunden in der Woche das Fach „Glück" auf dem Stundenplan. Mit welchen Inhalten sich die Schüler:innen zusammen mit ihrer Glückslehrerin Katja Droste-Zingone und ihren beiden Kommiliton:innen beschäftigt haben, lesen Sie hier.

„Im Berliner Schutzgesetz aus dem Jahr 2004 heißt es in § 1, Auflage der Schule: „Auftrag der Schule ist es, alle wertvollen Anlagen der Schülerinnen und Schüler zur vollen Entfaltung zu bringen und ihnen ein Höchstmaß an Urteilskraft, gründliches Wissen und Können zu vermitteln. Ziel muss die Heranbildung von Persönlichkeiten sein."

Das Hauptziel des Schulfachs Glück entspricht genau diesem Auftrag. Schon über 100 Schulen in Deutschland und Österreich bieten das eigenständige Fach von der Grundschule bis zum Abitur an. Im Mittelpunkt stehen Lebenskompetenzen, Lebensfreude und die Persönlichkeitsentwicklung der Schülerinnen und Schüler.

Katja Droste-Zingone, die an unserer Schule die Kunsttherapie und das JUNIOR-Projekt leitet, hat im Schuljahr 2022/23 eine Weiterbildung zur Glückslehrerin/Glückscoach über das Fritz-Schubert-Institut für Persönlichkeitsentwicklung absolviert. Im Rahmen der Fortbildung bestand die Möglichkeit, einen einjährigen Unterricht an unserer Schule mit Supervision des lehrenden Fritz-Schubert-Instituts durchzuführen. Daniela Haller-Murr, Klassenlehrerin der 5. Klasse, nahm das Angebot an und so hatten die Schüler:innen Anfang September 2022 ihre erste Unterrichtsstunde „Glück" bei Katja Droste-Zingone sowie ihren Kommiliton:innen, den Glückslehrer:innen Nico Betzenbichler und Agnes Rottler-Riemenschneider. Die große Fahrt ins Glück startete.

  • Das Schulfach Glück bietet einen bunten Stauß an Erlebnissen, die körperlich und seelisch wohltuend sowie geistig und sozial stimulierend wirken und damit zu neuen Erkenntnissen und Orientierungen führen. Die Schüler:innen lernen zum Beispiel, psychische und physische Hindernisse zu überwinden, die Gruppe als Kraftquelle zu erkennen und sich im mentalen Training zu motivieren oder zu beruhigen. Der Lehrplan des Glücksunterrichts orientiert sich an den Strukturen einer gelingenden Lebensgestaltung. Um das Leben zu gestalten, müssen zunächst die eigenen Kräfte bewusst werden: „Wer bin ich und was kann ich?" 
  • Im zweiten Schritt werden Bedürfnisse verstanden und Visionen entwickelt: „Was brauche ich?" 
  • Im dritten Schritt geht es darum, kluge Entscheidungen zu treffen - „Was will ich und was nicht?" - und aus den Visionen konkrete und realistische Ziele zu formulieren. Die Bedeutung dieser Ziele wird durch die Vorwegnahme der Gefühle beim Erreichen des Zieles erhöht (Imagination und kontrafaktisches Denken). 
  • Erst daraufhin können im vierten Schritt Pläne gemacht werden. Die auf dem Weg auftretenden Hindernisse werden als Herausforderungen gesehen, angenommen und dienen der Ressourcenaktivierung. 
  • Im fünften Abschnitt geht es darum, die Pläne wirklich umzusetzen, damit aus Vorhaben wirkliches Handeln und vielleicht sogar Haltung werden. Dazu gehört, sich selbst motivieren zu lernen, aber auch mit Ängsten umzugehen und sich zu beruhigen. Ob das die nächste schwierige Mathearbeit oder der bevorstehende Sprung vom Fünfmeterbrett ist, es geht immer darum, eine innere Bereitschaft zu finden. Wer dies als Kind schafft, kann sich glücklich nennen. Jede Hürde, die überwunden wird, wirkt beglückend — egal ob Kind oder Erwachsener. Man übt, sich selbst wahrzunehmen und seine Gefühle zu steuern. Dazu gehört auch der Erwerb von Frustrationstoleranz, das Verstehen von Gruppendynamik, sich selbst aktualisieren zu können, in der Lage zu sein, gut zu kommunizieren und Selbstregulierung zu erfahren und anzuwenden. Zudem muss gelernt werden, dass sowohl das gesunde Erreichen als auch das kompetente Scheitern Wege zum Erfolg sind. Hierfür ist Selbstreflexion zu erlernen. 
  • Im sechsten und letzten Schritt werden in einer Rückschau das Ergebnis, die Anstrengung und die damit verbundenen Gefühle, Erfahrungen und neuen Ressourcen betrachtet. (Quelle: Dr. Ernst Fritz- Schubert und Tobias Rohde).

Kam man im vergangenen Schuljahr in der ersten Fachstunde in das Klassenzimmer der 5. Klasse, konnte man Schüleninnen beobachten, wie sie aus 20 Spaghetti, Klebeband, Schnur und einem Marshmallow versuchten, einen freistehenden Turm zu bauen. Das Marshmallow sollte die Spitze bilden. Man könnte sich fragen, was Spaghetti mit Glück zu tun haben. Diese Übung ist eine Teamübung. Es ging darum zu reflektieren: Wie haben wir unseren Turm gebaut? Was lief gut? Was ging schief? Wie sind wir damit umgegangen? Gab es bestimmte Rollen in der Gruppe? Welche Emotionen und Gedanken kamen auf? Wie sind wir mit Scheitern und Neubeginn umgegangen? Je besser Schüler:innen ihre persönlichen Potenziale entdecken, sich selbst kennen und ihre Gefühle artikulieren, umso besser lernen sie, was sie für ein gelingendes Leben und damit für ihr Wohlbefinden benötigen. Das ist nur eine von sehr vielen Kooperationsübungen, die die 5. Klasse erfahren und erleben durfte.

Weitere Fragen, die sich die Schülerinnen der 5. Klasse stellten: „Was macht mich eigentlich glücklich?", „Was macht mich lang oder kurz glücklich und was sehr oder wenig?", „Was kann ich?" „Wo sind meine Stärken und die meiner Mitschülerinnen?". Dazu lernten die Schüler:innen unter anderem die Übung „Warmer Rücken" kennen. Bei ihr hängt sich jeder Mitschüler und jede Mitschülerin einen Karton so um, dass er auf dem Rücken getragen wird. Während die Schülerinnen durch den Raum gehen, ergänzen die anderen mit einem Stift den Satz „Mir gefällt an dir..." Die Übung ist eine sehr wirkungsvolle Methode, um den Mitschüler:innen ein stärkendes Gefühl zu geben. Die positive Fremdwahrnehmung überrascht, erfreut und beglückt.

Zu den Stärken gehören auch die Schwächen. Hier haben die Schüler:innen gelernt, dass in jeder Schwäche auch eine Stärke enthalten ist und es immer zwei Seiten einer Medaille gibt. Abgerundet hat das Stärkenmodul das Thema Gefühle. Die Schülerinnen lernten die sieben Basisemotionen Wut, Ekel, Verachtung, Freude, Trauer, Angst und Überraschung kennen. Sie setzten sich mit diesen Emotionen auseinander und lernten, sie zu deuten und einzuschätzen. Auch lernten sie ihre eigenen Emotionen besser kennen. Als letzten großen Themenblock widmeten wir uns den Werten. Hier standen die Werte Achtsamkeit, Gesundheit und Stärke im Fokus.

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