Das Zauberblatt von Maler Klatt
Es wohnt in einer großen Stadt
ein armer Maler namens Klatt.
Der lebt mehr schlecht als sorgenfrei
von seiner bunten Zeichnerei.
Doch eines Tages springt ihm - huch! -
der Stift aus seiner Hand aufs Buch.
Und zeichnet plötzlich ganz alleine.
Da ist ein Kopf! Und da - vier Beine!
Ein Hund? Nein, Wolf! Mit großem Maul!
„Gestatten“, sagt er, „ich bin Paul.
Jetzt hab ich endlich `ne Gestalt!
Ich dank dir, Maler, aber ... Halt!
Wieso bin ich so grau und wild?
Was soll das ungerechte Bild?
Ich bin doch innerlich ganz scheu.
Ach bitte, Maler, mach mich neu!“
Herr Klatt radiert und zeichnet frisch
ein andres Tierchen auf den Tisch.
Schon grast ganz friedlich tief im Klee
ein wunderhübsches braunes Reh.
„Och nö!“, seufzt Paul. „Das ist nicht besser.
So’n stumpfsinniger Grünzeugfresser!
Ich will zwar lieb sein, doch nicht dumm.
Komm, mach mich neu, ich bitte drum!“
Herr Klatt gehorcht. Und das Papier
ziert bald darauf ein neues Tier.
„Jetzt“, sagt der Maler, „bist du zahmer.
Und klug dazu.“ Denn Paul ist Lama.
Doch das gefällt ihm auch noch nicht.
„Ich bin doch kein so Spucke-Wicht!
Nur einmal spuck ich: Toi toi toi -
fürs nächste Mal. Los, mach mich neu!“
Herr Klatt denkt nach und legt dann los.
Das Tier wird diesmal nicht so groß.
Ein Hahn - mit prächtigem Gefieder,
und unterm Kamm die tollsten Lieder.
Doch Paul kräht unzufrieden: „Nein!
Ich will doch kein Geflügel sein!
Den ganzen Tag in Mist und Heu …
Nein, danke. Maler, mach mich neu!“
Und Klatt? Der seufzt und macht sich dran.
Der Paul wird langsam zum Tyrann,
denkt er, doch zeichnen tut er doch:
`Nen Maulwurf samt dem Buddelloch.
„Pfui Spinne!“, ruft der Paul da aus.
„Was ist das für `ne blinde Maus!
Du hast vielleicht einen Geschmack!
Los, mach mich neu, und zwar zackzack!“
Der Maler tut, wie ihm geheißen,
obwohl ihm bald die Nerven reißen.
Und nach nur zwei bis drei Minuten
taucht da ein Nilpferd aus den Fluten.
„Willst du jetzt damit sagen, ich
sei fett? Das ist ja lächerlich!“
Der Paul ereifert sich schon wieder.
„Mach neu!“, brüllt er Herrn Klatt nur nieder.
Echt unzumutbar, das Gejaule
von diesem undankbaren Paule!
Langsam fällt Klatt auch nichts mehr ein.
Ein Elefant? Ein Storch? Ein Schwein?
Doch dann macht’s klick! Der Maler lacht.
Jetzt weiß ich, wie man’s richtig macht!
Sofort entwirft er noch mal frisch.
Und Paulchen wird ... zum stummen Fisch.
Er will gleich schrei’n mit aller Kraft,
Doch „Blupp“ ist alles, was er schafft.
„Oh, freut mich, dass es dir gefällt“,
sagt Maler Klatt und räumt das Feld.
Yvonne Hergane