Der Kater und das Mäuslein

Vorm Mauseloch saß Kater Tom,
auf Mäuschen-Fang versessen.
Und er miaute: „Mausi, komm …
ich möcht’ dich so gern fressen!”

Das Mäuschen aber dachte still:
‚Der Kerl ist mir zu rüde!
Wer so miaut, dem trau’, wer will
- ich bin nicht lebensmüde!’

Dieweil der Kater grollt vor Wut
in seinem Katzenjammer,
sprang unser Mäuslein frohgemut
in seine Vorratskammer.

Vergnüglich knabberte es dann,
dem Kater zum Verdrusse,
laut schmatzend einen Käse an
und piepste zum Genusse.

Den Kater wurmte dies gar sehr:
Ihm knurrte ja indessen
sein leerer Magen mehr und mehr,
weil er noch nichts gefressen.

Drauf sann der arge Bösewicht
auf eine List und Tücke,
wie das perfekte Mausgericht
ihm schließlich doch noch glücke.

Er dachte sich: ‚Die Maus ist schlau,
drum muss ich mich verstellen!’
Und er begann darauf genau
wie Dackel Schnurz zu bellen.

Das Mäuslein hörte diesen Ton
mit sichtlichem Behagen:
Da war der Dackel Schnurz ja schon,
den Kater fortzujagen!

Und fröhlich sprang es aus dem Loch …
Oh weh! Ach, welch ein Grauen:
Nun hatte es der Kater doch
in seinen scharfen Klauen!

Dem Mäuslein ward es angst und bang,
als Tom die Zähne bleckte
und sich den stolzen Bartbehang
schon vorgenüsslich schleckte.

Dann aber rief es ganz empört:
„Kannst du dich so verstellen?
Wo hat man es denn je gehört,
das Katzen auch schon bellen?!”

Der Schurke schmunzelte vergnügt.
„Geh”, sprach er, „lass das Flennen!
Du siehst, der Kluge hat gesiegt:
Fremdsprachen muss man können!”

Ins Maul nahm er die Maus vom Fleck,
auf dass er sie verzehre.
„Halt!”, rief das arme Mäuslein keck,
„noch einen Wunsch gewähre:

Bevor du mit mir Mahlzeit hältst,
lass mich noch einmal hören,
wie täuschend echt und schön du bellst
– dann magst du mich verzehren!“

Der Kater dünkte sich gar schlau,
dass ihn der Wunsch erfreute.
Er bellte einmal laut: „Wau-Wau!”
Ach, wie ihn das gereute!

Denn kaum, dass sich sein Maul gesperrt
und sein Gebell erklungen,
ist ihm das Mäuschen unversehrt
ins Loch davon gesprungen.

Der Schurke tobte wie verrückt
und fauchte zornbesessen:
„Ist dir die List auch heut’ geglückt
- mal wirst du doch gefressen!”

Das Mäuslein aber dachte still
mit frohem Herzgepoche:
‚Nun belle, wer auch immer will
ich bleib’ in meinem Loche!’


Manfred Reher

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