Hochmut kommt vor dem Fall
Ein junger Hahn in Saft und Kraft
kam zu einer Hühnerschar
und krähte dort aus Leidenschaft,
weil er der neue Herrscher war.
Er ließ die Hennen um sich scharren
und sprach der Hennen angesichts
(er stand erhöht auf einem Karren):
„Ihr legt nur Eier und sonst nichts!“
Er wiegte stolz sich im Gefieder
und ging zum Garten, nein, er schritt.
Dann krähte er: „Ich heiße Pieter,
und wer mir nah kommt, kriegt ’nen Tritt!“
Damit auch alle ihn nun sehen
um wen es sich beim Neuen dreht,
hat er bereits beim Sonnaufgehen
mit Inbrunst lang und laut gekräht.
Am Anfang war er noch ein Reißer,
ein stolzer Hahn aus erster Wahl,
nun, mit der Zeit, da wurd’ er heiser,
und sein Krähen war `ne Qual.
Die Eitelkeit ihm angeboren,
versprach er Hennen Rendezvous,
doch hat das Leben er verloren
bei seinem letzten Morgengruß.
Es war umsonst die ganze Mühe,
der Bauer hat ihn kaltgemacht.
Nun liegt er hier in feiner Brühe
als Hahn in Wein, althergebracht.
Was soll uns die Parabel sagen?
Sein Hochmut, reine Theorie.
Selbst in deinen alten Tagen
bist und bleibst du Federvieh.
Gehörst du zweitens noch zur Jugend,
sei mäßig doch in deinem Tun!
Bescheidenheit ist eine Tugend,
sei vornehm auch mit einem Huhn!
Zum Dritten aber: Bist erwachsen
und hast den Hennen gut getan,
lass in Bejahrtheit doch die Faxen
und halt’ den Schnabel, auch als Hahn!
Werner Geberzahn