Betriebspraktikum 3 Monate immer montags (8. Klasse)

Ein Beitrag von Marcus Kraneburg (Klassenlehrer an der Freien Waldorfschule Freiburg St. Georgen)

Das 8-Klass-Berufspraktikum - "Wegen Umbau geschlossen"

Die 8. Klasse an der Waldorfschule ist normalerweise das letzte Klassenlehrerjahr. Die Schülerinnen und Schüler werden im Verlauf des Jahres 13 oder 14 Jahre alt - das 3. Lebensjahrsiebt beginnt. In der Regel hat es sich aber schon seit Monaten mehr oder weniger lautstark angekündigt.

Was wir landläufig als Pubertät bezeichnen, ist wohl der dramatischste Umbau der Persönlichkeit, den jeder Mensch erlebt. Das Eigene und Individuelle erwacht und drängt empor. Aus Sicht der Jugendlichen werden Eltern und Lehrer zunehmend schwieriger, problematischer, manchmal auch einfach nur peinlicher.

Die Jugendlichen legen ab, was sie durch Familie, Schule und Gesellschaft geworden sind, um sich selbst zu finden. Im Grunde häuten sie sich wie eine Schlange. Die Anthroposophie spricht sogar von einer weiteren Geburt, in der das Seelische oder der „Astralleib" des Menschen frei wird.

Häutung bedarf der Reibung. Konfrontation, Auseinandersetzung und Streit werden nicht selten gesucht oder provoziert. Die Fragen lauten: Was ist echt, was ist authentisch, was ist wahr? Der Horizont weitet sich, der Aktionsradius wird größer - man traut sich viel zu, manchmal zu viel. Mit dem Mund kann man vielleicht sogar schon alles.

In dieser seelischen Situation setzt das 8-Klass-Betriebspraktikum an. Es dient nicht der Berufsorientierung, sondern soll eine Brücke schlagen zum gelebtem Alltag der Erwachsenen. Da hat man einen Chef, der die Aufgaben verteilt und dem gegenüber man auch die eigene Arbeit verantworten muss. Weder Chillen noch Abhängen ist da angesagt, sondern konzentrierte Arbeit. Notwendigkeiten diktieren den Arbeitsprozess, nicht Beliebigkeiten.

Konzept

Dieses Praktikum der 8. Klasse hat eine besondere Form. Nach einer „Ankerwoche", in der die Schülerinnen und Schüler vier Tage am Stück den ausgesuchten Betrieb oder die Einrichtung kennenlernen sollten, folgten insgesamt 11 Montage. Diese erstreckten sich über einen Zeitraum von drei Monaten. Diese Verschränkung von Schule und Beruf war ganz bewusst gewollt. Die Stimmung des Arbeitslebens sollte mit in den Schulalltag genommen werden. Einige Schüler formulierten es so: „Ich habe mich schon das ganze Wochenende auf den Montag gefreut, weil ich da wieder arbeiten gehen konnte." Andere hingegen lernten die Qualitäten des Schulalltages wiederum schätzen. Insgesamt umfasste das Praktikum 15 Tage, also drei Wochen. Die Schülerinnen und Schüler waren für die Zeit des Praktikums über die Schule versichert. Die reine Arbeitszeit durfte für diese Altersstufe bis zu 7 Stunden betragen.

Praktikumssuche

Bis zum Ende der 7. Klasse hatten sich alle Jugendliche einen Praktikumsplatz gesucht. Das gelang problemlos. Eine ordentliche Bewerbung wurde in der Schule entworfen, anschließend stellte man sich vor. Bei der Auswahl der Plätze wurde von meiner Seite darauf geachtet, dass praktische Tätigkeiten im Vordergrund standen. Dazu gehört auch die Erfahrung von Wiederholung und Routinen.

Von allen Berufsfeldern, bei denen der Computer im Zentrum steht, ist deutlich abzuraten! In einem Fall hatte ich mich breitschlagen lassen, was dazu führte, dass der Schüler mich aus eigenem Frust darum bat, nach der Hälfte noch wechseln zu dürfen. In einer Fahrradwerkstatt war er anschließend sehr zufrieden.

Dokumentation

Das Praktikum begann am zweiten Schultag nach den Sommerferien und endete kurz vor Weihnachten. Jeder Schüler wurde von mir im Verlauf des Praktikums einmal vor Ort besucht. An jedem Montagabend wurde ein kleiner Bericht angefertigt. Dabei sollten tabellarisch die Tätigkeiten mit ungefährer Zeitangabe aufgeführt werden. Zwei Fragen schlossen den Bericht auch schon ab: „Was habe ich heute gelernt?" und „Die Erkenntnis des Tages?"

Öffentliche Vorstellung

Nach Abschluss des Praktikums stellen alle Schülerinnen und Schüler ihre Erfahrungen in einem Kurzvortrag im Rahmen der Elternschaft und den geladenen Vorgesetzten der Betriebe und Einrichtungen vor. Eine kurze Beurteilung des Schülers von dem Betrieb oder der Einrichtung wurde dem Achtklasszeugnis beigelegt.

Rückblick

Ich habe dieses Praktikum schon zum zweiten Mal mit einer 8. Klassen durchgeführt. Sowohl die Schülerinnen und Schüler, als auch die Eltern waren beide Male sehr begeistert. Die Vorgesetzen schwärmten geradezu von unseren Schülern.

Folgende Betriebe haben sich meine Schülerinnen und Schüler ausgesucht

Konditorei
Fahrradwerkstatt
Biosupermarkt
Schmiede, Metallwerkstatt
Zimmerei
Kindergarten
Gartenbetrieb
Buchbinderei
Integrativer Kindergarten
Aquaristik
Tierheim
Steinmetzbetrieb
Innenausbaubetrieb
VW Kfz-Werkstatt
Weingut mit Laden und Hotel

 

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