Schule auf dem Bauernhof

Ein Beitrag von Esther Schwartz (Freie Waldorfschule Saar-Hunsrück)

Gründung der Schule und des Hofes

Wie können wir Arbeitsprozesse schon in der Unterstufe in die Schule integrieren und theoretisches und praktisches Lernen besser verknüpfen? Wie können wir als „alternative“ Schule auf dem Land bestehen? Wie schaffen wir es, auch unruhigen Kindern einen Platz in der Schule zu bieten? Wie können wir die Kinder im Leben fester verankern?

Aus diesen Fragen heraus entstand 1997 im nördlichen Saarland eine Waldorfschule. Es war und ist erklärtes Ziel, die praktische Arbeit als zentralen Bestandteil in das Schulleben zu integrieren. „Werkzeug“ dazu sollte von Anfang an ein Schulbauernhof sein. Das Projekt soll modellhaft zeigen, wie Landwirtschaft und Schule als soziale Organismen in Zukunft zusammenleben können und wie sich Landwirtschaft und Pädagogik gegenseitig ergänzen und befruchten.

Leider konnte der Aufbau des Hofes nicht gleichzeitig mit der Schulgründung beginnen, da es zu dieser Zeit unmöglich war, Land in der Nähe der Schule zu kaufen oder zu pachten. Aus dieser Not heraus begannen die Lehrer der ersten Klassen mit der Haltung von kleineren Tieren: Kaninchen, Hühner, Bienen und Schafe wurden angeschafft, mit den Kindern zusammen wurden die Stallungen erbaut und sich in die Pflege der Tiere eingearbeitet. Mit Feuereifer arbeiteten die Kinder mit, lebten mit ihren Klassentieren und bezogen sie in alle Unterrichtsfächer mit ein: Da wurden Hühnerhefte geschrieben, Eier verkauft, Futtermengen berechnet usw. Die Projekte lebten von der Begeisterung der Lehrer und Schüler und waren in den Klassen unmittelbar und jeden Tag lebendig.

Währenddessen arbeitete der Landwirtschaftskreis an Konzepten zur Gründung eines größeren Hofes. 2002 wurde ein Trägerverein für den landwirtschaftlichen Betrieb gegründet und ein Landwirt und Pädagoge eingestellt. Mit dem Schuljahr 2003/04 begann die Arbeit des Schulbauernhofes – eines traditionellen Gemischt­betriebes mit 9ha Land - mit den Schülern der Waldorfschule ebenso wie mit Gruppen von außerhalb. Die Fläche konnte in der Zwischenzeit auf 14ha erweitert werden. Darauf werden Kartoffeln und Gemüse angebaut und Futter für die Tiere geworben. Auf dem Hof leben Laufenten, Gänse, Hühner, Rinder, Schafe, Ziegen, Pferde und ein Esel sowie Bienen. Der Tierbestand soll in Zukunft noch größer werden.

 

Pädagogische Arbeit in der Landwirtschaft

Die Arbeit auf dem Hof ist vom Stundenplan losgelöst. Jeden Morgen treffen sich Schüler aus verschiedenen Klassen in Kleingruppen und versorgen von 8.15 Uhr bis etwa 8.45 Uhr die Tiere. Jeder Schüler erlebt die anfallenden Arbeiten mehrmals im Jahr. Alle Klassen beteiligen sich durch Aktionstage und Projektwochen an der Arbeit auf dem Hof. Es werden Kartoffelkäfer gesammelt, Kartoffeln und Gemüse geerntet und verarbeitet, Futterkrippen, Tränken, Trockenmauern und Ställe gebaut oder Zäune errichtet. Durch diese Arbeiten und ein jährliches Hoffest wird der Hof zu einem Teil des täglichen Lebens der Schule. Jedoch findet der Hof auch in „regulären“ Epochen wie zum Beispiel der Tier- oder Pflanzenkunde seinen Platz. Einige Kinder erhalten mit gutem Erfolg Einzelförderung im landwirtschaftlichen Zusammenhang. Während zweier Landwirtschafts­praktika und zweier Projekte der Hausbauepoche wurden neue Unterstände gebaut, auch in einer Projektwoche wurde fleißig für den Hof gearbeitet.

  • Die Kinder der ersten Klasse besuchen wöchentlich begeistert den Hof, lernen die Tiere kennen und helfen bei leichten Ernte – und Pflegearbeiten. Dabei erleben sie intensiv den Jahreslauf und die Arbeitsrhythmen.
  • Die zweite Klasse übernimmt die Verantwortung für die Hühner. Die Kinder lieben es, täglich Eier zu sammeln, obwohl der Umgang mit den Hühnern für einige am Anfang nicht einfach ist. Es traut sich nicht jeder ein Huhn anzufassen oder gar zu tragen! Am Ende des Jahres aber gibt es keine Berührungsängste mehr.
  • Die dritte Klasse erlebt die Ackerbauepoche im Hofzusammenhang auf einem richtigen Feld. Außerdem versorgt sie die Gänse, was einigen Mut erfordert.
  • Ab der vierten Klasse kümmern sich die Kinder um die Säugetiere, einschließlich Futterwerbung, und beschäftigen sich so verstärkt mit den Einzeltieren.
  • Im ersten Jahr (4. Klasse) werden die Schafe versorgt,
  • dann die Pferde (5. Klasse),
  • Kühe (6. Klasse)
  • und Ziegen (7. Klasse).

Zur Arbeit gehört immer auch die modellhafte Verarbeitung der Produkte des Tieres ebenso wie tierbezogene Projekttage und die Einbindung des jeweiligen „Klassentieres“ in den Unterricht durch Klassen- und Fachlehrer. Den Lehrern werden dazu bei Bedarf Materialsammlungen an die Hand gegeben.

lEs ist unser Wunsch, dass die Schüler ab Klasse 8 im Rahmen von Projekten neue Aspekte der Landwirtschaft, speziell der biologisch-dynamischen Landwirtschaft, kennen lernen. Dies soll hinreichen bis zu Themen der Landschafts­pflege und der Rolle, die eine nachhaltige Landwirtschaft für die Erhaltung einer touristisch interessanten und artenreichen Landschaft spielt. Im Moment ist dieser Aspekt des Hofes aber noch nicht verwirklicht.

Die Landwirtschaft bietet viele Erfahrungs- und Lernmöglichkeiten für die Kinder. Motorische Fähigkeiten und sinnliche Wahrnehmung werden geschult. Es entwickelt sich eine positive Beziehung zur Natur, die später zu einem verantwortungsvollen Umgang mit ihr führt. Früh schon lernen die Kinder die Kreisläufe der Natur und ihre Rhythmen tätig kennen und durchleben sie mehrmals unter verschiedenen Aspekten. Durch die Pflege der Tiere lernen sie es, Beziehungen zu knüpfen, zu pflegen und die Bedürfnisse anderer wahrzunehmen. Sie müssen lernen Absprachen einzuhalten und Regeln zu befolgen. Darauf werden sie meist nicht (nur) durch den Lehrer, sondern durch das Tier selbst hingewiesen. Die Schüler erleben sich bei der Arbeit in neuen Rollen und entwickeln neue Aspekte ihrer Persönlichkeit. – Und das ganze nicht (nur) in Form einer kurzen Klassenfahrt oder eines Projektes, sondern mehrere Jahre in Folge.

 

Finanzierung des Projektes

Die Produkte des Hofes werden in der Schulküche verwendet. Finanziert wird die landwirtschaftspädagogische Arbeit hauptsächlich von der Schule, ansonsten über Mitglieds­beiträge, Spenden, und reguläre landwirt­schaftliche Subventionen. Die pädagogische Arbeit, die für andere Schulen und Kindergärten der Region angeboten wird, wurde bis zum Jahr 2007 durch das Projekt Leader+ der EU sowie des Umweltministeriums des Saarlandes bezuschusst.

 

Ausblick

In wenigen Jahren wurde mit Hilfe der Schüler, Eltern und Lehrer und Förderung durch das Leader+ - Projekt der EU und des Umweltministeriums des Saarlandes ein Hof aufgebaut. Leider leben die Tiere noch in vorläufigen Unter­ständen, denn das Genehmigungsverfahren für Neubauten von Ställen ist langwierig. Es erweist sich auch als nicht immer einfach, wirtschaftliche Gesichtspunkte und pädagogische Erfordernisse in Einklang zu bringen. Die Vielzahl der Tiergruppen erschwert den Klassenlehrern die Einarbeitung in die Materie. Aber - die Arbeit lohnt sich, denn alle Kinder, besonders die der Unterstufe, lieben die Tiere und arbeiten voller Begeisterung und Anteilnahme mit. Deshalb planen wir, die Landwirtschaft noch mehr in den regulären Unterricht einzubeziehen und einen kombinierten „Landwirtschafts- und Gartenbauunterricht“ aufzubauen. Ein erster Schritt ist durch die Ankunft eines neuen Schulbauernhof-Bauern, der den bisherigen unterstützt, getan. Missen möchten wir und die Kinder den Hof jedenfalls sicher nicht mehr!

 

Hier einige Stimmen der Kinder - der Schulbauernhof bietet auch immer wieder schöne Schreibanlässe:

  • „Ich fand den Hühnerdienst sehr schön, aber ich habe ein bisschen Angst vor den Gänsen. Sehr traurig war es, dass der Fuchs da war und alle Hühner bis auf drei geklaut hat.“ (2. Klasse)
  • „In der Pause habe ich gesehen, dass ein Huhn abgehauen ist. Ich habe das Huhn wieder in den Stall gebracht.“ (2. Klasse)
  • „Wir haben einen Schulbauernhof, da gibt es viele Tiere. Wir versorgen die Kühe, füttern und striegeln sie. Beim ersten Mal kamen mir die Kühe sehr groß vor, aber wir gewöhnten uns an sie. Wir sträubten uns nie den Stall auszumisten und waren froh, wenn sie sich wohl fühlten. Wir begleiteten sie im Sommer auf die Weide und im Winter wieder in den Stall. Kümmert euch auch mal um Kühe, sie werden euch ans Herz wachsen.“ (6. Klasse)
  • „Beim Kuhdienst muss man die Kühe mit Kraftfutter in den Futterstand locken, dann bekommen sie drei Schubkarren Silo! Zuerst kam mir das unglaublich viel vor, aber sie fressen es tatsächlich auf!“ (6. Klasse)
  • „Ich finde den Schulbauernhof sehr schön, weil man mit anderen zusammen arbeitet und etwas für die Zukunft lernt.“ (6. Klasse)
  • „Wir durften sogar auf den Kühen reiten!“ (6. Klasse)
  • „Sich um die Kühe zu kümmern war relativ schwer. Sie fressen sehr viel und trinken auch sehr viel!“ (6. Klasse)
  • „Die Arbeit macht eigentlich Spaß, aber bei schlechtem Wetter kann sie auch unangenehm werden. Man kann interessante Beobachtungen machen, z.B. welche die Leitkuh ist oder welche Gans sich am aggressivsten verhält und wie man sie erkennt.“ (6. Klasse)
  • „Ich habe mich sehr gefreut, als ich endlich mit dem Kuhdienst dran war. Als ich hörte, dass Scarlett geschlachtet werden sollte, weil sie ein Zwillingskalb gewesen war, war ich sehr sauer. Ich konnte nicht verstehen, wieso so ein liebes und süßes Tier geschlachtet werden sollte. Ich hatte die Kühe Elba, Luna, Scarlett und Elsa in der kurzen Zeit sehr lieb gewonnen!“ (6. Klasse)
  • „Kühe sind erstaunlich schreckhaft. Man denkt, dass sie ganz brave Lebewesen sind, aber wenn man in ihr Reich kommt, denken sie man wolle ihnen das Reich stehlen. Mit ihren Hörnern haben sie uns anfangs Angst gemacht! Sie werden beim Fressen gestriegelt, weil sie dann im Futterstand angehängt sind und sich nicht so wild bewegen können. Wenn Kühe vertraut mit den Menschen sind, bleiben sie ruhig. Am Schluss hatten wir viel Spaß mit ihnen!“ (6. Klasse)
  • „Der Bauernhof ist schön, weil man so viel lernen kann. Die Schafe waren sehr zutraulich, sie bekamen gerade Lämmer als ich Schafsdienst hatte, das hat mir gefallen. Weniger gefallen hat mir, dass ein Bock mich gestoßen hat - aber da er noch klein war, war es nicht so schlimm.“ (5. Klasse)
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