Arbeitswelt und Waldorfpädagogik
Aus diesen und anderen Erkenntnissen heraus wurde für die Jugendlichen eine Möglichkeit geschaffen in "Echtsituation zu lernen": Es entstand das Betriebspraktikum!
In komplexen Arbeitssituationen können die Schülerinnen und Schüler Erlerntes aus allen Bereichen der Waldorfpädagogik und des Unterrichts einsetzen und ausprobieren. In einem noch geschützten Rahmen (der Schule) werden realistische Einblicke und Ausblicke in zukünftige Arbeitsgebiete möglich.
Wir bekamen in den letzten 3 Jahren die unterschiedlichsten Reaktionen auf das Betriebspraktikum. Auffallend war die große Bereitschaft von Institutionen, sozialen Einrichtungen und Unternehmen jeder Größenordnung sich für die Jugendlichen zu engagieren. Sehr häufig wurde ein großer materieller und persönlicher Aufwand betrieben, um sehr gute bis optimale Praktikumvoraussetzungen zu schaffen.
Bemerkenswert war auch, dass unseren Jugendlichen, entgegen vieler Vorurteile, eine hohe Einsatzbereitschaft und meist schon sehr gut ausgebildete Schlüsselqualifikationen bescheinigt wurden.
Antworten zum Betriebspraktikum
- Die Praktikumdauer beträgt 1 Schuljahr, verteilt auf die 10. und 11. Klasse.
- • Die Praktikanten schließen mit den Betrieben, Eltern, Schule eine Praktikumvereinbarung, deren Inhalt als verbindlicher Leitfaden während der Praktikumzeit dient.
- Während des Praktikums sowie auf dem Weg dorthin und vom Arbeitsplatz zurück nach Hause sind alle Praktikanten Unfall und Haftpflicht versichert.
- Das Praktikum ist eine Schulveranstaltung und somit besteht Anwesenheitspflicht im Rahmen der zulässigen Arbeitszeiten (Jugendschutz).
- Die Praktikanten haben keinen Rechtsanspruch auf Entlohnung. Sie leisten in der Regel sehr gute Arbeit und Dienste. Hier sind zukünftig Unternehmen auf freiwilliger Basis gefordert nach Lösungen zu suchen.
- Die Praktikanten sind verpflichtet ein Betriebsheft zu führen.
- In der Regel wird die Praktikumstelle nach 6 Monaten gewechselt. In Einzelfällen kann eine andere Lösung vereinbart werden.
- In den letzten Jahren wurden Praktikumstellen von Stuttgart bis zum Bodensee betreut. Dies zeigt die große Flexibilität unserer Schülerinnen und Schüler, die bereit sind, teilweise sehr weite Anfahrtswege in Kauf zu nehmen, um in einem interessanten Betrieb zu arbeiten.
- Nach dem Praktikum können alle Schulabschlüsse, inklusive Fachabitur und Abitur, gemacht werden.
Ziele
Ist Lebenserfahrung messbar? Welche Noten werden für ein Praktikum vergeben? Wieso machen wir ein Jahr lang Betriebspraktikum, das einen so großen Einsatz von Jugendlichen, Eltern und Lehrern verlangt?
Ein zentrales Anliegen des Praktikums ist die Vorbereitung der Jugendlichen auf ihr späteres Leben. Schule ist nicht für sich selbst da, sondern hat einen klaren Auftrag am Menschen und an der Gesellschaft. Das spätere Berufsleben nimmt einen Großteil der Lebenszeit in Anspruch und somit muss man sich die Frage stellen, welche Anforderungen stellt das Berufsleben nach der Schule an die Jugendlichen.
Sind es erstklassige Noten, der schnelle Weg zum Abitur oder andere messbare "Eigenschaften"? Unsere Fragen an die Berufswelt haben vor mehr als 5 Jahren, als das Oberstufenkonzept geplant wurde, erstaunliche Antworten ergeben:
Es wurde der junge Mensch gesucht mit:
- Teamfähigkeit
- Zuverlässigkeit
- Kreativität
- Durch haltevermögen
- sozialer Kompetenz
- Selbstständigkeit
- Einfühlungsvermögen
- Flexibilität
- fundierter Allgemeinbildung
Wesentliche Qualitäten sind also Zuverlässigkeit, Durchhaltevermögen, Selbstständigkeit usw. Durch die Dauer unseres Praktikums von einem Jahr wird der Arbeitsalltag in den Lebensalltag des Jugendlichen integriert und er kann die oben genannten Qualifikationen entwickeln und stärken. Es hat sich auch gezeigt, dass die Schüler meist schon nach kurzer Zeit selbstständig Aufgaben übernehmen konnten - so entsteht Selbstbewusstsein im Jugendlichen.
Ein weiteres Ziel ist es, die in diesem Lebensalter zu beobachtende Schulmüdigkeit überwinden zu helfen, indem die Jugendlichen im "wirklichen" Leben, wenn es also "um etwas geht", wenn es sich um Ernstsituationen handelt, ganz persönlich gefordert werden. So entdecken sie neue Energien in sich und der Blick wird weg von sich, hin auf die Welt gerichtet.