Das späte Hervorbrechen der Weisheitszähne

Rudolf Steiner, GA 301, 14. Vortrag

[...] Wie ist das manchmal sehr späte Hervorbrechen der so genannten Weisheitszähne geisteswissenschaftlich zu erklären? Hat das Auftreten dieser Weisheitszähne ebenso mit dem Freiwerden gewisser Erkenntniskräfte zu tun, wie dies beim Zahn­wechsel der Fall ist?

Nicht wahr, wir müssen uns über Folgendes klar werden: Der Zahn­wechsel bezeugt, dass gewisse Kräfte, die vorher den Organismus durch­drungen haben, durchkraftet haben, nun frei werden, sie werden dann, wie ich Ihnen dargelegt habe, Vorstellungskräfte, freie Vorstellungs­kräfte. Aber alles, was so im Organismus vorgeht, darf nicht streng abgegrenzt und abgezirkelt sein, das wäre gerade gegen den Sinn der Entwickelung. Dasjenige, was bis zu einer Epoche der Menschheitsent­wickelung das Hauptsächlichste ist, von dem muss ein Rest zurückbleiben. Den Weisheitszahn bekommen wir eben später, weil noch immer ein Rest von dem im Organismus weiter wirken muss, was bis zum 7. Lebensjahre besonders radikal wirkt. Es muss ein Rest zurückbleiben. Wenn plötzlich alles abgeschlossen würde, würden wir Menschen einen sehr starken Ruck bekommen jedes Mal, wenn wir zum Nachdenken übergehen wollen. Wenn wir zum Nachdenken übergehen wollen, dann kommen diese Kräfte, die vorher im Organismus bis zum 7. Jahre tätig waren, unter Willkür zur Anspannung. Das, was da als eine notwendige Brücke sein muss zwischen dem abgesonderten Geistig-See­lischen und dem Organischen, das muss bis zu einem gewissen Grade bleiben. Wir müssen frei werden für das Vorstellen, aber wir müssen doch zusammenhängen mit unserem Organismus. Das drückt sich dar­innen aus, dass das Hervorbrechen des Weisheitszahnes so spät ge­schieht. Es bleibt eben etwas von der Kraft, die für das Vorstellen frei wird, doch noch in der organischen Entwickelung zurück. [...]

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