Warteschlange reduzieren
Ein Beitrag von Silke Schwarten (Rudolf-Steiner-Schule Hamburg-Bergstedt)
Der besseren Lesbarkeit halber wird das generische Feminin oder Maskulin verwendet. Es sind jedoch immer beide Geschlechter gleichermaßen gemeint.
Die Motive und Ziele des Projektes
Im Handarbeitsunterricht entstehen häufig Warteschlangen am Lehrertisch. Viele Kinder haben immer wieder Fragen mit ihrer Arbeit, meist Probleme, die nicht frontal bzw. im Klassenganzen gelöst werden können. Es ist dann sinnvoll, mit der Arbeit direkt zur Lehrerin zu gehen, die Schwierigkeiten zu zeigen und auch die Lösung direkt gezeigt zu bekommen. Da diese Situation fortwährend besteht, bildet sich also in den meisten Handarbeitsstunden eine Warteschlange an meinem Lehrertisch. Manchmal ist diese Schlange lang, manchmal ist sie kurz, manchmal baut sie sich zügig ab, manchmal erfordert sie auf Grund der jeweiligen Komplikationen längere Wartezeiten. Die Warteschlange hat mitunter die folgenden Begleiterscheinungen für die Schüler und mich:
- Bei den wartenden Kindern kann, wenn die Schlange einmal lang ist oder sich nicht schnell genug abbaut, Langeweile entstehen. Sie beginnen in diesen Fällen miteinander zu reden, selten sind ihre Gespräche auf ihr Handarbeitsproblem bezogen. Andere Kinder können davon abgelenkt werden, insgesamt kann damit die Laut-stärke und Unruhe steigen.
- Durch zu dichtes Aufrücken der Kinder mag es vorkommen, dass der Einzelne zu wenig Raum hat, was Gedrängel, Gerangel, manchmal auch Streit, immer aber Unruhe zur Folge haben kann - mit der Konsequenz, dass ich eingreifen muss.
- Durch das Anstellen an meinem Tisch wird der eigentliche Arbeitsfluss der Kinder unterbrochen. In der Regel handarbeiten die Kinder aber alle sehr gerne, es gibt nur ganz vereinzelt Schüler, die das Phänomen „Warteschlange“ nutzen, um nicht arbeiten zu müssen. Insofern empfinden die Kinder es als ärgerlich, wenn sie nicht durcharbeiten können, sondern sich anstellen und um Hilfe bitten müssen.
- Es gibt auch Kinder, die sich angewöhnen, sich bei jeder noch so kleinen Frage und Unsicherheit in die Warteschlange zu stellen. D. h. sie geben einen Teil ihrer Verantwortung an mich ab, oder sie fühlen sich durch allgemeine, frontale Ansagen nicht angesprochen. Sie möchten alles noch einmal von mir direkt gesagt und erklärt bekommen. Manche Schüler kommen zu Beginn jeder Stunde und möchten mit mir gemeinsam besprechen, was zu tun ist. Dies ist aber nicht im Sinne selbstverantwortlichen Lernens, und hier verstreicht auch viel Zeit für alle.
- Auch bei denjenigen Kindern, die einen deutlichen Lernwillen haben und sich aufs Beste bemühen sich an die Regeln des Arbeitens zu halten, können, wenn die Warteschlange sich nicht schnell genug abbaut, Frustration, Unmut, Albernheiten entstehen, außerdem steigt die Lautstärke. Dies wiederum lässt bei mir den Druck entstehen, noch schneller und effizienter zu arbeiten. Bedingt durch meine Ungeduld erwarte ich dann, dass die einzelnen Kinder meine Erklärungen schneller begreifen. Einerseits muss ich mit meiner Aufmerksamkeit bei der großen Lerngruppe im Außenraum sein (= breit + draußen), andererseits bei der individuellen Problemlage (= intim + oft kompliziert und aufwändig). Gleichzeitig steigt aber der Lärmpegel im Raum an. Evtl. sogar unmittelbar neben mir, da die Warteschlange ihre Eigendynamik entwickelt.
- Auch derjenige, der eine Frage an mich richtet, kann sich häufig schlecht auf die Lösung konzentrieren, da hinter ihm in der Warteschlange so viel Unruhe ist. Ich ermahne dann meist
1.) die Wartenden zur Ruhe,
2.) den fragenden Schüler zur Konzentration und
3.) die noch Sitzenden zum Arbeiten.
Dies ist eine Situation, mit der ich unzufrieden bin, da ich dann niemandem wirklich gerecht werde. - Ein Nebeneffekt der Warteschlange ist, dass ich sehr viel erklären muss, häufig jedem einzeln. Ich bin mir darüber im Klaren, dass der Handarbeitsunterricht an sich ein stark individualisierter Unterricht ist, und befürworte das auch sehr. Ich möchte aber trotzdem eine Lösung finden, die die Warteschlange und ihre möglichen Begleiterscheinungen auf ein Minimum reduziert.
Geplante Maßnahmen und Methoden
Im Handarbeitsunterricht in der 5. Klasse machen die Kinder unterschiedliche Arbeiten. Sie haben die Wahl zwischen dem Strümpfe Stricken und dem Stricken eines Bezuges für eine Wärmflasche. Bei letzterem gibt es unterschiedliche Schwierigkeitsgrade: Es gibt ein einfaches Strickmuster (glatt rechts) oder ein etwas komplizierteres mit einem Zopfmuster.
Mein Praxisforschungsprojekt sieht nun die folgenden Maßnahmen vor:
- Sitzordnung nach Themen/Arbeitsfeldern
Normalerweise setze ich in meinem Unterricht immer Jungen und Mädchen, ruhige und lebhafte Kinder zusammen an einen Tisch, unabhängig davon, an welchem Handarbeitsstück sie jeweils gerade arbeiten oder wie weit sie damit sind. So werden an den Tischen teilweise ganz unterschiedliche Sachen gemacht. Dies soll sich ändern. Künftig werde ich eine Sitzordnung nach Themen bzw. Arbeitsfeldern vornehmen. Diese sieht so aus: Alle Kinder, die sich entschieden haben Strümpfe zu stricken, sitzen gemeinsam an einem Tisch (pro halbe Klasse: 4 Kinder = 1 Tisch). Ebenso sitzen alle Kinder, die die Wärmflaschenhülle mit dem Zopfmuster für sich wählten, an einen Tisch (pro halbe Klasse 2-3 Tische). Alle Kinder, die sich mit dem Stricken aus den unterschiedlichsten Gründen schwer tun, sitzen ebenfalls zusammen. Sie werden voraussichtlich die einfache Version, d. h. ohne Zopfmuster, bearbeiten (ein Tisch in jeder halben Gruppe). Ich erhoffe mir von diesem Prinzip, dass sich kleine, sich gegenseitig unterstützende und beflügelnde Gemeinschaften bilden. Einander Tipps oder Hilfestellungen zu geben, scheint mir so eher möglich, weil die jeweilig andere Arbeit der eigenen relativ ähnlich sieht. Die Tische sind in sich homogener als sonst, auch bezogen auf die jeweilige Arbeitsgeschwindigkeit. - Auslegen von Arbeitsanleitungen
Vor einigen Wochen entdeckten die Kinder in meinen Unterlagen kleine Skizzen und Arbeitsanleitungen, die ich zunächst nur für mich gedacht hatte – bis dahin hatte ich aus pädagogischen Gründen überhaupt auf den Einsatz solcher Hilfsmittel im Unterricht verzichtet. Wir kamen darüber ins Gespräch. Die Kinder konnten unmittelbar etwas mit meinen Notizen anfangen. Auf Wunsch der Kinder liegt nun auf jedem Tisch ein Zettel zum Draufschauen. So kann weitergearbeitet werden, für einige Fragen entfällt damit das Anstellen. - Anfertigen von Arbeitsanleitungen durch die Kinder selbst
Im Laufe der Zeit ist mir aufgefallen, wie unsicher viele Kinder in Bezug auf die Anwendung und Strukturen der rechten und linken Maschen sind. Da dieses Phänomen trotz aller Erklärungsversuche meinerseits bestehen bleibt, sollen die Kinder einen Zettel zum Thema glatte und krause Maschen zu zweit bearbeiten, indem sie mit eigenen Worten beschreiben, wie man diese jeweils strickt. Anschließend sortiere ich ihre Bemerkungen und hänge zwei Zettel mit den jeweiligen Merkmalen der rechten bzw. der linken Maschen - so, wie die Kinder sie erklärt haben - dauerhaft aus. So kann jeder, der sich unsicher fühlt, nachschauen gehen. Falls nötig, können auch einzelne Notizen ins Heft gemacht werden. - Mitnahme der Handarbeitsbeutel / Freiwillige Hausaufgaben
Da viele Kinder mit großer Freude arbeiten, wird häufig der Wunsch geäußert, die Handarbeitsbeutel mit nach Hause zu nehmen. Es hat den großen Vorteil, dass das eigene Voranschreiten an der Arbeit viel erlebbarer wird. Außerdem scheint mir, dass der Kontakt zu den Dingen, die man gern hat und die man gern tut, nicht unnötig unterbrochen wird (jeder Schüler hat 2x wöchentlich 45 Minuten Handarbeit). Die Nachteile sind jedoch:
1.) Wenn der Beutel vergessen wird, muss eine andere, sinnvolle Arbeit für diesen Schüler gefunden werden.
2.) Auch wenn die Beutel morgens vor dem Unterricht bei mir abgegeben werden, bleibt mir aus zeitlichen Gründen nur ein kurzer Blick zwischen Tür und Angel darauf. Wenn mehrere oder größere Komplikationen aufgetreten sind, gibt es kaum eine Chance, dass diese bis zum Stundenbeginn behoben werden können. (Grundsätzlich zum Verständnis: Alle Handarbeitsbeutel werden von mir stets so hergerichtet, dass jedes Kind zu Beginn der Stunde alleine weiterarbeiten kann. Dadurch wird die Warteschlange klein gehalten. Manchmal richte ich aber aus pädagogischen Gründen eine Handarbeit nicht her, sondern belasse sie so, wie sie ist, um sie mit dem Kind gemeinsam besprechen zu können.) - „Leuchttürme“ / Assistenz / Unterstützer
Auf lange Sicht möchte ich in den Gruppen ein Helfersystem einrichten, so dass ich nicht allein die Anlaufstelle für die Kinder bin. Kleinere Fragen und Hilfestellungen sollen entweder an den Tischen oder in der Gruppe von den Mitschülern gelöst werden können. Ich möchte durch diese Maßnahmen, die ein selbstverantwortlicheres Arbeiten und Lernen der Schüler begünstigen, meine Lehrerrolle verändern.
Die gewünschten Ergebnisse
Ich möchte folgende Ergebnisse erzielen:
- Die Schüler sollen verschiedene Möglichkeiten bekommen, sich Hilfe zu holen, so dass sie nicht mehr ausschließlich auf mich fixiert sind. Sie sollen wählen können zwischen
1. der Hilfestellung durch Mitschüler,
2. der Hilfestellung durch diverse Skizzen, Arbeitsanleitungen und Arbeitsnotizen,
3. der Hilfestellung durch mich. - Ich möchte durch die Reduktion der Warteschlange meine Möglichkeiten, individuell auf das Vermögen und die Wünsche der Schüler einzugehen, noch stärker ausschöpfen.
- Ich möchte mich noch intensiver als bisher um die Bedürfnisse schwacher Kinder bzw. Kinder mit besonderem Erklärungs- oder Hilfsbedarf kümmern.
- Das Hilfeholen und Hilfegeben soll nicht störend für andere sein, sondern sich selbstverständlich ins Arbeitsgeschehen eingliedern.
- Die Hilfestellung durch einen Mitschüler soll von dem Helfenden nicht als störend empfunden werden. Das bedeutet, dass das Helfen nicht zur Last für einzelne Schüler werden darf, sondern nur in dem Umfang stattfinden soll, in dem der Schüler die Hilfe abgeben kann und will, d. h. innerlich dafür bereit ist. Diese Fähigkeit und Bereitschaft ist sicherlich nicht nur von der handwerklichen Geschicklichkeit abhängig, sondern auch von dem Impuls, anderen Fürsorge zuteilwerden zu lassen.
- Insgesamt soll eine freudige und entspannte Arbeitsatmosphäre herrschen, in der auch schwache Schüler konzentriert arbeiten können.
Beteiligte Schüler
Mein Fokus liegt auf der 5. Klasse, weil hier eine Vielzahl von komplizierten, kleinteiligen Arbeitsschritten beim Stricken auftauchen. Der Bedarf, eine Hilfestellung zu bekommen, ist also häufig gegeben. Die Erfahrungen, die ich in den anderen Klassen mit der Warteschlange mache, werden aber ebenfalls in die Beobachtung einfließen. Die 5. Klasse ist für den Handarbeitsunterricht geteilt, hat also pro Gruppe 18 bzw. 19 Schüler. Jeder Schüler hat zwei Stunden in der Woche, je 45 Min., die im Laufe des Vormittags stattfinden.
Zeitlicher Rahmen des Projekts
Das Projekt beginnt mit dem Schuljahr 2010/11.
Benötigte Mittel
Es werden keine besonderen Mittel benötigt.
Drei Werkstattberichte über das Praxisforschungsprojekt
1. Bericht vom 08.11.2010
Die folgenden Erfahrungen habe ich seit Beginn der neuen Maßnahmen und Methoden im Herbst 2010 gemacht:
Sitzordnung nach Themen/Arbeitsfeldern
Die Kinder sind mit dieser neuen Art der Sitzordnung sehr zufrieden, denn die Möglichkeit mit einem Freund/Freundin zusammen zu sitzen ist recht groß und sehr attraktiv. Dadurch steigt die gegenseitige Hilfsbereitschaft ohne großes Zutun von meiner Seite stark an. Ich höre vermehrt Sätze wie „Komm, ich zeige Dir“ und „Du musst das jetzt so machen“. Es ergibt sich in der einen Gruppe (eine Hälfte der Klasse) eine vollständige Trennung von Jungen- und Mädchentischen. Viele Kinder sind sehr zufrieden darüber. Ich bin erstaunt und irritiert, hatte bisher immer bewusst Jungen und Mädchen an einen Tisch zusammengesetzt, damit sie ganz selbstverständlich zusammen sind und lernen miteinander auszukommen. Ich hatte, von einer Konstellation abgesehen, auch noch nicht bemerkt, dass das gemischte Sitzen abgelehnt wird. Dennoch, es bleibt die Frage, ob es nicht auch wichtig ist, dass Jungen und Mädchen in einer Klasse lernen auch in unmittelbarer räumlicher Nähe gut miteinander auszukommen. In der anderen Gruppe ist die Trennung in Jungen- und Mädchentische so nicht möglich und es gibt auch keine Klagen.
Nachteile:
Durch diese so angenehm empfundene Sitzordnung steigt der Lärmpegel an einigen Tischen durch engagierte Privatunterhaltungen zu stark an. In der angeregten Sich-helfen-Atmosphäre (= insgesamt etwas lauter) „schwimmen“ auch die „Gerne-Plauderer“ mit, sie können aber nicht dabei handarbeiten. D. h. sie arbeiten gar nicht oder es unterlaufen ihnen zu viele Fehler. Folge: Nach den Ferien verteile ich einzelne Kinder anders, lasse die Sitzordnung aber vom Prinzip her bestehen. (Einen Schüler nehme ich konsequent in jeder Stunde in meine Nähe.)
Auslegen von Arbeitsanleitungen
Die Anleitung für den Wärmflaschenbezug den Schülern mit an die Tische zu geben hat sich einfach so ergeben. Schön ist es zu erleben, wie sicher sich die Schüler damit fühlen. Jederzeit können sie jetzt selber nachschauen und brauchen sich für diese Art der Frage nicht mehr anstellen. Entspannung brachten zwei weitere Zettel der gleichen Machart, so dass jeder der drei Tische seinen eigenen haben konnte. Ein wichtiger Satz wird zu Beginn jeder Stunde: „Hast du schon unseren Zettel geholt?“ Dadurch angeregt, erstellte ich einen weiteren in ähnlicher Machart für die Strümpfe-Stricker (nur für einige wenige Arbeitsschritte, weil sonst zu komplex). Sie sind allein auf Grund dieser Tatsache (Gleichwertigkeit mit den anderen?) sehr zufrieden, wenngleich sie ihn wenig nutzen.
Anfertigen von Arbeitsanleitungen durch die Kinder selbst
Ein neuer Merkzettel wurde notwendig, als deutlich wurde, dass trotz steter Bemühungen das Erkennen und richtige Anwenden von linken und rechten Maschen einigen Kindern ein Rätsel blieb. Es sollten sich nun Zweiergruppen (= Tischnachbarn) bilden, die Fragen zum Thema „Linke Maschen und alles was uns sonst noch Wichtiges dazu einfällt“ (bzw. Rechte Maschen) bearbeiteten. Diese Sätze sammelte und sortierte ich und stellte sie auf zwei Blättern zusammen, selbst erstaunt, was den Kindern jeweils wichtig war, und wie detailliert bestimmte Arbeitsabläufe beschrieben werden konnten. In der nächsten Stunde stellte ich diese beiden Sammlungen vor. Zum Teil großes Entzücken, wenn sie ihre eigenen Sätze wiedererkannten. Nun hängen diese gemeinsam erstellten Merkzettel an der Wand und jeder, der unsicher ist, kann nachschauen gehen. Wurde bereits zur Orientierung genutzt.
Mitnahme der Handarbeitsbeutel/Freiwillige Hausaufgaben
Mit der Mitgabe der Beutel habe ich, wie oben bereits beschrieben, nicht immer positive Erfahrungen gemacht, deshalb gebe ich sie eher wenig mit nach Hause. Ein wesentlicher Nachteil ist das Vergessen und manchmal tagelang nicht mehr auffinden können. Der andere ebenfalls wichtige Aspekt für mich: Ich habe kaum Zeit bis zur nächsten Stunde mir einen Überblick über das jeweilige Strickgeschehen zu machen. Im Rahmen des Praxisforschungsprojekts gebe ich dem häufig vorkommenden Wunsch einiger Kinder, ihre Handarbeit mit nach Hause nehmen zu dürfen, aber öfter nach. Dabei mache ich, wenn ich die Beutel täglich vor dem Unterricht wieder einsammele, folgende Erfahrungen:
- Die Beutel werden kaum je zu Hause vergessen.
- Manche Kinder stricken zu Hause lediglich die Reihe zu Ende, andere erarbeiten sich mehrere Reihen, aber alle sind stolz und zufrieden (Sie sind in Kontakt mit ihrer Arbeit geblieben).
- Auf Komplikationen bei der Handarbeit werde ich von den Kindern häufig schon bei der Abgabe der Beutel aufmerksam gemacht, so dass ich sie gleich mit dem Kind gemeinsam anschauen kann.
- Auch der Klassenlehrer bekommt einen Eindruck von dem, was im Handarbeits-Unterricht erarbeitet wird, und kann den Kindern seine Aufmerksamkeit und Wertschätzung entgegenbringen.
- Wenn ich einmal nicht in die Klasse kommen kann, bringen die Kinder ihre Sachen zu mir, obwohl wir das nie verabredet haben. Sie kümmern sich selbst um ihr Anliegen.
- Die Kinder üben sich in Selbständigkeit, indem sie, bevor sie ihre Handarbeit tatsächlich mit nach Hause nehmen, überlegen, ob sie überhaupt Zeit für sie haben werden. So kann es vorkommen, dass ein Kind seine Handarbeit doch lieber in der Schule lässt, da es überblickt hat, dass es bis zur nächsten Handarbeitsstunde keine Zeit zum Arbeiten haben würde.
2. Bericht vom Winter 2011
Die folgenden Erfahrungen habe ich von Dezember 2010 bis Ende Januar 2011 mit den neuen Maßnahmen und Methoden gemacht:
Sitzordnung nach Themen/Arbeitsfeldern
Die Sitzordnung wird laufend von mir aktualisiert. D. h., je nach Voranschreiten bzw. Neubeginn einer Arbeit sorge ich dafür, dass immer wieder die Kinder beieinander sitzen, die das gleiche Thema gewählt haben. Manche Schüler sprechen mich auch von sich aus darauf an. Ein Schüler fragt gleich zu Beginn der Stunde, ob er mit zwei anderen Jungen am Tisch sitzen kann. Er will heute mit einer neuen Arbeit beginnen und die beiden haben ihm bereits ihre Unterstützung zugesagt. Diese Kombination bewährt sich für die folgenden Wochen. Grundsätzlich sind es positive Erfahrungen, die ich mit diesen Schülervorschlägen mache. Doch es gibt auch Unerfreuliches. So sind in jeder der beiden Gruppen jeweils 3 bis 4 Jungen, die mit ihren Arbeiten nicht vorankommen. Ihre Privatgespräche ziehen sie so stark in den Bann, dass sie kaum handarbeiten, außer ich ermahne sie und signalisiere ihnen ständig, dass ich sie im Auge habe. Es sind Schüler, die auch sonst immer zum Arbeiten angehalten werden müssen. Sie haben wenig Ausdauer, neigen zu Albernheiten oder können leicht „unsichtbar“ werden. Zwei von ihnen verlieren leicht den Anschluss durch häufiges Fehlen. Hier lege ich nun fest, wer wie viel in einer Stunde schaffen muss. Falls dies nicht der Fall ist, ist der Rest – verpflichtende - Hausaufgabe (Darüber wird sich sofort empört, waren Hausaufgaben bisher doch immer freiwillig). Wenn ich diese Situation mittels einer Sitzordnung lösen wollte, müsste ich die von mir hier beschriebene und angestrebte aufgeben. Da aber viele der Mitschüler davon profitieren, entscheide ich mich dagegen. Ein Schüler ist in diese Sitzordnung gar nicht zu integrieren. Er lenkt sich und andere mit seiner Unruhe ab und muss deshalb in meiner unmittelbaren Nähe sitzen.
Auslegen von Arbeitsanleitungen
Es kommt noch eine Arbeitsanleitung für Handschuhe hinzu, die besonders hilfreich ist, um den Daumenkeil alleine weiterzustricken, wenn man das Prinzip einmal verstanden hat.
Anfertigungen von Arbeitsanleitungen durch die Kinder selbst
Ein Schüler befasste sich zum ersten Mal mit den angepinnten Beschreibungen der rechten und linken Maschen. Er stand recht lange davor. Schließlich machte er mich darauf aufmerksam, dass es richtiger wäre, das Blatt, das die rechten Maschen beschreibt, doch auch auf die rechte Seite zu hängen. Die Beschreibung der linken entsprechend auf die linke. Mir war dies noch nicht aufgefallen, dass hier Inhalt und Form nicht übereinstimmten. Dieser Schüler hatte dadurch ganz offensichtlich Orientierungsschwierigkeiten gehabt.
Mitnahme der Handarbeitsbeutel/freiwillige Hausaufgaben
Einige Kinder treffen sich am Nachmittag zum gemeinsamen Handarbeiten oder telefonieren miteinander, um sich zu beraten und gegenseitig weiterzuhelfen, wenn ein nächster Arbeitsschritt ansteht. Einige kommen mit weit vorangeschrittenen Wärmflaschenhüllen in die Schule. Nicht ganz fehlerfrei, wie sich zeigt, doch die Schüler sind so stolz auf ihr Werkstück und voller Schaffensfreude, dass ich mich entschließe in diesen Fällen nur zur Not etwas aufzutrennen, nach Möglichkeit diese „Unebenheiten“ aber so zu lassen. Ich kann unmittelbar erleben, wie wertvoll dieser selbst organisierte Arbeitseifer für die Kinder selbst ist. Mehrere Mädchen legen einen enormen Schaffensdrang an den Tag. Drei von ihnen stricken eine oder eine zweite Wärmflaschenhülle innerhalb weniger Tage. Hier stoppe ich die Mitnahme der Beutel nach Hause. Ich schlage ihnen stattdessen eine eigene häusliche Arbeit vor, bei der ich ihnen gern beratend zur Seite stehe, sie aber selbst das Material besorgen. Dies scheint mir aus pädagogischen Gründen notwendig zu sein, denn hier kippt die gesunde Schaffensfreude in einen atemlosen, rasenden Übereifer um. Aber es ist auch für den fortlaufenden Unterricht nötig, dass Schüler längere Passagen, die ihnen sicher von der Hand gehen, im Unterricht arbeiten. Sonst werde ich gerade von ihnen ständig „belegt“, um die komplizierteren Stellen zu erklären. Das nimmt schnell sehr viel Zeit und Raum in Anspruch, welche die Warteschlange wieder auf ein für alle unbefriedigendes Maß anschwellen lässt (Außerdem ist es nicht Aufgabe der Schule, das Material für nachmittägliche Beschäftigungen zu besorgen und bereitzustellen.). Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass ein Mädchen den Vorschlag annimmt und sich anschließend ein Paar Strümpfe aus sehr feiner Wolle strickt, ein anderes Mädchen zu Hause ein eigenes Projekt macht, das dritte diesen Vorschlag jedoch ablehnt, diese Entscheidung ungerecht findet und immer wieder versucht eine Ausnahme zu erwirken.
„Leuchttürme“/Assistenz/Unterstützer
Ein Junge will die Ferse nicht von einem Mädchen gezeigt bekommen. Da ich beide für gleichermaßen geschickt und deshalb für ein gutes Team halte, ist es zunächst unverständlich. Doch die Tatsache, dass hier ein Junge und ein Mädchen ein Gespann bilden sollen, stößt bereits auf Abwehr. Ein kompetentes Mädchen möchte anderen nicht helfen, auch wenn sie selbst nichts zu tun hat. Mir wird an dieser Situation sehr deutlich, wie schnell sich geschickte Schüler ausgenutzt fühlen können, indem sie „immer“ helfen sollen. Solch eine Maßnahme muss gut durchdacht und vorbereitet sein (Der vergessene HA-Beutel ließ es in diesem Fall nicht dazu kommen.).Meine Aufmerksamkeit für das Umfeld ist in anderer Weise als bisher gefordert, damit ich z. B. bemerke, wenn jemandem die Hilfe eines Anderen gar nichts nützt. So kommt es vor, dass ein Mädchen einem anderen sehr aufwendig alles ordnet, während das andere aber gar nicht zuschaut und innerlich nicht daran Anteil nimmt. Ich nehme immer deutlicher wahr, dass sowohl das Hilfegeben als auch das Hilfeannehmen am besten in Freiwilligkeit funktioniert. Offensichtlich ist es ein wichtiger Aspekt, dass die Lernpartner in guter (oder passender) Beziehung zueinander stehen.
Vorläufiges Fazit
Dies erlebe ich als positiv:
- Die Warteschlange wird kleiner, ist gut zu handhaben, manchmal, für kurze Momente, steht auch niemand an meinem Lehrertisch. Das ist auch gut so, denn die Anfragen und Hilfestellungen, die jetzt nötig sind, erfordern jeweils viel Hilfe und Beratung. Gleichzeitig wird meine Aufmerksamkeit für das Umfeld stärker gefordert.
- Insgesamt bin ich mit dem, was geschafft worden ist (der Menge) sehr zufrieden.
- Ich entdecke auch unter den Schülern Gewinner der Maßnahmen. Es sind in der einen Gruppe 5, in der anderen 7 Schüler, die von dieser Unterrichtsweise profitieren (Die (5+5) Schüler, die im Handarbeitsunterricht ohnehin immer erfolgreich sind und bei jedem Wetter alles mitmachen, sind hier nicht mit eingerechnet.).
Dies erlebe ich als kritisch:
- Ich erlebe beide Gruppen häufig laut und gelegentlich auch ruppig untereinander. Die Kinder wirken angestrengter und verbrauchter. Liegt es an den zu aufregenden und zu wenig erholsamen Ferien? Liegt es doch an der Sitzordnung? Liegt es daran, dass ich der jetzt Stricken lernenden 1. Klasse mehr innere Beachtung schenke? Liegt es daran, dass einige Werkstücke bereits zu Weihnachten verschenkt worden sind, für manchen die Luft nun ein wenig raus ist - besonders für diejenigen, die bis Weihnachten nicht fertig geworden sind und denen daran bewusst wird, wie viel sie noch zu tun haben? (Zu bestimmten Zeitpunkten wird auch schwächeren oder unbeteiligten Schülern der Stand ihrer Arbeit sehr deutlich.)
- Andererseits gibt es auch einige unter ihnen, die Gutscheine verschenkt haben, die sie nun bald einlösen wollen.
3. Bericht vom Juli 2011
Die folgenden Erfahrungen habe ich von Februar 2011 bis zum Ende des Schuljahrs im Juni 2011 mit den neuen Maßnahmen und Methoden gemacht:
Sitzordnung nach Themen und Arbeitsfeldern
Die Sitzordnung wird nach wie vor von mir laufend (d. h. alle paar Wochen, je nachdem) aktualisiert. Zwei Schüler müssen mir nach jeder Reihe ihre Arbeit zeigen. Hier gibt es auch am Ende des Schuljahres noch Unsicherheiten. Durch diese Anbindung an mich ist der Kontakt zu mir größer und sie versinken nicht ganz so leicht in den nachbarschaftlichen Gesprächen. Die Kinder machen mich häufig schon beim Begrüßen auf eine optimalere Sitzordnung aufmerksam. Ich mache damit immer noch gute Erfahrungen.
Auslegen von Arbeitsanleitungen
Für den Daumenkeil der Handschuhe gibt es ebenfalls eine Anleitung. Ein Junge arbeitet damit komplett selbstständig, nachdem wir das Prinzip besprochen haben.
Anfertigen von Arbeitsanleitungen durch die Kinder selbst
Ein Schüler liest an der Pinwand zum Thema „Rechte und Linke Maschen“ noch einmal etwas nach. Auf meine Frage, welcher der Sätze ihm denn die notwendige Orientierung gegeben hat, antwortet er: „Die rechten Maschen sind leichter zu stricken.“ Dieser Satz wäre mit Sicherheit nicht in einem allgemeinen, von mir konzipierten Tafeltext enthalten gewesen. Die Schüler stricken kleine Beutel mit farbigen Einstrickmustern (Norwegermuster). Einige dieser Mustermöglichkeiten habe ich auf Karopapier gezeichnet, ihnen einen Namen gegeben und laminiert. Die Kinder wählen sich aus den verschiedenen Möglichkeiten eine aus und versuchen sie nachzustricken (Das Stricken mit zwei Fäden hatte ich ihnen zuvor gezeigt). Einige haben bald das Bedürfnis selbst kleine Muster zu erfinden. Dabei entsteht schnell ein gemeinsames Tüfteln mehrerer Schüler. Ich beobachte, dass sich besonders die Jungen vom Entwerfen angezogen fühlen. Da diese Papiere ebenfalls laminiert werden, um der Allgemeinheit zur Verfügung zu stehen, bekomme ich sie immer noch einmal sauber abgemalt. Bemerkenswert finde ich, dass besonders diese von den Schülern selbst entworfenen Muster untereinander weiterempfohlen werden.
Mitnahme der Handarbeitsbeutel/freiwillige Hausaufgaben
Es nehmen nicht mehr so viele Kinder die Beutel mit nach Hause wie zu Beginn des Schuljahres.
„Leuchttürme“/Assistenz/Unterstützer
Es ist interessant zu beobachten, dass beim Musterstricken die Beratung der Schüler untereinander sehr rege ist. Bei der Farb- und Musterwahl werden Ideen ausgetauscht, auch das gegenseitige wertschätzende Betrachten der Arbeiten fällt mir besonders positiv auf. Die gegenseitige Hilfe der Schüler untereinander findet immer in reinen Mädchen- oder Jungengruppen statt. Als ich einmal ein Mädchen und einen Jungen zusammenspannen will, da sie gleich weit und ähnlich geschickt sind, wird dies abgelehnt. Der Junge möchte es sich dann nur von mir zeigen lassen (Da er der weiteste Junge ist, gibt es für ihn zurzeit keinen adäquaten Partner). Es ist schön zu sehen, wie Kinder sich gegenseitig zu unterstützen versuchen. So hat ein Mädchen einen Fehler an der Ferse und rätselt mit einem anderen, was jetzt zu tun sei. Nachdem ich dies eine Weile aus der Ferne beobachtet habe, gehe ich hin und helfe. Da niemand bei mir am Tisch steht, kann ich das gut tun. Die beiden sind erleichtert und freuen sich darüber, dass sie von mir bei ihrem Getüftel von weitem gesehen worden sind. Ein Mädchen, das selbst häufig Schwierigkeiten hat, bietet einem anderen seine Hilfe an. Es ist ihm gerade mal eine Nasenlänge voraus. Trotzdem reicht dieser kleine Vorsprung aus, um hier zu unterstützen. Das helfende Mädchen ist ungeheuer stolz und zufrieden. Ich hätte das zu Beginn des Schuljahres kaum zulassen können, dass jemand Schwaches einen anderen unterstützt.
Fazit
Dies erlebe ich als positiv:
- Das Ziel, die Warteschlange am Lehrertisch zu reduzieren, wurde erreicht. In der Warteschlange stehen nur noch Kinder mit „notwendigen“ Fragen.
- Ein Mädchen braucht eine sehr differenzierte Farbberatung für ihre Fäustlinge. Viele Farben sollen noch untergebracht werden. Wie breit muss jeder genau sein? Wir messen und berechnen dann die Reihen.
- Ein Mädchen kommt sicherheitshalber vor dem endgültigen Abschneiden des Fadens, sie braucht die Bestätigung, dass alles OK ist, ebenso wie diejenigen Kinder, die an neue Aufgaben herangehen (mit zwei Farben stricken) sowie diejenigen, die sich einfach noch nicht sicher genug an den kniffligen Stellen fühlen.
- Ein Junge fragt, ob das zweifädige Stricken nicht einfacher gehen könnte. Ihm ist der Fadenwechsel zu umständlich. Ich zeige ihm zwei Varianten. Er erkennt sofort die Vorteile. Das war seine individuelle Frage, er bleibt der einzige, der hier den Wunsch nach Optimierung hatte. Diesem speziellen Wunsch habe ich wegen zu der zu langen Warteschlange bisher nie nachkommen können, da es immer etwas länger dauert, bis ein Schüler sich sicher genug fühlt, um mit dieser etwas komplizierten Handhabung auf seinen Platz zurückzukehren.
Dies erlebe ich als kritisch:
- Insgesamt empfinde ich es im Unterricht häufig zu laut, insbesondere zu Beginn und am Ende. Das Aufräumen dauert und ist von unnötigen Rangeleien begleitet. Würde jemand anderes es auch so erleben? Ist es meine Kraftlosigkeit am Ende des Schuljahres, die sich im Verhalten der Schüler spiegelt?
- Während des Unterrichts gibt es die themenbezogenen Handarbeitgespräche, und wenn sich die Schüler austauschen dürfen, steigt auch die Lautstärke.
- Doch auch die Auseinandersetzungen im Sozialen nehmen zunehmend Raum ein und werden inzwischen vehementer geführt, besonders bei den Mädchen.
Erfahrungen / Beobachtungen aus dem 2. Jahr des Praxisforschungsprojekts
Die folgenden Erfahrungen und Beobachtungen habe ich im zweiten Jahr meines Praxisforschungsprojekts gemacht:
Die Kinder entscheiden selbst, wann sie den nächsten Arbeitsschritt erlernen
Vor Beginn meines Praxisforschungsprojekts hatte ich beim Stricken von Läppchen als Vorbereitung auf das Strümpfe stricken bzw. Stricken von Pulswärmern, Handschuhen usw. immer eine Vorgabe gemacht, nach wie vielen Reihen der rechten Maschen die linken zu erlernen seien, und ebenso, ab wann ein Rippenmuster zu stricken sei. Jetzt lasse ich die Kinder selbst entscheiden: Wann fühlen sie sich so sicher, dass sie sich das Erlernen des nächsten, schwierigeren Arbeitsschrittes zutrauen? Das ist für viele von ihnen recht ungewohnt, sie vergewissern sich mehrfach, ob es nicht doch Vorgaben von meiner Seite aus gibt. Einige sind jedoch froh ohne Umschweife die nächste Herausforderung anzunehmen, manche können den nächsten Arbeitsschritt sogar schon und möchten dies auch gern zeigen. Zugleich bietet sich für mich eine gute Gelegenheit die verschiedenen Schüler in ihrer Herangehensweise zu beobachten und kennenzulernen. Die Schüler haben seit mehr als einem Jahr nicht mehr gestrickt. So bietet sich die Möglichkeit in Ruhe sich wieder etwas in Erinnerung zu rufen, erneut sicher darin zu werden und sich dann auf das Nächste einzustellen. Die Hälfte der Schüler möchte bereits im Laufe der nächsten Stunde mit den linken Maschen beginnen. Nach der Stunde sehe ich an den Arbeiten, dass sich die Schüler jeweils gut selbst einzuschätzen vermochten. Auch in den nächsten Stunden beobachte ich, dass es zwar langsame und ungeübte Schüler gibt, die noch eine Weile brauchen, um sich zurechtzufinden, aber niemand aus „Bequemlichkeit“ den nächsten Schritt scheut. Im Gegenteil, eifrig wird ausgetauscht, wer schon womit begonnen hat oder es bald tun wird. Da diese erste Arbeit hauptsächlich als Wiedereinstieg gedacht ist, sollen zunächst nur kleine Maschenproben entstehen, die später zu einem Kissen zusammengenäht werden. Nachdem die flinken Schüler erkannt haben, welche Gestaltungsmöglichkeiten sich ihnen durch die beiden Maschenarten bieten, stricken viele nach dem ersten nun ein weiteres Teil. Sie entdecken dabei verschiedene Würfel und Rippenmuster. Gegenseitige Bewunderung, Anregung und Beratung machen die Runde.
Die Kinder wählen sich ihr Strickprojekt zwischen 4 verschiedenen Angeboten / Möglichkeiten aus
Nach einigen Wochen sind die Kinder sicher und geübt. Eine Vielzahl von unterschiedlichsten Läppchen ist entstanden und wir können uns dem Stricken mit dem Nadelspiel zuwenden. Hier biete ich nun Pulswärmer, Handschuhe, Strümpfe und auf besonderen Wunsch auch Beinstulpen an. Jeder soll sich aussuchen, was er gerne machen möchte. Da der größte Teil des Schuljahres noch vor uns liegt, kann sich auch ein langsam arbeitendes Kind ein aufwändiges Projekt aussuchen. Die flinken Schüler werden genügend Zeit haben, um eine weitere Arbeit anzufertigen. Ich bin mir nicht sicher, ob sich wirklich alle Schüler darüber bewusst sind, wie unterschiedlich schwierig oder aufwändig die einzelnen Dinge sind. Eher habe ich den Eindruck, dass je nach dem, was man gerne haben oder verschenken möchte, ausgewählt wird. Die Hälfte der Kinder entscheidet sich für Pulswärmer, ein Drittel für Strümpfe und die restlichen wählen zwischen den anderen Möglichkeiten. Diese erste Wahl kann ich bei allen Kindern gut nachvollziehen. Nur bei einem langsam arbeitenden und recht gesprächigen Jungen bin ich skeptisch. Er entscheidet sich für Beinstulpen, die er bereits Weihnachten verschenken möchte. Auch nach einer vorsichtigen Nachfrage ist es kaum vorstellbar für mich, dass er bei seiner Arbeitsweise sein Ziel erreichen kann.
Nach weiteren Wochen / Monaten, als die ersten Kinder fertig sind, gibt es die Möglichkeit sich erneut ein Projekt auszuwählen. Auch jetzt kann ich die Wahl bei allen nachvollziehen. Einige sind mutiger oder/ und neugieriger geworden, sie wählen Strümpfe. Die Ferse stellt eine spannende Herausforderung für sie dar. Zur Alternative sind auch Babysöckchen möglich, damit die Arbeit im überschaubaren Zeitrahmen geschafft werden kann. Nur bei einem Schüler habe ich den Eindruck, dass er ausweicht. Er wählt, nachdem er die Pulswärmer gemacht hat, nun Beinstulpen. Sie bieten keinerlei neue Herausforderung für einen guten Schüler wie ihn. Nach kurzer Zeit beklagt er sich über die Langeweile. Im Gespräch wird deutlich, dass er weder etwas verändern noch sich beim Arbeiten anstrengen möchte. So lasse ich ihn noch eine Weile in seiner Unzufriedenheit verharren. Später setzt dieser Schüler seine Fähigkeiten jedoch gerne ein, in dem er Mitschüler tatkräftig unterstützt, die mit ihren Arbeiten in Rückstand geraten sind.
Als weitere Aufgabe für alle Schüler habe ich das Einstricken von farbigen Mustern gesetzt. Es sollen Beutel in unterschiedlichen Größen und frei erfundenen Mustern entstehen. Das erste Muster wird von mir vorgegeben, alle weiteren können die Kinder sich ausdenken. Selbstverständlich ist es sinnvoll, hier noch einmal Rücksprache mit mir zu halten, ob das Muster auch so erscheint, wie das Kind es sich vorgestellt hat, oder ob man noch etwas daran ändern muss. Interessant ist für mich hier zu beobachten, dass bei den ersten Schülern nur eine Schülerin das Bedürfnis hat ihre eigenen Mustervorstellungen umzusetzen. Alle anderen bleiben zunächst bei dem von mir angegebenen Grundmuster und haben mehr Freude daran, es in vielfältigen Farben zu wiederholen. Sie schaffen sich die Abwechslung durch die Farben, nicht durch die wechselnden Formen. Und freuen sich daran, dass sie auch beim Stricken zu Hause so gut und sicher vorankommen.
Anfertigen von Arbeitsanleitungen durch die Schüler selbst
Auch in dieser Schülergruppe werden Merkzettel zum Thema „Rechte und linke Maschen“ notwendig, damit den Schülern eine zusätzliche Orientierung zur Verfügung steht. In Zweiergruppen aufgeteilt, beantworten sie Fragen zu den Maschen und notieren alles, was ihnen dazu noch Wichtiges einfällt. Diese Sätze werden von mir sortiert und auf zwei Zetteln zusammengestellt. Auch hier sind die Schüler beim Vorstellen der Zettel in der darauffolgenden Stunde sehr zufrieden, wenn sie „ihre“ Sätze wiedererkennen. Die beiden Zettel hängen an der Wand und werden eifrig genutzt. Bei einer Schülerin kann durch diese aushängenden Beschreibungen erstmals ein grundsätzliches Missverständnis geklärt werden. Es wird uns deutlich, dass wir vorher immer aneinander vorbeiredeten. Nachdem der erste Musterbeutel fertig ist, lege ich ein neues Heft aus, in das die Schüler ihre Muster einzeichnen. So können andere Schüler sich hier Anregungen holen und es bleibt eine schöne Erinnerung von ihren Ideen und Werkstücken in der Schule. Bei einem Mädchen, das sehr flüssig und selbstständig gestrickt hat, wird deutlich, dass es sich hierbei für sie noch einmal um einen bewusst zu greifenden Abstraktionsschritt handelt. Es gelingt ihr erst im zweiten Versuch, das - immer wiederkehrende - Muster zu übertragen, sie braucht geraume Zeit dazu. Auch in diesem Jahr werden kleine Norwegermuster von den Kindern auf Karopapier gezeichnet und anschließend laminiert. So entsteht wieder eine kleine Sammlung mit erprobten Beispielen. Jedes Mal, wenn Schüler den Kasten nach Anregungen durchstöbern, ist Lob und Anerkennung zu vernehmen. Diese kleinen wertschätzenden Momente tragen zu einer angenehmen Atmosphäre bei.
Mitnahme der Handarbeitsbeutel / Freiwillige Hausaufgaben
Mit dieser Maßnahme mache ich, wie auch im vergangenen Jahr, weiterhin positive Erfahrungen. Alle Beobachtungen vom letzten Jahr treffen auch für dieses Mal zu. Die Beutel werden kaum zu Hause vergessen. Wie 2010: Manche Kinder stricken lediglich die Reihe zu Ende, andere erarbeiten sich mehrere Reihen, aber alle sind stolz und zufrieden. (Sie sind in Kontakt mit der Arbeit geblieben.) Die Beutel werden jeweils zwei Tage vor der nächsten Handarbeitsstunde wieder eingesammelt. Häufig werden sie mir aber auch gebracht. Entweder bewundere ich dann, was sie geschafft haben, oder sie weisen mich auf einen Fehler hin. Es ist für den gegenseitigen Kontakt - wir lernen uns gegenseitig noch kennen - immer eine wichtige Begegnung.
Der Klassenlehrer bekommt einen Eindruck von dem, was im Handarbeitsunterricht erarbeitet wird, und kann den Kindern seine Wertschätzung entgegenbringen. Wichtig scheint insbesondere zu sein, dass man den Beutel mit nach Hause nehmen darf. Bei freier Zeiteinteilung, in selbst gewählter Umgebung zu arbeiten macht Spaß! Die Schüler tauschen sich mit ihren Familienangehörigen aus, zeigen, was sie schon können. (So ein Junge: „Mama wundert sich sehr über mich, wie gut ich das kann!“ oder auch: „Meine Mutter hat mir die krausen Maschen so gezeigt, ist das auch in Ordnung?“ oder: „Meine Oma findet meine Pulswärmer so schön. Sie bekommt sie geschenkt, aber das weiß sie noch nicht.“) Das eigene Üben und Wachsen daran können nun auch andere Menschen bemerken. Das tut den Kindern gut! Die Trennung von Familie und Schule wird an dieser Stelle offensichtlich als künstlich erlebt. Auch in dieser Schülergruppe fragen sich die Kinder, ob sie überhaupt Zeit zum Arbeiten finden werden. Entsprechend nehmen sie die Arbeiten mit oder auch nicht. Es gibt einen Schüler, der häufig seine Sachen mitnimmt, auch wenn er nicht immer dazu kommt, daran zu arbeiten. („Ich habe keine Zeit, aber vielleicht möchte ich trotzdem stricken.“) Es wäre doch schade, ihm diese freudige Zuversicht zu nehmen. Zu Beginn und insbesondere vor Weihnachten nehmen fast alle Kinder ihren Beutel mit nach Hause. Im Frühjahr sind es dann weniger (4-6 pro Gruppe). Für sie ist es nach wie vor wichtig, auch weil es sich hier entweder um größere Projekte (noch ein Paar Socken) oder um Geschenke (Flötenbeutel) handelt. Auch wenn Mädchen sich nachmittags verabreden, möchten einige gerne gemeinsam handarbeiten.
Neben diesen durchweg positiven Erfahrungen sind aber auch folgende Beobachtungen interessant: Im Laufe des Schuljahres sind die Schüler immer sicherer im Umgang mit den Arbeitsaufträgen geworden. Einige Schüler werden nun nachlässig bzw. schaffen zu Hause vollendete Tatsachen. So werden Strickarbeiten für beendet erklärt, die noch gar keine Abschlüsse haben, Fäden werden auf abenteuerliche Weise oder gar nicht vernäht und eine Arbeit wird gleich verschenkt, ohne dass ich sie noch einmal in Augenschein nehmen kann. Auch muss ich darauf achten, dass nicht zu viel Material für die Heimarbeit mitgenommen wird. Gelegentlich wird nun auch mal ein Handarbeitsbeutel zu Hause vergessen. Hier ist Aufmerksamkeit und Wachheit meinerseits in jeder Stunde gefordert. Die Schüler murren zwar, wenn sie die entsprechenden Korrekturen vornehmen müssen, sind am Ende aber immer zufrieden. Sie erleben dadurch auch, dass die Dinge nicht beliebig erledigt, sondern handwerklich sinnvoll bearbeitet werden. Sogar die bereits verschenkte Arbeit wird noch einmal zurückgeholt, damit ich sie betrachten kann. Diese Momente sind auch für alle anderen Schüler wichtig, da hier noch einmal die gemeinsamen Absprachen und Regeln ins Gedächtnis gerufen werden können. Einem Schüler überlasse ich im zweiten Halbjahr des Jahres die Entscheidung der freiwilligen Hausaufgaben nicht mehr. Er hat sich bisher auf Grund seiner langsamen Arbeitsweise viel zu viel Zeit für seine Arbeit gelassen. Nun bekommt er von mir nach jeder Stunde klare Hausaufgaben, die ich auch zuverlässig kontrolliere. Zu seinem eigenen Erstaunen kommt er gut voran, er erkundigt sich bald darauf selbstständig nach seinen Hausaufgaben und macht in einem weiteren Schritt mir bald Vorschläge, was ich ihm als Hausaufgabe geben könnte. Hier findet also ein gemeinsam gestalteter Weg zu den freiwilligen Hausaufgaben statt. Auch für einige andere Schüler wird dies zum Ende des Schuljahres ein guter Weg, um die Arbeiten ohne Hetze abschließen zu können. Insgesamt gesehen werden auch in dieser Klasse die Beutel ab dem Frühjahr nicht mehr so viel mitgenommen, und ein Beutel verschwindet für einige Zeit, sehr zum Verdruss der Schülerin.
Auslegen von Arbeitsanleitungen
Auch hiermit mache ich die gleichen positiven Erfahrungen wie im letzten Jahr. Die unterschiedlichen Projekte, für die sich die Kinder entscheiden können, erfordern sowohl verschiedene Wollqualitäten als auch die Maschenanzahl zu Beginn. In den Wollkörben stecken jeweils Schilder, auf denen sichtbar ist, was man mit der jeweiligen Wolle machen kann (Zeichnung) und mit wie vielen Maschen man startet. Außerdem hängt neben der Tafel ein Überblick, wiederum durch kleine Zeichnungen unterstützt, auf denen jeder nachschauen kann, wie die ersten Arbeitsschritte zu Beginn sein sollen (Wie viele Maschen sollen auf die Nadeln? Wann rechte Maschen, wann linke? Wann kann das Strickstück zur Runde geschlossen werden? Wie viele cm sind zu stricken, bis dieser Abschnitt abgeschlossen ist?). All dies wurde zwar in vielen Stunden ausführlich erläutert und auch im Klassengespräch mit den Schülern wiederholt. Trotzdem zeigt die Erfahrung, dass einige Schüler erst in diese Fragen einsteigen, wenn es sie unmittelbar betrifft. Viele Schüler verschaffen sich immer wieder einen Überblick, indem sie sich an dem Zettel orientieren. Mit manchen mache ich es auch gemeinsam. Eine interessante Erfahrung hierzu entsteht durch eine Vertretungssituation durch eine fachfremde Kollegin, die spontan den Unterricht zu Beginn der Stunde übernommen hat. Die Schüler erklären ihr, bei Problemen könne man einfach auf diese Übersicht schauen und schon wüsste man, wie fortzufahren sei. Als ich zur Klasse zurückkehre, handarbeiten alle stolz und zufrieden. Eine Schülerin kommt auf die Idee sich eine Erklärung abzuschreiben, damit sie mit diesem Arbeitsschritt nicht bis zur nächsten Stunde warten muss, sondern ihn schon allein zu Hause umsetzen kann. (“Ich glaub, ich kann das, es ist nur zur Sicherheit.“)
Sitzordnung nach Themen /Arbeitsfeldern
Eine Sitzordnung nach Themen / Arbeitsfeldern ist lange Zeit in beiden Gruppen nicht möglich. Zu sehr geht es in den ersten Wochen und Monaten darum, dass Lehrerin und Schüler sich gegenseitig kennen lernen. Das Austesten von geltenden Regeln und Grenzen nimmt dabei einen großen Raum ein. Die von mir festgelegte Sitzordnung bleibt die ganze Stunde über bestehen. Die Versuche hier etwas freiere Hand zu lassen wirken sich stets in großer Lautstärke und anstrengendem Unterrichten aus. Mehrfach erhalte ich nur ein Achselzucken, wenn ich die Kinder frage, neben wem sie denn gut arbeiten könnten. Für einige eine ungewohnte Frage („Das musst du doch wissen“, scheint aus ihrem Blick zu sprechen.). Häufig hilft es, wenn sie sich die Antwort zur nächsten Stunde überlegen. Manche Kinder jedoch haben eine klare Vorstellung von demjenigen, der gut neben ihnen wäre. Mit diesen gemeinsamen Überlegungen als Grundlage versuche ich dann den Sitzplan neu zu verändern, bin aber noch weit von meinem angestrebten Ziel entfernt. Auch das Ausweichen auf die Bänke an Heizung und Wand klappt nicht, da der Lautstärke- und Unruhepegel jedes Mal zu sehr ansteigt und die Fehler in den Arbeiten dies auch nachträglich dokumentieren. Zwei besonders unruhige Schüler erklären mir ihr lautstarkes Nichtstun damit, dass sie lieber zu Hause in Ruhe arbeiten: „Hier bringt das nichts, es ist einfach zu laut.“ Was nützt es, wenn zwar kaum Kinder in der Warteschlange stehen, ich aber in dieser Lautstärke kaum Dinge erklären und zeigen kann? Ich habe den Eindruck, die Schüler müssen erst eine neue Erfahrung damit machen, wie das ist, wenn man leise redend, in guter Atmosphäre seine Handarbeit macht und sich auch (fast) alles um diese dreht. Als einmal mehrere Schüler fehlen, bietet sich die Gelegenheit dazu. Am Ende der Stunde frage ich die Schüler, welche Veränderungen sie heute erlebt haben. Sie zählen Verschiedenes auf, auch dass sie sich viel wohler als sonst gefühlt haben. In der nächsten Stunde, als alle wieder da sind, erzählen wir den anderen davon. Auch diese Stunde „gelingt“ und wird von allen wieder als sehr positiv erlebt. Stunde um Stunde tasten wir uns vor bis hin zu den ersten Sitzplatzverschiebungen. Nun kommen die Kinder von selbst auf die Idee, mit wem sie gemeinsam am Tisch sitzend sich gegenseitig unterstützen können. Auch die andere Gruppe ist von diesen attraktiven Neuerungen angesteckt, auch hier gibt es erste gelungene Versuche. An dieser Stelle möchte ich auch die große Hilfe, die ich zu diesem Zeitpunkt durch ein offenes Gespräch in meiner Intervisionsgruppe erhielt, erwähnen. Im Nachhinein scheint mir, als wäre erst nach Monaten der Zeitpunkt für diese Maßnahme reif gewesen. Erst jetzt verstehen die Kinder, was ich zuvor immer zu beschreiben versucht hatte: sich im Fluss mit der Arbeit, dem Voranschreiten, den Schwierigkeiten und den Mitschülern zu bewegen. Zum Ende des Schuljahres setzen sich die Kinder so, wie es ihnen sinnvoll und angenehm erscheint. Sie haben ohnehin häufig das Bedürfnis, sich neben jemanden mit der gleichen Arbeit zu setzen. Manche wechseln auch unauffällig ihren Ort, um sich etwas zeigen zu lassen. Was die Lautstärke angeht, sind deutliche Fortschritte erlebbar, trotzdem gibt es noch einige Schüler, die mit dieser offeneren Form nicht so gut umgehen können. Hier muss ich nach wie vor Ermahnungen aussprechen oder die Schüler umsetzen.
Fazit Warteschlange
- Das Ziel die Warteschlange am Lehrertisch zu reduzieren wurde auch in diesem Jahr erreicht. Die Schüler waren durch die Möglichkeit, sich etwas aussuchen zu können, von Anfang an gut gestimmt. Auch die freiwilligen Hausaufgaben haben zur Zufriedenheit aller beigetragen.
- Die Schüler konnten durch die unterschiedlichen Maßnahmen in ihrem eigenen Tempo arbeiten. Es ergab sich daraus eine größere Bandbreite, sowohl in Bezug auf die Geschwindigkeit bei den einzelnen Arbeiten als auch bei der Menge der Dinge, die ein einzelner Schüler in einem Schuljahr herstellte. Die schnellen, oftmals selbstständigen Schüler wurden nicht unnötig ausgebremst, in dem sie zu lange warten mussten. Gleichzeitig waren sie immer wieder gern bereit anderen etwas zu zeigen oder Hilfestellungen zu geben.
- Alle Schüler wenden sich jedoch weiterhin mit ihren individuell notwendigen und berechtigten Fragen an die Lehrerin. Die Schüler, denen das Handarbeiten eher schwer fiel, konnten mehr Unterstützung durch mich erfahren. Dadurch erlebte ich die Schüler insgesamt zufriedener. Ich selbst war entlasteter und erlebte meine Arbeit als sinnvoller.
- Der überwiegende Teil der Klasse hat deutlich an Selbstständigkeit, Übersicht und nicht zuletzt auch an Selbstbewusstsein dazugewonnen. Recht viele Kinder (hauptsächlich Mädchen) haben die Möglichkeit dieser Unterrichtsform genutzt und ihre individuellen Wünsche in die Tat umgesetzt. Das wäre mir zuvor, in dieser Vielzahl, kaum möglich gewesen zu betreuen.
- Auch ich habe in dieser Zeit vieles dazugelernt und meinen Horizont erweitert. So konnte ich neue, andere Lernwege der Schüler entdecken, begleiten und wertschätzen. Gleichzeitig übte ich mich im Loslassen von Gewohntem und entwickelte mehr aufmerksames Interesse für die Anliegen der Schüler.
- Dadurch, dass die Schüler aufgefordert sind miteinander in einen konstruktiven Austausch zu treten, steigt die Lautstärke unweigerlich bei dieser Form des Unterrichts an. Das soziale Miteinander nimmt mehr Raum als vorher ein. Dies zeigte sich am häufigsten zu Beginn oder am Ende einer Stunde. (In beiden Jahren machte es sich altersbedingt ab dem Frühjahr durch die einsetzende Vorpubertät mit dem dazugehörigen Jungen-Mädchengerangel bemerkbar.)
- Dennoch würde es sich hier lohnen, über schalldämmende Maßnahmen nachzudenken, damit diese Unterrichtsform nicht grundsätzlich durch die bauliche Situation erschwert wird.
Voraussetzungen:
Wie wichtig die Basis einer gesunden und vertrauensvollen Beziehung für das Lernen ist, wurde besonders im zweiten Jahr deutlich, da sich Schüler und Lehrerin erst mit der Zeit durch die gemeinsame Arbeit kennen lernten. Die hier aufgezeigten Maßnahmen/ Methoden des svl ersetzen diese Arbeit des einander Begegnens, Austestens und miteinander vertraut Werdens in keiner Weise. Sie bieten aber mehr Gelegenheiten jeden Schüler in seinem individuellen Anliegen wahrzunehmen und zu begleiten. So ist mir wieder einmal deutlich geworden, wie viel geduldiges Üben, auch von meiner Seite, erforderlich war, um allmählich zu einer immer besseren Arbeitsatmosphäre und zu einem selbstverantwortlicheren Arbeiten seitens der Schüler zu kommen. Dazu gehörte auch manche Stunde, mit deren Verlauf und Ergebnis ich nicht zufrieden gewesen bin.
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