Pädagogische Miniatur von 2 Jungen und 2 Schiffen

Ein Beitrag von Christian Seitz

In einem weitläufigen Park stand an einem großen Bassin, das mit einer kleinen Steinmauer eingefriedet war, ein Junge, der mit einer Fernsteuerung ein elegantes Modellschiff durch das Wasser manövrierte. Das Schiff glitt in weit ausladenden Kreisen und schwungvollen Achten über das Wasser. Nach einer gewissen Zeit gesellte sich ein etwas jüngerer Knabe hinzu und beobachtete höchst interessiert den Jungen, der die Fernsteuerung bediente und das Schiff, das ruhig durch das Wasser glitt. Der Junge hatten den kleinen Burschen aus den Augenwinkeln heraus wahrgenommen; aber ihm sein kostbares Spielzeug wenigstens eine kurze Zeit zu überlassen, der Gedanke kam ihm gar nicht.

Das war aber auch gar nicht nötig, denn der kleine Bursche drehte sich plötzlich um und flitzte weg. Nach ein paar Minuten kam er mit einem Holzrindenstück zurück, das er im nahen Wald wohl unter einem der Bäume gefunden hatte. Er zog nun Schuhe und Strümpfe aus, krempelte die Hosenbeine hoch, nahm das Rindenstück und stieg ins Wasser.

Mit der rechten Hand ließ er sein Schiff über das Wasser gleiten, aber dann wirbelte er mit der Linken das Wasser auf und steuerte sein Schiff geradewegs in die Wellen hinein, wobei er das Auftreffen der Wellen mit kraftvollem Pt-schsch Pt-schsch lautmalerisch begleitete. Und dann kam auch schon ein kräftiger Wind, der in einem pfeifenden pfffiiii- pfffiiii immer neue Wellen auftürmte, die ebenfalls mit deutlich vernehmbarem Pt-schsch Pt-schsch auf das Schiff klatschten.

Die rechte und die linke Hand des kleinen Burschen waren unermüdlich im Einsatz und aus seinem Mund ertönten all die Naturlaute, die ein solches Geschehen begleiteten. Das Schiff kam zwischendurch auch in ruhigere Gewässer, bis es dann aber erneut mit hohen Wellen zu kämpfen hatte.

Der Junge mit der Fernsteuerung hatte nach einer gewissen Weile sein Augenmerk von seinem Modellschiff abgewendet und dem Treiben des Jüngeren so fasziniert zugesehen, dass er darüber ganz die Bedienung seiner Fernsteuerung vernachlässigte. Dann betrachtete er mit einem Mal die Fernsteuerung in seiner Hand, lenkte seinen Blick auf sein ruhig dahingleitenden Modellschiff und machte plötzlich eine Kehrtwendung. Er ging am Rande des Bassins entlang, bis er dem kleinen Burschen gegenüberstand, dessen Schiff gerade wieder hohe Wellen zu durchpflügen hatte, die mit lautem Pt-schsch Pt-schsch aufs Deck klatschten und von einem heulenden Wind pfffiiii- pfffiiii begleitet wurden.

Er rief den kleinen Burschen an, hielt ihm seine Fernsteuerung hin und fragte: „Tauschen wir?“

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