Straßenkinderprojekt in Estland: Elagu Elu
Gemeinsam mit Straßenkindern bauen Oberstufenschüler der Freien Waldorfschule Hannover-Maschsee in Estland ein Sozialzentrum zur Unterstützung einer evangelischen Kirchengemeinde in Tallinn, die sich für Straßenkinder und obdachlose Familien einsetzt.
Elagu Elu: „Es lebe das Leben’’
Soziale Ungerechtigkeit und in Folge dessen Gewalt, Armut und Obdachlosigkeit beeinträchtigen das Leben vieler Menschen. Wir wollen Verantwortung übernehmen und uns sozial in der Welt engagieren, um Menschen zu helfen, denen es nicht so gut geht, wie uns. Denn man kann auch im Kleinen helfen und mit begrenzten Möglichkeiten eine ganze Menge erreichen!
Uns ist der persönliche Kontakt zu unserer Zielgruppe besonders wichtig. Deshalb haben wir uns dazu entschlossen, nicht nur finanziell zu helfen, sondern auch praktisch tätig zu werden und gemeinsam an einer Perspektive zu arbeiten. Der menschliche Kontakt und das gemeinsame Arbeiten stehen bei uns im Vordergrund.
Zur aktuellen Situation in Estland
In Tallinn, der Hauptstadt Estlands, leben Tausende von Straßenkindern unter menschenunwürdigen Bedingungen. Sie hausen in Slums, es herrschen Hunger, Krankheit und Drogensucht. Dazu kommen harte klimatische Bedingungen, lange kalte Winter. Der estnische Staat hat kein soziales Programm, um obdachlose und benachteiligte Menschen zu fördern, auch nicht für Kinder! Wir wollen obdachlosen Kindern und Jugendlichen helfen und unterstützen mit unserem Projekt die evangelische Kirchengemeinde „Peeteli“ in Tallinn, die sich für Straßenkinder einsetzt. Ihr Pastor Avo Üprus ist nicht nur evangelischer Pfarrer, sondern auch Politiker, Vorsitzender der Gefängnispfarrervereinigung Estlands und Gründer eines Kinderheims und Tageszentrums für Straßenkinder.
Über uns
Seit vier Jahren besteht unser Projekt. Seitdem haben wir zehn Arbeitseinsätze von zwei bis vier Wochen (insgesamt 26 Wochen) in Estland durchgeführt. Unsere Projektgruppe besteht aus zwei Lehrern, einem Altschüler (Tischler/Sozialpädagoge) und Oberstufenschülern verschiedener Klassen der Freien Waldorfschule Hannover-Maschsee.
Die Finanzierung unseres Projektes
Das Straßenkinderprojekt finanziert sich durch Spenden (Zeitungsartikel, Öffentlichkeitsarbeit) und durch viele Eigeninitiativen, wie Cafes, Büffets, Vorträge, Konzerte, Arbeitseinsätze (Umzüge, Gartenarbeit, Renovierungen, u. ä.). Das gespendete und verdiente Geld wird ausnahmslos für die erforderlichen Baumaterialien verwendet.
Arbeitseinsätze in Estland
Das Sozialzentrum für Straßenkinder entsteht auf Saaremaa, der größten estnischen Insel. Dort arbeiten wir mit russischen und estnischen Straßenkindern auf einem teilweise bewaldeten Grundstück direkt an der Ostsee, das etwa zwei Hektar groß ist. Bisher haben wir an einem Gemeinschaftshaus mit Küche, Ess-, bzw. Aufenthaltsraum und Schlafboden gebaut, das nun fertig gestellt ist. Im Sommer 2006 haben wir begonnen ein Wohnhaus mit überdachter Terrasse zu bauen, damit man sich auch bei regnerischem Wetter draußen aufhalten kann. In Zukunft ist noch ein Sanitär- bzw. Saunahaus geplant. Parallel dazu arbeiten wir immer gestaltend und forstwirtschaftlich auf dem Grundstück und gehen Arbeiten der Instandhaltung nach.
Forstarbeit
Diese Arbeit beinhaltet das Auslichten, Gestalten und Pflegen der bewaldeten Bereiche des Grundstücks. Es werden z. B. Bäume unter forstwirtschaftlichen Gesichtspunkten gefällt, aufgeastet oder beschnitten.
Bauholz & Brennholz
Die gefällten Bäume werden nun entweder zu Baumaterial oder zu Brennholz verarbeitet. Entrindete und getrocknete Kiefernstämme eignen sich hervorragend für tragende Konstruktionen von Schuppen, Toilettenhäuschen und Spielgeräten.
Geländegruppe
Die Geländegruppe nimmt gestalterische und pflegende Arbeiten im Gelände vor, wie z. B. das Bauen von Spiel- und Sportmöglichkeiten (Volleyballfeld, Baumhaus, Schaukel, Wippe, Kletterbäume...), Feuerstellen, Sitzgelegenheiten...
Hausbau
Zum Hausbau gehören alle Arbeiten, die beim Bau eines Holzblockhauses anstehen. Sowohl Arbeiten des Rohbaus (Wände, Dach, Fenster und Türmontage), des Innenausbaus (Holzfußböden, Wand- und Dachisolation/Vertäfelung, Elektro- und Sanitärarbeiten), als auch des Einrichtungsbaus (Möbel, Tische, Sitzmöglichkeiten, Regale, Kücheneinrichtung).
Maurerarbeiten
Zu diesen Arbeiten gehört z. B. das Gießen von Fundamenten, das Mauern von Schornstein, Küchenherd, Kamin, Wärmemauer, Spüle und Backofen.
Kleinere Bauprojekte
Kleinere Bauprojekte sind z. B. der Bau von Toilettenhäuschen, von Brennholz-, Trecker-, Werkzeug- und Lagerschuppen oder einer Außenküche mit großem Backofen.
Hauwirtschaft
Wo viel gearbeitet wird, muss auch gut gegessen werden. Wir versorgen uns selber. Gekocht und gebacken wird mit Holz.
Ein exemplarischer Tagesablauf
Der Tag beginnt damit, dass der Küchendienst das gemeinsame Frühstück zubereitet. Im Anschluss an das Frühstück findet eine Arbeitsbesprechung für den jeweiligen Tag statt. Es wird in verschiedenen Sprachen (deutsch, englisch, estnisch, russisch) besprochen, welche Arbeiten zu verrichten sind und wer wo arbeitet. Vormittags wird dann in den jeweiligen Gruppen gearbeitet, während das Mittagessen von der Küchengruppe gekocht wird. In der Mittagspause ist dann Zeit für gemeinsame Aktivitäten, wie Baden in der Ostsee und Sport- und Spielmöglichkeiten (abhängig vom Wetter und der Jahreszeit). Am Nachmittag wird bis zum Abendessen weitergearbeitet. Beim gemeinsamen Abendessen können Ereignisse und Erlebnisse des Tages ausgetauscht werden. Der Abend bietet wieder Raum für gemeinsame Unternehmungen, wie Singen am Lagerfeuer, Spazierengehen am Meer, Kuchenbacken für den nächsten Tag, künstlerische Arbeiten, sportliche Aktivitäten wie Volleyball, Bogenschießen o. ä. und natürlich auch zum weiteren gegenseitigen Austauschen der Kulturen.
Das gemeinsame Arbeiten mit den Straßenkindern
Die Kinder und Jugendlichen sind uns äußerst offen, höflich und kommunikationsbereit entgegen getreten, was sehr schnell zu einem gegenseitigen Vertauensverhältnis geführt hat. Für die Straßenkinder bedeutet die gemeinsame Arbeit mit uns, eine Auseinandersetzung mit einer anderen Kultur, mit einer anderen Sprache und mit der handwerklichen und körperlichen Arbeit. Sie erleben dadurch eine zuvor wenig gekannte gemeinsame Verantwortung gegenüber dem Bauprojekt und den anderen Menschen, die mit ihnen diese Verantwortung teilen. Sie wirken mit ihrem persönlichen und freiwilligen Einsatz in einer sozialen Gemeinschaft mit. Durch die Mitarbeit lernen sie unmittelbar ihre eigenen Grenzen, Begabungen und Fähigkeiten kennen, wodurch sich Perspektiven für ihr späteres Leben auftun können. Sie sehen die Ergebnisse ihrer Arbeit und haben Erfolgserlebnisse, was ihr Selbstwertgefühl stärkt. Ebenso erfahren sie, dass es Menschen in der Welt gibt, die sich mit ihren Schicksalen und Situationen auseinandersetzen, was das Gefühl vermittelt, als Menschen anerkannt und gewürdigt zu werden.
Ein mittlerweile 17 jähriger russischer Junge, der mit uns in den vier Jahren zusammen gearbeitet hat, möchte nach der Schule einen Beruf erlernen, der etwas mit Bauen zu tun hat. Dies ist ein Zeichen dafür, dass ihm das handwerkliche Arbeiten am Blockhaus eine Lebensperspektive eröffnet hat. Er ist ein äußerst geschickter und fleißiger Mitarbeiter, der die besten Vorraussetzungen für einen solchen Beruf vorweisen kann. Zuvor hatte er noch nie eine vergleichbare Arbeit getan, was deutlich macht, dass unser Projekt für ihn richtungweisend sein könnte.
Die Zukunft des Sozialzentrums
Das Grundstück des Sozialzentrums kann sehr vielseitig genutzt werden. Es bietet die Möglichkeit Sommerfreizeiten in den dreimonatigen estnischen Sommerferien für Kinder und Jugendliche aus dem Heim und Tageszentrum der evangelischen Kirchengemeinde und von obdachlosen und sozialschwachen Familien zu organisieren. Es können Resozialisierungs- und Entwöhnungsmaßnahmen für einzelne Kinder und Jugendliche durchgeführt werden. Ebenso können präventive Maßnahmen helfen zu verhindern, dass die Kinder und Jugendlichen in alte Gewohnheiten ihres Lebens auf der Straße zurückfallen. In fernerer Zukunft lassen sich dort Ausbildungsmöglichkeiten für Jugendliche verwirklichen.
Die Zukunft unseres Projektes
Während unseres letzten Arbeitseinsatzes wurde das Gemeinschaftshaus fertig gestellt und das erste Wohnhaus begonnen. Als nächstes sind ein Wasch-/Saunahaus und ggf. weitere Schlafhäuser geplant. Der Bau des Sozialzentrums erfordert es, eine neue Stromleitung auf das Grundstück zu legen, eine befestigte Zufahrt zu bauen, eine Brunnenanlage für die Frischwasserversorgung zu konstruieren sowie eine Versickerungsgrube für Abwässer auszuheben.
Das gesamte Bauvorhaben kalkulieren wir mit etwa 150.000 €. Zur Umsetzung der gesamten Pläne des Sozialzentrums sind finanzielle Summen nötig, die wir mit unseren Möglichkeiten nicht allein aufbringen können und sind auf größere Geldspenden angewiesen.
Wir möchten uns somit ganz herzlich auch im Namen unserer estnischen Mitstreiter bei allen Spendern bedanken, ohne die die Durchführung unseres Projekts in diesem Umfang nicht möglich wäre.
VIELEN DANK!
Kontakt:
Freie Waldorfschule Hannover-Maschsee
Wolfgang Kelwing, Henning Stricks
Rudolf von Bennigsen Ufer 70
30173 Hannover
Email: elagu-elu@freenet.de
Homepage: www.elagu-elu.de
Spenden:
Freie Waldorfschule Hannover-Maschsee
„Straßenkinderprojekt-Estland“
Stadtsparkasse Hannover
Konto 348260
BLZ 25050180