Sozialpraktikum bei den Roma in Roşia, Rumänien

Im sechsten Jahr kommt nun die 11. Klasse der Waldorfschule München Schwabing im Rahmen des Sozialpraktikums nach Rumänien in das kleine Dorf Roşia in der Gegend Transsilvanien, um den Menschen hier zu helfen und ein Mindestmaß an Lebensstandard aufzubauen.

 

Der Ort

Roşia (Rothberg) ein Dorf im Herzen Rumäniens - in Siebenbürgen - gelegen, wurde im 12. Jahrhundert von den Siebenbürger Sachsen gegründet. Heute zählt Roşia ca. 1200 Einwohner. Überwiegend sind dies sesshaftgewordene Roma-Familien.

Das Dorf ist 17 km von der europäischen Kulturhauptstadt Sibiu (Hermannstadt) entfernt. Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus im Dezember 1989 und der damit verbundenen Reisefreiheit haben die meisten Deutschen ihre Häuser im Oberdorf verlassen, die Rumänen aus dem Unterdorf sind in die Häuser umgezogen und die Roma haben sich in dem von Rumänen verlassenen Unterdorf angesiedelt. Es wohnen noch fünf Deutsche im Dorf, einer ist der Pfarrer und Schriftsteller Eginald Schlattner.

 

Die sozialen Verhältnisse

Bei den Roma-Familien herrscht Arbeitslosigkeit von fast 100 %, die Familienverhältnisse sind oft zerrüttet, Alkoholismus ist sehr präsent.

Eine Dorfgemeinschaft unter den Roma-Familien ist noch nicht vorhanden. Die sehr kinderreichen Roma-Familien (teilweise 6 – 7 Kinder) leben unter für uns nicht vorstellbar armen Verhältnissen. Bei den Hilfseinsätzen bieten sich für unsere Schüler viele Möglichkeiten mit den Roma-Kindern durch Spiel bei den Kleinen und gemeinsames Arbeiten bei den Jugendlichen in Kontakt zu treten. Diese Möglichkeiten werden ausgiebig genützt. Es entstehen dadurch herzliche Begegnungen und die Lebensverhältnisse können für die Roma-Kinder etwas verbessert werden.

Bild: Diego Steinhöfel und Felicitas Weber scherzen mit Bundespräsident Köhler

Das soziale Engagement der Schüler wurde 2006 im bundesweit ausgeschrieben Wettbewerb JUGEND HILFT! (8000 Jugendliche nahmen teil), durch ein einwöchiges Camp mit hochkarätigen Workshops zur Weiterentwicklung ihres Projekt prämiert. Feierlicher Höhepunkt war die Siegerehrung im Schloss Bellevue durch Eva Luise Köhler und den Bundespräsidenten.

 

Die Wohnverhältnisse

Die Roma leben entweder in selbstgebauten Ein-Zimmer-Lehmhütten oder in den heruntergekommen Häuschen der Rumänen (undichte Dächer, kaputte Dachstühle, feuchte Wände, verfallene Ziegelmauern, undichte Fenster, teilweise nur mit Plastikfolie verklebt).

In den zugehörigen kleinen Grundstücken finden sich Plumpsklos. Wasseranschlüsse sind nur teilweise vorhanden. Es gibt auch Stromanschlüsse, die meist aber gesperrt sind, da die Rechnungen nicht bezahlt wurden. Seit 2002 renovieren Schüler der Rudolf Steiner Schule Schwabing in einem jährlich stattfindenden dreiwöchigen Sozialpraktikum (eine Woche der Pfingstferien und zwei Wochen in der Schulzeit) zusammen mit den Roma-Familien diese Häuschen.

Durchschnittlich werden 6 – 8 Häuschen von Grund auf saniert. Die Baumaterialien und die anleitenden Handwerker und ,Übersetzer´ Laszlo und sein Sohn Ottilo werden von Spenden aus München finanziert.

 

Die Waldorfschule in Roşia

Die Waldorfschule wurde im Herbst 1998 gegründet mit dem Ziel, den aus dem gewöhnlichen rumänischen Bildungsnetz in Rumänien herausfallenden Roma-Kindern die Freude am Lernen und am Schulbesuch wieder zu geben oder zu erwecken und somit die Kinder vor einem Analphabeten-Dasein zu bewahren. Dies ist wie oben erwähnt in Rumänien ein gesellschaftspolitisch relevantes Problem. Verschärft wird dieses Problem für jene Roma, die sesshaft werden. Das Sesshaftwerden lockert die Bande zu den Zigeunern und bringt trotzdem keine Akzeptanz bei den Rumänen (den Nicht-Zigeunern).

Der Schulraum wurde ohne staatliche Hilfe errichtet, allerdings hat die örtliche Gemeinde ein 1,15 ha großes, zentral gelegenes Gelände pachtzinsfrei für 99 Jahre zur Verfügung gestellt. Im Herbst 2001 konnte der Pavillon mit fünf Klassenräumen eingeweiht werden.

Im Herbst 2006 besuchen etwa 120 Kinder die Schule in den Klassen 1 – 8 und den beiden Berufsschulklassen. Die Lernerfolge sind ermutigend: Die Kinder können jetzt rechnen, lesen und schreiben. Die menschenwürdige Behandlung seitens der Lehrer motiviert sie zum regelmäßigen Besuch der Schule. Die Schüler stammen in aller Regel aus kinderreichen Familien ohne festes Einkommen; sie sind oft mangelernährt. Darum soll für die Schüler in naher Zukunft täglich eine warme Mahlzeit bereitet werden.

 

Die Schul-Mensa

Die Roma-Kinder, die nur selten zu Hause eine warme Mahlzeit erhalten, sollen nach dem Unterricht, eine warme Mahlzeit in der Schule bekommen. Deren Gesundheit und Arbeitskraft wird dadurch entsprechend gefördert. Außerdem kann die Schulmahlzeit auch einen weiteren Anreiz für den Schulbesuch darstellen. Da in den Familien elementare Haushaltsgepflogenheiten nicht vermittelt werden, sollen sich die Schüler durch Küchen- und Abwaschdienst Gewohnheiten aneignen, die sonst ein Roma-Kind nie vermittelt bekommt. Die Lebensmittel, die die Küche brauchen wird, sollen zum großen Teil durch die Arbeit der Schüler auf dem biologischen Hof, an dessen Planung derzeit gearbeitet wird, produziert werden. So werden die Schüler den Wert selbst erzeugter Produkte schätzen lernen.

Im September 2006 wurde das Küchenhaus fertig gestellt und eingerichtet, so dass dort nun zwei Unterrichtsräume zur Verfügung stehen für die Berufsschulklassen 9 und 10. Die Schüler der Rudolf Steiner Schule Schwabing verputzten 2004 den gesamten Rohbau innen und außen und errichteten die Holzkonstruktion für den 1. Stock einschließlich Flachdach. 2005 hoben sie zusammen mit den Roma das Erdreich für zwei Kellerräume aus, füllten es mit Kies und betonierten den Boden. Außerdem bauten sie Verschalungen für die Innenwände im ersten Stock, die anschließend mit einer Holzspan-Lehm-Mischung gefüllt wurden. Auch isolierten und verschalten sie die Decke des Flachdaches.

Die Küche kann allerdings erst in Betrieb genommen werden, wenn ausreichend Mittel zur Finanzierung der Lebensmittel gefunden sind. Bei 0,75 Euro pro Schüleressen errechnen sich etwa Kosten von Euro 16.000,- pro Jahr. Dank einer großzügigen Spende konnte dies in diesem Jahr für 4 Jahre sichergestellt werden.

 

Die Nachhaltigkeit des Projekts

wird durch die in Planung befindlichen Werkstatt-Gebäude für die Berufsausbildung der Roma-Schüler gesichert. Außerdem hat die für Roşia zuständige politische Administration ihre Bereitschaft erklärt, dem Schulprojekt im Rahmen eines Pachtvertrages etwa 30 ha landwirtschaftliche Fläche langfristig kostenlos zur Verfügung zu stellen, damit dort ein biologisch orientierter Bauernhof u.a. die Lebensmittel für die Schule produzieren kann. Derzeit wird durch deutsche Fachberater geklärt, ob ansässige Bauern bereit sind, ihren eigenen Hof in diese Richtung mit zu entwickeln und so mit der Schule zusammenzuarbeiten. Bei Realisation dieses Vorhabens wird es möglich sein, Arbeitsplätze für die Dorfbevölkerung zu schaffen, insbesondere dann, wenn die für einen relativ großen Hof notwendigen Kleinhandwerksbetriebe als eigenständige Betriebe eingerichtet werden.
Voraussetzung für die Gewährung des Bodens durch die politische Administration ist der Nachweis, dass der Projektträger über die erforderlichen Mittel zum Ankauf der betrieblichen Grundausstattung verfügt. Die erste grobe Schätzung für die Anschaffung von Maschinen, Vieh und Saatgut sowie für die Errichtung der Ställe beläuft sich auf ca. € 250.000.

Es werden Überlegungen angestellt, ob es nicht hilfreich wäre, Kontakt zu einem geeigneten Forschungsinstitut aufzunehmen, um mit ihm zu diskutieren, ob und wie weit es von Wert sein könnte, die praktischen Erfahrungen, die mit und im Schulprojekt gemacht werden, im Rahmen einer Begleitstudie frühzeitig wissenschaftlich auszuwerten und daraus Anregungen für die Weiterarbeit zu empfangen. Eine solche objektive Aufarbeitung der Fakten könnte außerdem hilfreich sein, um Vertrauen für Nachahmungen des Projektes zu erzeugen.

Wie sagte der Schüler Samuel Anders bei der Preisverleihung im Schloss Bellevue:

 

"Helfen macht Spaß!" Richtig! Packen wir`s an!

Walter Kraus

(Projektbetreuer und Lehrer der Rudolf Steiner Schule Schwabing)

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