Nachtwanderung durch die eigene Stadt (9. Kl. Magdeburg)

Ein Beitrag von Gabriele Eberling (Freie Waldorfschule Magdeburg)

Schon lange bewegt mich der Gedanke, wie ich Erlebnisse schaffen kann, die Heranwachsenden helfen, Kraft und Zuversicht zu entfalten, um eigene Wege zu finden. Grenzerfahrungen spielen dabei eine wichtige Rolle, noch wichtiger scheint mir in Bezug darauf zu sein, diese Grenzen zu überwinden, neu auszuloten und ein neues Selbstbewusstsein zu entwickeln.

In einem Gespräch mit einer Kollegin einer Berliner Waldorfschule erfuhr ich von einer Aktion, die sie mit Schüler:innen durchgeführt hatte - eine 40 km lange Wanderung durch das nächtliche Berlin. Dieses Projekt begeisterte mich und ich begann mich gedanklich damit zu beschäftigen, so etwas mit meinen Neuntklässler:innen durchzuführen. Eine Reihe von weiteren Gesprächen bestärkte mich, in die Vorbereitung zu starten.

So beschrieb ich in einer Unterrichtsstunde den Schüler:innen, was ich in Bezug auf so eine Nachtwanderung gehört und überlegt hatte. Dies gefiel einigen. Sie fragten immer wieder nach. Schlussendlich informierte ich auf einem Elternabend über meine Idee. Die Eltern zeigten keine großen Bedenken, sodass ich nun weiter an die Umsetzung des Projektes ging.

Zuerst fuhr ich eine Strecke mit dem Fahrrad ab. Dann lief ich diese Strecke gemeinsam mit Kolleginnen in der Nacht ab, um den zeitlichen Rahmen abzustecken. Letztendlich wurde der Termin, ein Donnerstag Ende Mai 2023, festgelegt. Ich hatte mich für diese Zeit entschieden, da die Nächte doch kurz waren sowie die Temperaturen nicht noch eine zusätzliche Herausfor­derung schufen. Der Wochentag Donnerstag spielte deshalb eine Rolle, da der Stundenplan meiner Klasse am Freitag keine große Belastung darstellte. Die Schüler:innen konnten sich entscheiden, ob sie sich der Belastung aussetzten oder nicht. Auch gab es die Möglichkeit, sich während der Wanderung von seinen Eltern abholen zu lassen, sofern diejenigen die Kräfte verließen.

Die, die nicht teilnehmen wollten, waren für das Frühstück in der Schule verantwortlich. An die Wanderung anschließend war der Unterricht dann bis 10 Uhr verpflichtend. Ich hatte im Vorfeld das Fachkollegium informiert, was wir uns vorgenommen hatten.

So nahmen von 24 Schüler:innen 21 teil. Wir trafen uns um 23 Uhr und liefen los. Jede Tankstelle auf unserem Weg galt als Punkt der Rast. Wir gingen gemeinsam, ohne Handy und Musik - das war die Bedingung. Auf unserem Weg stellten wir fest, wie belebt die Stadt noch bis 1:30 Uhr war. Wir sahen Rehe mitten in der Stadt und hatten nie das Gefühl von völliger Finsternis. Zwischen 2:30 und 3:30 Uhr konnten wir wahrnehmen, dass es besonders kalt wurde, doch hinderte uns das nicht. Doch die Kräfte schwanden bei einigen gegen 4 Uhr, jedoch halfen der Sonnenaufgang und die gefühlte Nähe der Schule.

Gegen 6:30 Uhr waren wieder alle in der Schule ange­kommen. Eine große Erleichterung machte sich breit, Gespräche und Anekdoten wurden ausgetauscht. Als um 8 Uhr der Unterricht begann, waren alle Teil­nehmenden noch festen Willens, den Unterricht aufmerksam zu verfolgen. Das schafften jedoch nicht alle. Einige gingen um 10 Uhr nach Hause, andere hielten sogar noch bis 12 Uhr in der Schule durch.

Was bleibt von dieser Aktion?

Wir als Klasse haben uns gut kennen und schätzen gelernt. Alle, die teilgenommen haben, wissen, dass sie sich mühen können und dass sie alles zu schaffen vermögen, wenn sie es wollen.

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